Digitale Transformation

Der Chief Digital Officer leistet noch Pionierarbeit

05.07.2019 von Wolfgang Herrmann
CDOs der ersten Generation müssen in ihren Organisationen noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Kulturelle Widerstände und starre Strukturen bremsen die digitale Transformation, wie eine internationale Studie zeigt.

Welche Rolle spielt der Chief Digital Officer (CDO) im Unternehmen? Wie groß ist sein Einfluss und welchen Beitrag leistet er auf dem steinigen Weg der digitalen Transformation? Diesen und weiteren Fragen ging die Unternehmensberatung Egon Zehnder auf den Grund. Sie befragte mehr als 100 CDOs großer Unternehmen aus 20 Ländern zu ihren Erwartungen und Erfahrungen, darunter auch deutsche Manager. Die Digitalchefs schätzen demnach ihren Wertbeitrag und den Einfluss auf den Transformationsprozess als hoch ein. Zugleich aber konzedieren sie, Widerstände auf kultureller und organisatorischer Ebene unterschätzt zu haben.

84 Prozent der interviewten Manager sind die ersten, die in ihrem Unternehmen eine CDO-Rolle übernommen haben; zwei Drittel sind höchstens drei Jahre im Amt.
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CDOs sind noch Pioniere

In den meisten Fällen handelt es sich bei den CDOs um Pioniere, lautet ein weiteres Ergebnis der Studie. 84 Prozent der Interviewten sind die ersten, die in ihrem Unternehmen eine CDO-Rolle übernommen haben; zwei Drittel sind höchstens drei Jahre im Amt. In ihren Organisationen sind sie durchaus einflussreich: 63 Prozent berichten direkt an den CEO, 55 Prozent tragen eine Profit-and-Loss-Verantwortung (Ergebnisverantwortung) für ihre Einheit. Dass das interne Know-how in Sachen digitale Transformation oft nicht ausreicht, zeigt die Tatsache, dass 64 Prozent der aktiven Digitalchefs nicht aus dem eigenen Unternehmen kommen.

Welche Aufgaben übernimmt der CDO?

Ein relativ klares Bild ergibt sich bei der Frage, wie die CDOs ihre Rolle im Unternehmen verstehen. 56 Prozent sehen ihre wichtigste Aufgabe darin, die wirtschaftliche Position des Unternehmens zu verbessern und neue digitale Einnahmequellen zu erschließen. Knapp einem Fünftel geht es vorrangig darum, die langfristige Produktstrategie sowie Innovationen voranzutreiben. Nur zehn Prozent nennen die kulturelle Weiterentwicklung, drei Prozent das Thema Datenintegration.

Angesichts des Drucks, schnell Ergebnisse zu liefern, denkt die Mehrheit der CDOs eher kurz- bis mittelfristig, kommentieren die Unternehmensberater. Allerdings gebe es auch Digitalmanager, die mit dem Ziel einer längerfristigen Weiterentwicklung des Unternehmens eingestellt wurden. In der Praxis kämpften viele CDOs mit einem Spagat zwischen kurz- und mittelfristigen Zielen, der ohne die Unterstützung weiterer Topmanager kaum zu schaffen sei.

Der CDO ist eher Evangelist als Macher

Wie zerrissen viele Chief Digital Officer in ihrer täglichen Arbeit sind, zeigen die Antworten auf die Frage: "Verbringen Sie mehr Zeit mit Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit oder mit dem Umsetzen strategischer Maßnahmen?" Mehr als die Hälfte der Digitalchefs (54 Prozent) nennt die erste Option. Nur 18 Prozent geben an, mehr oder zumindest genauso viel Zeit auf die Umsetzung zu verwenden. Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den oft hochgesteckten Zielen, für die die CDOs eigentlich eingestellt wurden, beobachten die Experten von Egon Zehnder. Sie liefern auch eine mögliche Erklärung: Nur ein Viertel der CDOs berichtet, dass die eigene Organisation zu ihrem Amtsantritt schon bereit für die digitale Transformation gewesen sei.

Was motiviert einen CDO?

