Dass Unternehmen an der Digitalisierung ihrer Prozesse nicht mehr vorbeikommen, steht außer Zweifel. Dabei wird die Frage nach einem Chief Digital Officer (CDO) schnell laut. Oft herrscht allerdings Dissens, wenn es um die Definition der Aufgaben und Kompetenzen dieser recht neuen Position geht; besonders bei der Überlegung, wo sie im Unternehmen organisatorisch angesiedelt sein soll. Fakt ist: Der CDO ist in Deutschland ein seltener Posten - noch. Dabei ist digitale Kompetenz in den eigenen Reihen ein enormer Wettbewerbsvorteil.
Tatsache ist auch, dass es in vielen Unternehmen aufgrund unzureichender Stellenausschreibungen zu Missverständnissen kommt, die den gewünschten Erfolg, sprich die Digitalisierung der eigenen Produkte und Dienstleistungen, konterkarieren. Ein häufig begangener Fehler der Personalabteilung ist, dass bei der Auswahl der Kandidaten oft nicht die Fachkompetenz im Fokus steht, sondern die berufliche Herkunft. Soll heißen: Führungskräfte von Google, Amazon, Rocket Internet oder Facebook müssen es sein.
Zweifellos ist die Kompetenz in diesen Reihen groß. Unglücklicherweise wird bei dieser Wunschvorstellung ein gravierender Punkt aber nicht bedacht - nämlich die Unternehmenskultur. Unternehmen der New Economy funktionieren ganz anders als diejenigen der Old Economy. Hier treffen flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien und eine Always-on-Kultur auf meist festgelegte Arbeitsstrukturen und Bürozeiten sowie klare Rollenverteilungen. Kurzum, es prallen zwei Welten aufeinander.
Digitale Kompetenz auf Führungsebene
Aufgabe und Rolle eines CDO ist es, ein Unternehmen auf die digitale Transformation vorzubereiten und diese zu realisieren. Neue Technologien sollen eingebunden und innovative Geschäftsmodelle entwickelt werden, die dem Anspruch der Digitalisierung Rechnung tragen. Es ist deshalb ein grober Fehler, wenn Unternehmen einen CDO mit Führungserfahrung suchen, ihn aufgrund seiner neuen und nicht klar definierten Position aber nicht in der Geschäftsführung etablieren wollen.
Damit wird ihm die Plattform genommen, die für einen nachhaltigen Erfolg dringend erforderlich ist. Der Grund: Wenn bestehende Business-Modelle hinterfragt werden müssen und neue Geschäftszweige durch die Digitalisierung erst ermöglicht werden, handelt es sich um strategische Themen, die zwingend in der Unternehmensführung angesiedelt und entschieden werden müssen. Tatsächlich gibt es derzeit in Deutschland kaum einen CDO, der eine Position im Vorstand seines Unternehmens innehat.
Der CDO beherrscht Betriebswirtschaft und Marketing
Es kommt in Betrieben auch vor, dass die Position des CDO von einem Chief Technical Officer (CTO) besetzt wird. Zweifellos muss ein CDO über technisches Verständnis verfügen, um digitale Strategien umsetzen zu können. Allerdings reicht dieses Know-how längst nicht aus. Viel relevanter sind Erfahrungen im kommerziellen Bereich, sprich im Online-Marketing, E-Commerce und in der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen. Denn digitale Strategien sind in den meisten Fällen kommerziell getrieben. Viele Unternehmen wünschen sich daher auch aus wirtschaftlichen Gründen einen Headcount, der Kommerz und IT in einer Person vereint.
Eine schwierige Konstellation, die es so am Markt nur selten gibt. Die Suche nach dem richtigen Kandidaten gestaltet sich deshalb schwierig, weil eine erfolgreiche und nachhaltige digitale Strategie tatsächlich auf kommerziellen und technischen Pfeilern gründet. Dazu ist allerdings die Konstellation aus einem CDO, der an den CEO berichtet und einem CTO, der seinen Counterpart im CIO hat, am erfolgversprechendsten. So können die unterschiedlichen Kompetenzen am besten genutzt und gebündelt werden. Die digitale Transformation ist also ein Unternehmensthema, das in der Geschäftsführung und nicht in der technischen Leitung anzusiedeln ist.
Digitale Immigranten mit Erfahrung in der Old Economy
CDOs müssen also Allrounder sein, denn neben dem technischen Verständnis gehören Prozesskompetenz, Erfahrung in den unterschiedlichen Online-Kanälen, darunter auch die sozialen Netzwerke, im Online-Marketing sowie in der Monetarisierung von E-Commerce-Modellen zu ihren Anforderungen. Führungserfahrung, interdisziplinäres Arbeiten, Projektmanagement, analytische Fähigkeiten und ein Gefühl für die Old Economy gehören ebenfalls zu den Skills.
Ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing ist hier eine mögliche und gute Basis. CDOs sind digitale Immigranten. Das heißt, sie sind mit den Technologien zwar nicht aufgewachsen, haben sich aber bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere mit ihnen und den daraus resultierenden Möglichkeiten auseinandergesetzt. Demzufolge sind CDOs idealerweise zwischen 35 und Mitte vierzig - je nach Karriere eventuell auch etwas jünger.
Der CDO - ein Vorläufer der Digital Natives
Wie sieht es aber mit dem Haltbarkeitsdatum dieser Position aus? Während einige Unternehmen und digitale Experten im CDO einen nachhaltigen Posten in der Geschäftsleitung sehen, glauben andere, dass CDOs ihren Job nach erfolgreicher Digitalisierung des Geschäfts getan haben. Allerdings verändert sich die digitale Welt in einem rasanten Tempo, weil sie ein Nährboden für immer neue Technologien und Geschäftsmodelle ist. Es wäre fatal, davon auszugehen, dass nach der erfolgreichen Transformation keine weiteren Herausforderungen in der digitalen Welt auf uns zukommen.
Unternehmen werden ohne digitales Know-how nicht wettbewerbsfähig bleiben. Viele Branchen wurden durch digitale Innovationen wie Uber oder Airbnb torpediert und zum Überdenken ihrer Geschäftsmodelle gezwungen. Der CDO kann daher nur ein erster Schritt in die Welt der Technologien und des Internets sein. Vielmehr werden sich diverse Positionen, sei es die des CIO, CTO oder auch der CEO, verstärkt digitalen Strategien zuwenden und ihre Kompetenzen konsequent erweitern müssen.
Bevor der CDO aber in die Position des CEO transformiert wird, werden noch einige Jahre vergehen: Erst mit dem nächsten Generationswechsel werden die Digital Natives in die Chefetagen einziehen.