Dem deutschen Wald geht es aus verschiedenen Gründen sehr schlecht. Weil es öfter und heftiger stürmt, weniger regnet und sich immer mehr Schädlinge ausbreiten, ist der Wald nach Aussagen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) gestresst. Massive Waldschäden von der Ostsee bis zum Bodensee sind die Folge - der BUND spricht nach dem Waldsterben in den 1980er Jahren bereits vom "Waldsterben 2.0". Damals warfen durch den veränderten ph-Wert im Boden Bäume Blätter und Nadeln ab und starben. Jetzt kommt aus den unionsgeführten Forstressorts der Länder die Forderung nach einem Masterplan gegen den neuen immensen Waldverlust.
Anfang Juli forderte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) das "Mehrere-Millionen-Bäume-Programm". Ein Aufforstungsprogramm, das geschätzt mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten wird. Geld, das aus dem Energie- und Klimafonds fließen soll. Klöckner will zudem für September einen nationalen Waldgipfel einberufen. "Unser Wald ist massiv geschädigt", sagte sie der "Rheinischen Post". "Nur mit vereinten Kräften stemmen wir die Mammutaufgabe, die vor uns liegt, um unseren Wald zu retten - nicht nur für uns, sondern für die nachfolgenden Generationen. Es geht nicht nur um Investitionen in Millionenhöhe für Aufforstungen. Sondern auch um die langfristige Anpassung der Wälder an den Klimawandel", so Klöckner.
Fichten, Kiefern, Buchen und Eichen sterben
"Die schlechten Nachrichten aus dem Wald reißen nicht ab", sagt Sachsens Forstminister Thomas Schmidt (CDU). "Jeden Tag erreichen uns neue Hiobsbotschaften. Deshalb müssen wir dringend handeln." Seinen Angaben zufolge sind seit 2018 bundesweit mehr als 100.000 Hektar Wald von Stürmen, Dürren und Schädlingen geschädigt worden. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) spricht sogar von 120.000 Hektar, die bereits abgestorben sind. Sterben würden demnach vor allem Fichten, aber auch Kiefern, Buchen und Eichen.
Die zu beratende "Moritzburger Erklärung" mit der Forderung nach einem Masterplan zielt darauf, Antworten auf die Frage zu finden, wie der Wald für die Zukunft gewappnet werden kann. Eine Antwort lautet: robustere Mischwälder statt Monokulturen. Letztere sind in weiten Teilen der Bundesrepublik zu finden.
Ein Thema, das im Nationalpark Harz in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen allgegenwärtig ist. Hauptbaumart in dem 25.000 Hektar großen Schutzgebiet wäre von Natur aus die Rotbuche, doch es gibt sie kaum. "Knapp zwei Drittel der Fläche sind potenzielle Laubbaumstandorte", sagt Parksprecher Friedhart Knolle. Aktuell gibt es aber nur auf etwa 20 Prozent der Fläche Laubwald, der Rest sind schädlingsanfällige Fichtenwälder. Die schnell wachsenden Flachwurzler wurden in Zeiten des intensiven Bergbaus im Harz auf verschiedene Weise genutzt.
Waldumbau nötig
An der neuen Waldstruktur wird im Nationalpark akribisch gearbeitet, etwa durch jährliche Pflanzungen junger Buchen, Bergahorn oder Erlen. Ungeplante "Mitarbeiter" sind dabei auch die schweren Stürme der vergangenen Monate und der Borkenkäfer. Sie beschleunigen auf ihre Art den Waldumbau, wie er in dem Großschutzgebiet angestrebt wird.
Deutschland ist etwa zu einem Drittel bewaldet. 11,4 Millionen Hektar Wald gibt es, gut die Hälfte ist laut aktueller Bundeswaldinventur Privateigentum. Der SDW zufolge fehlen wegen der Dürresommer 2018 und 2019 im Schnitt mehr als 200 Liter pro Quadratmeter Regen im Jahr. Vor allem die Wälder im Osten würden vertrocknen, hieß es.
So schlug der BUND Alarm. Es müsse großflächig aufgeforstet und parallel eine waldfreundliche Bejagung entwickelt werden. Die Jagd müsse so gestaltet sein, dass eine erfolgreiche natürliche Verjüngung und Wiederaufforstung möglich sei, so der BUND. Für eine gute und sichere Zukunft sei auch mehr Forstpersonal nötig.
Politiker wollen deutschen Wald schützen
Der Bund Deutscher Forstleute (BDF) sieht dem Wald gar vor dem Kollaps. "Der Wald ist der Klimaretter schlechthin, aber aktuell ist der Wald selbst Opfer der Klimakatastrophe", heißt es in einer Mitteilung. Der BDF fordert einen "nationalen Waldgipfel auf höchster Ebene" und eine "auskömmliche Finanzierung der Aufräumarbeiten im Wald." Auch die Forschungsarbeit müsse vertieft werden, hieß es.
Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte unterdessen eine Urwald-Offensive in Deutschland. "Neben dem Waldumbau braucht es auch eine Urwald-Offensive in Deutschland", sagte sie der "Rheinischen Post". "Fünf Prozent der Waldfläche wollen wir der Natur überlassen, so dass dort Natur wieder Natur sein kann, ohne menschliche Eingriffe." (dpa/rs)