Dazu passen die Motive der Manager, eine CDO-Position zu übernehmen. An erster Stelle steht für die Hälfte der Studienteilnehmer der erhoffte große Einfluss auf den Transformationsprozess, gefolgt von der Komplexität der Herausforderung. Das Thema Kultur spielt dagegen nur für drei Prozent eine Rolle.

In diesem Zusammenhang interessierte die Unternehmensberater auch, wie die CDOs den Erfolg ihrer Arbeit bemessen. Die Antworten auf die ungestützte Frage bildeten sie in Form einer "Word Cloud" ab (siehe Grafik?). Die größte Bedeutung hat demnach der Begriff "Growth", gefolgt von "Digital" und einer Kombination aus "Revenues" und "Sales". Das Wort "Profit" wurde deutlich seltener genannt. Die CDOs der ersten Generation sind also dazu eingestellt worden, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Klassische Gewinnziele stehen noch nicht im Vordergrund.

Erwartungen versus Erfahrungen

Geht es um die Frage, ob sich die Erwartungen an ihre Rolle in der Praxis erfüllt haben, zeigen sich die CDOs insgesamt zufrieden. 62 Prozent arbeiten so, wie sie es sich vorgestellt haben. Ein differenzierteres Bild ergibt sich aber, wenn die Manager erklären sollen, in welchen Teilbereichen es doch Abweichungen gibt. So geben 80 Prozent an, die kulturelle Weiterentwicklung des Unternehmens stelle sich schwieriger als erwartet dar. Ähnliches berichten 68 Prozent beim Thema Datenintegration und dem Aufbrechen von Silos.

"Kultur ist wahrscheinlich der wichtigste und zugleich am wenigsten beachtete Faktor für den Erfolg einer digitalen Transformation", schreiben die Berater dazu. Bevor Unternehmen einen Digitalexperten berufen, sollten sie genau prüfen, inwieweit die Organisation überhaupt offen für den Wandel ist. Entscheidend sei ferner, den CDO dabei zu unterstützen, vorhandene Silos aufzubrechen.

Andere Erhebungen von Egon Zehnder scheinen diese Sicht zu bestätigen, beispielsweise eine CEO-Umfrage aus dem Jahr 2018. Die interviewten Unternehmenschefs zeigten sich zwar zufrieden mit ihren Initiativen, das Business voranzubringen, kämpften aber regelmäßig mit dem notwendigen kulturellen Wandel.

Unterstützung aus dem Topmanagement

Um als CDO erfolgreich zu sein, ist die Unterstützung von C-Level-Managern unabdingbar, berichten 58 Prozent der Befragten. Die gute Nachricht: Die meisten Digitalchefs erhalten diese Unterstützung, auch wenn es in einigen Fällen noch Nachholbedarf gibt. Fast ebenso wichtig auf der "Digital Journey" ist den CDOs das Thema "Kultur und Arbeitsmethoden". Die Aspekte "Ressourcen" und "Talent" stufen dagegen lediglich 25 Prozent als erfolgskritisch ein.

Auch bei diesem Thema lohnt sich ein Blick auf die Details. So zeigen sich die meisten CDOs zwar grundsätzlich mit dem Support aus dem Topmanagement zufrieden. Die Zusammenarbeit mit den Führungsgremien (Board of Directors, Vorstand) könnte aber intensiver sein. Ein Drittel der Befragten etwa trifft die Vorstandsebene nur einmal im Jahr oder gar nicht, immerhin 37 Prozent berichten von Meetings im Quartalsrhythmus. Nur jede zehnte CDO trifft das Board beziehungsweise den Vorstand jeden Monat.

Die Berater von Egon Zehnder sehen diese Ergebnisse kritisch. Gerade die obersten Führungsgremien sollten genau über die digitale Strategie Bescheid wissen und sich direkt bei den dafür Verantwortlichen informieren, lautet ihre Empfehlung. Ein Digitalmanager aus einem asiatischen Unternehmen bringt das Problem auf den Punkt: "Wenn die Business Units von der Strategie abgekoppelt sind, werden sie sie womöglich sabotieren."