CDO - der CEO der Zukunft?

Der Chief Digital Officer ist kein CIO und CTO

23.03.2016 von Markus  Berg
Der CDO ist gefragt, weil neue Geschäftsideen wie Airbnb oder Uber traditionelle Unternehmen zur Digitalisierung zwingen. Dabei ist der CDO nicht mit dem CTO oder CIO zu verwechseln. Sein Know-how liegt neben IT-Wissen vor allem in Betriebswirtschaft, Marketing, E-Commerce sowie Projektmanagement. Das zeigt die strategische Dimension der Position, aus der sich vielleicht der CEO der Zukunft entwickelt.

Dass Unternehmen an der Digitalisierung ihrer Prozesse nicht mehr vorbeikommen, steht außer Zweifel. Dabei wird die Frage nach einem Chief Digital Officer (CDO) schnell laut. Oft herrscht allerdings Dissens, wenn es um die Definition der Aufgaben und Kompetenzen dieser recht neuen Position geht; besonders bei der Überlegung, wo sie im Unternehmen organisatorisch angesiedelt sein soll. Fakt ist: Der CDO ist in Deutschland ein seltener Posten - noch. Dabei ist digitale Kompetenz in den eigenen Reihen ein enormer Wettbewerbsvorteil.

Ein CDO muss die Digitalisierung unter betriebswirtschaftlichen Aspekten und im Kontext mit der IT strategisch vorantreiben.
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Tatsache ist auch, dass es in vielen Unternehmen aufgrund unzureichender Stellenausschreibungen zu Missverständnissen kommt, die den gewünschten Erfolg, sprich die Digitalisierung der eigenen Produkte und Dienstleistungen, konterkarieren. Ein häufig begangener Fehler der Personalabteilung ist, dass bei der Auswahl der Kandidaten oft nicht die Fachkompetenz im Fokus steht, sondern die berufliche Herkunft. Soll heißen: Führungskräfte von Google, Amazon, Rocket Internet oder Facebook müssen es sein.

Zweifellos ist die Kompetenz in diesen Reihen groß. Unglücklicherweise wird bei dieser Wunschvorstellung ein gravierender Punkt aber nicht bedacht - nämlich die Unternehmenskultur. Unternehmen der New Economy funktionieren ganz anders als diejenigen der Old Economy. Hier treffen flexible Arbeitszeiten, flache Hierarchien und eine Always-on-Kultur auf meist festgelegte Arbeitsstrukturen und Bürozeiten sowie klare Rollenverteilungen. Kurzum, es prallen zwei Welten aufeinander.

Digitale Kompetenz auf Führungsebene

Aufgabe und Rolle eines CDO ist es, ein Unternehmen auf die digitale Transformation vorzubereiten und diese zu realisieren. Neue Technologien sollen eingebunden und innovative Geschäftsmodelle entwickelt werden, die dem Anspruch der Digitalisierung Rechnung tragen. Es ist deshalb ein grober Fehler, wenn Unternehmen einen CDO mit Führungserfahrung suchen, ihn aufgrund seiner neuen und nicht klar definierten Position aber nicht in der Geschäftsführung etablieren wollen.

Damit wird ihm die Plattform genommen, die für einen nachhaltigen Erfolg dringend erforderlich ist. Der Grund: Wenn bestehende Business-Modelle hinterfragt werden müssen und neue Geschäftszweige durch die Digitalisierung erst ermöglicht werden, handelt es sich um strategische Themen, die zwingend in der Unternehmensführung angesiedelt und entschieden werden müssen. Tatsächlich gibt es derzeit in Deutschland kaum einen CDO, der eine Position im Vorstand seines Unternehmens innehat.

