Seine Erfindung, das Telefon, hat die Welt verändert. Dennoch ist der deutsche Tüftler Philipp Reis, dessen Todestag sich jetzt zum 150. Mal gejährt hat, heute weithin unbekannt. "Er hat eine Jahrtausenderfindung gemacht, doch wenn man heute irgendwo auf der Welt fragt, wer das Telefon erfunden hat, hört man Alexander Graham Bell", sagt Reis-Biograf Wolfram Weimer.
Reis wurde 1834 im hessischen Gelnhausen geboren und wuchs als Vollwaise auf. Er machte eine kaufmännische Lehre und arbeitete später als Lehrer für Sprachen und Naturwissenschaften in Friedrichsdorf in der Nähe von Frankfurt/Main. Dort hält heute ein Museum die Erinnerung an den Erfinder wach.
Erfindung als Spielerei abgelehnt
In seiner Freizeit brütete Reis lange über die Frage, wie Töne mit Hilfe von Strom über größere Entfernungen übertragen werde können. 1861 gelang ihm der Durchbruch und er stellte den Apparat, den er "Telefon" nannte, vor dem Physikalischen Verein in Frankfurt vor. "Das Echo war äußerst enttäuschend - seine Erfindung wurde als "Spielerei" abgelehnt", erzählt das Museum. Nach Angaben von Weimer wurde Reis von den "feinen Herren Professoren" immer ein bisschen belächelt als ein Bastler, der irgendetwas Unnützes erfindet.
Reis starb mit nur 40 Jahren am 14. Januar 1874 in Friedrichsdorf, bevor er seinen Apparat weiterentwickeln konnte. Sein Fernsprecher funktionierte nur in eine Richtung - der Hörer konnte nicht sofort antworten. Erst als in den USA Alexander Graham Bell in den 1870er Jahren ein Gerät auf den Markt brachte, das abwechselnd ans Ohr und dann an den Mund gehalten wurde, trat das Telefon seinen weltweiten Siegeszug an. Laut Reis-Museum beruhte das von Bell 1875 eingereichte Patent nach dessen eigenen Angaben auf den Arbeiten des Deutschen, die der Amerikaner zumindest teilweise gekannt und verbessert habe.
"Mir tut es für Philipp Reis auch persönlich leid, dass er es so schwer im Leben hatte, aber nie den verdienten Respekt erhielt", erklärt Weimer. "Wenn wir ihn jetzt auch noch vergessen oder nichts für ihn tun, dann ist es doppelt bitter." Der frühere Chefredakteur von "Focus" und "Welt" hat dem Erfinder vor vier Jahren mit seiner Biografie "Der vergessene Erfinder" ein literarisches Denkmal gesetzt. Für Weimer, der als Verleger in Oberbayern lebt, ist das auch eine Sache des Lokalpatriotismus: Wie Reis wurde er in Gelnhausen geboren.
Wolfram Weimer: Deutschland "eine Nation von Erfindern"
Der Fall Reis sei geradezu exemplarisch, sagt Weimer. "Wir sind eine Nation von Erfindern, Ingenieuren, Tüftlern und Bastlern. Und das gilt nach wie vor." Viele große technische Innovationen der vergangenen 200 Jahre seien von Deutschen erfunden worden. Aber die Deutschen seien nicht gut im Vermarkten. "Das ist eher eine Stärke der Amerikaner. Und manchmal nehmen uns die Amerikaner einfach unsere Erfindungen ab und machen daraus ein großes Geschäft."
An anderen Orten in der Welt ehre man Erfinder mit Denkmälern oder großen Monumenten, sagt der Biograf. "Bei uns macht man das nicht mehr, weil es irgendwie nicht mehr schicklich ist", kritisiert er. Selbst Nobelpreisträger würden in Deutschland nicht richtig sichtbar gemacht und medial gewürdigt. "Wir haben ein Defizit in der Würdigung unserer naturwissenschaftlichen und Ingenieurleistungen."
Er wünsche sich mit Blick auf das 150. Todesjahr des Erfinders, dass Philipp Reis sichtbarer gemacht werde. In seiner Heimatstadt Gelnhausen könne er sich "eine Art Triumphbogen" an einer Zufahrtsstraße vorstellen. Nicht einmal eine Autobahnausfahrt weise in Gelnhausen auf den Erfinder hin. "Wir bräuchten eigentlich auch ein Kommunikationsmuseum: Wenn du den Erfinder des Telefons hast, dann muss ein Ort her, der das sichtbar macht." Er denke als Vorbild an das Ludwig Erhard Zentrum in Fürth. "Die Bayern haben ein besseres Händchen dafür, ihre Traditionen hochzuhalten und sie herzuzeigen."
Die hessische Landesregierung hat nach eigenen Angaben keine besondere Veranstaltung aus Anlass des 150. Todesjahres des hessischen Erfinders vorgesehen. Ehrende Veranstaltungen würden eher aus Anlass runder Geburtstage und nicht von Todestagen geplant, teilte die Staatskanzlei mit. Das bedeute aber nicht, dass das Land Hessen "einem seiner bedeutendsten Söhne" kein ehrendes Andenken bewahren würde, hieß es weiter. So werde Reis schon seit langer Zeit in der Broschüre Hessen-Pass in der Rubrik "Berühmte Hessinnen und Hessen" aufgeführt. Zudem seien mehrere Schulen nach Reis benannt.
Bürgermeister: "Triumphbogen nicht so ganz passend"
In Reis' Geburtsstadt Gelnhausen rufen Weimers Anregungen gemischte Reaktionen hervor. "Der Rückzug Napoleons führte zwar auch durch Gelnhausen und das Kinzigtal, aber ein Triumphbogen nach französischem Vorbild wäre zur Würdigung von Philipp Reis wohl nicht ganz so passend", sagt Bürgermeister Christian Litzinger (CDU). Selbstverständlich habe die Stadt aber Weimers Botschaft verstanden.
"Im digitalen Zeitalter, in dem die Kommunikation eine große Rolle spielt und viele neue Herausforderungen mit sich bringt, nehmen wir die Anregung, Philipp Reis monumentaler zu würdigen und ihn und sein Erbe in der Stadt noch sichtbarer werden zu lassen, gerne auf", sagte Litzinger. In Abstimmung mit den politischen Gremien und der Bürgerschaft - möglicherweise auch mit einem Ideenwettbewerb - werde man prüfen, welche weiteren Optionen infrage kämen. (dpa/rs)