IT-Skills für die Digitalisierung
8 neue Mitarbeiter-Rollen
Laut Forrester brauchen IT-Abteilungen Beratungsfähigkeiten und übergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert politisches Fingerspitzengefühl und Methodenkompetenz.
1. Beziehungsmanager
Die IT stellt Partnerschaft und Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher. Sie übersetzt zwischen den beiden Seiten und bildet die Unternehmensziele technologisch ab. Im Zeitalter des Kunden bedeutet das vor allem mehr Beschäftigung mit Daten über die Verbraucher.
2. Architekt
In der Rolle des Architekten geht es konkret um das Entwickeln von Standards für Daten, Anwendungen und mobile Endgeräte. Das beinhaltet die Beobachtung der Konkurrenz und das Aufdecken neuer Kundengruppen.
3. Projekt- und Programm-Manager
Immer mehr Projekte starten von vornherein als abteilungsübergreifende Vorhaben. Hier ist nicht selten politisches Gespür gefragt.
6. Daten-Experte
Daten sind über das ganze Unternehmen verstreut. Der Daten-Experte wahrt dennoch die Kontrolle und erklärt jeder einzelnen Anwender-Gruppe, was sie mit welchen Daten tun darf und was nicht. Das beinhaltet Expertise in Daten-Tools, Methoden, dem Status jeder einzelnen Datenquelle und Einblick in die Geschäftsprozesse.
7. Geschäftsprozess-Designer
Unternehmen kaufen Anwendungen und setzen sie an allen Standorten ein. Geschäftsprozess-Designer sorgen für die Balance zwischen der Anpassung der Systeme und der Anpassung der Prozesse.
8. Sicherheitsexperte
Sicherheit ist nicht nur ein Thema von Regeln und Überwachung, sondern auch von Soft Skills. Security-Experten verdeutlichen der Belegschaft, warum sie nicht an der IT vorbeiarbeiten dürfen.
4. Vendor Manager
Der Vendor Manager entwickelt sich zunehmend zum Berater. Fachabteilungen interessieren sich üblicherweise nur für Funktionalitäten und kaum für Sicherheit. Der Vendor Manager schon.
5. Experte für Nutzer-Erfahrung
Die IT muss durch die Brille des Endverbrauchers beziehungsweise Unternehmenskunden sehen können. Das erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im direkten Kundenkontakt.

Der CDO beherrscht Betriebswirtschaft und Marketing

Es kommt in Betrieben auch vor, dass die Position des CDO von einem Chief Technical Officer (CTO) besetzt wird. Zweifellos muss ein CDO über technisches Verständnis verfügen, um digitale Strategien umsetzen zu können. Allerdings reicht dieses Know-how längst nicht aus. Viel relevanter sind Erfahrungen im kommerziellen Bereich, sprich im Online-Marketing, E-Commerce und in der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen. Denn digitale Strategien sind in den meisten Fällen kommerziell getrieben. Viele Unternehmen wünschen sich daher auch aus wirtschaftlichen Gründen einen Headcount, der Kommerz und IT in einer Person vereint.

Eine schwierige Konstellation, die es so am Markt nur selten gibt. Die Suche nach dem richtigen Kandidaten gestaltet sich deshalb schwierig, weil eine erfolgreiche und nachhaltige digitale Strategie tatsächlich auf kommerziellen und technischen Pfeilern gründet. Dazu ist allerdings die Konstellation aus einem CDO, der an den CEO berichtet und einem CTO, der seinen Counterpart im CIO hat, am erfolgversprechendsten. So können die unterschiedlichen Kompetenzen am besten genutzt und gebündelt werden. Die digitale Transformation ist also ein Unternehmensthema, das in der Geschäftsführung und nicht in der technischen Leitung anzusiedeln ist.

Digitale Immigranten mit Erfahrung in der Old Economy

CDOs müssen also Allrounder sein, denn neben dem technischen Verständnis gehören Prozesskompetenz, Erfahrung in den unterschiedlichen Online-Kanälen, darunter auch die sozialen Netzwerke, im Online-Marketing sowie in der Monetarisierung von E-Commerce-Modellen zu ihren Anforderungen. Führungserfahrung, interdisziplinäres Arbeiten, Projektmanagement, analytische Fähigkeiten und ein Gefühl für die Old Economy gehören ebenfalls zu den Skills.

Ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing ist hier eine mögliche und gute Basis. CDOs sind digitale Immigranten. Das heißt, sie sind mit den Technologien zwar nicht aufgewachsen, haben sich aber bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere mit ihnen und den daraus resultierenden Möglichkeiten auseinandergesetzt. Demzufolge sind CDOs idealerweise zwischen 35 und Mitte vierzig - je nach Karriere eventuell auch etwas jünger.

Der ehemalige Telefonica-CIO Andreas Pfisterer und andere über den Chief Digital Officer
Diskussion um den CDO
Braucht ein Unternehmen einen dezidierten Chief Digital Officer (CDO) oder ist Digitalisierung Aufgabe des CIO - dazu gibt es unterschiedliche Positionen.
Andreas Pfisterer, vormals CIO bei Telefonica
Andreas Pfisterer ist (mittlerweile ehemaliger) CIO der Telefónica Germany GmbH & Co. Er nahm die Digitalisierung seines Unternehmens selbst in die Hand. Pfisterer verstand sich dabei als Enabler und aktiver Gestalter. In dieser Rolle beriet er sowohl den CEO als auch jeden, der das operative Geschäft verantwortet. Seine These: Der klassische CIO, der sich in erster Linie um Rechenzentrum, Server, Netze und Anwendungs-Entwicklung kümmert, ist ein Auslaufmodell.
Frank Ridder, Gartner
Frank Ridder ist Analyst beim Marktforscher Gartner. Seine These: Der CIO kann die Digitalisierung nur dann selbst managen, wenn er sein klassisches Tagesgeschäft abgibt.
Alexander Wink, Korn Ferry
Alexander Wink ist Senior Client Partner und Member of the Global Technology & Industrial Practice beim Headhunter Korn Ferry. Viele seiner Kunden, die einen CDO suchen, haben nur ungenaue Vorstellungen vom Anforderungsprofil. Die Rolle eines CDO ist einfach noch nicht ausgereift.
Harald Linné, Atreus
Harald Linne ist Geschäftsführer beim Interim-Management-Anbieter Atreus. Er beobachtet ein steigendes Interesse der Unternehmen an Interim Managern, die Digitalisierungsprojekte stemmen sollen. Im Gegensatz zu Beratern, die Erkenntnisprobleme lösen sollen, werden Interim Manager wegen Umsetzungsproblemen geholt und typischerweise in der Linie eingesetzt.
Wilfried Lyhs, Interim Manager
Wilfried Lyhs von Hilderts & Partner ist Interim Manager. Seine Erfahrung: "Digitalisierung des Unternehmens ist derzeit ziemlich hype. Ich glaube allerdings, dass viele Unternehmen, vornehmlich mittelständische, Entwicklungsbedarf in ihren Prozessen und ihrer IT haben. Diese sind noch als Vorstufe zur 'Digitalisierung' zu betrachten."

Der CDO - ein Vorläufer der Digital Natives

Wie sieht es aber mit dem Haltbarkeitsdatum dieser Position aus? Während einige Unternehmen und digitale Experten im CDO einen nachhaltigen Posten in der Geschäftsleitung sehen, glauben andere, dass CDOs ihren Job nach erfolgreicher Digitalisierung des Geschäfts getan haben. Allerdings verändert sich die digitale Welt in einem rasanten Tempo, weil sie ein Nährboden für immer neue Technologien und Geschäftsmodelle ist. Es wäre fatal, davon auszugehen, dass nach der erfolgreichen Transformation keine weiteren Herausforderungen in der digitalen Welt auf uns zukommen.

Unternehmen werden ohne digitales Know-how nicht wettbewerbsfähig bleiben. Viele Branchen wurden durch digitale Innovationen wie Uber oder Airbnb torpediert und zum Überdenken ihrer Geschäftsmodelle gezwungen. Der CDO kann daher nur ein erster Schritt in die Welt der Technologien und des Internets sein. Vielmehr werden sich diverse Positionen, sei es die des CIO, CTO oder auch der CEO, verstärkt digitalen Strategien zuwenden und ihre Kompetenzen konsequent erweitern müssen.

Bevor der CDO aber in die Position des CEO transformiert wird, werden noch einige Jahre vergehen: Erst mit dem nächsten Generationswechsel werden die Digital Natives in die Chefetagen einziehen.