Viele Fragen blieben offen, als der Google-Konzern am 10. Mai bei seiner Entwicklerkonferenz I/O 2011 seine Idee für ein vernetztes Zuhause präsentierte: Android@Home. Jedes Gerät im Haus oder in der Firma soll sich über eine zentrale Schnittstelle kabellos verbinden - und über Android-Apps steuern lassen. Google stellt zudem OpenSource Kits für Software- und Hardware-Entwickler bereit, mit dem Hersteller ihre Kühlschränke, Fernseher und Heimtrainer auf die Technik einstellen können.
Anwender könnten dann über ihr Smartphone von unterwegs schauen, wer an der Haustür klingelt. Der Kühlschrank funkt den Kalorienverbrauch an den Heimtrainer, und zwei Tage vor der Rückkehr aus dem Skiurlaub drehen wir die Heizung wieder leicht auf. Der Energieversorger RWE hat bereits ein Smart-Home-Angebot für die Heimautomation ("Licht an, Licht aus") auf den Markt geworfen, auch Securitas spielt in dem Markt mit. Google aber will die Rundum-Versorgung erreichen - von Entertainment in allen Räumen bis zur Waschmaschine.
6 Säulen: Vom Smartphone bis zum Teledoktor
Leider aber dürfte das Google-Konzept, so wie es jetzt vorgestellt wurde, wenig Hoffnung auf Erfolg haben. Dieses Urteil fällen die Münchner Unternehmensberater von Mücke, Sturm & Company in ihrer aktuellen Untersuchung "Android@Home: Setzt Google den Standard im SmartHomeBereich?". Sie haben ein Muster für Smart-Home-Geschäftsmodelle entworfen, das auf sechs Säulen fußt - von den Endgeräten über die Entwickler-Community bis zur Service-Infrastruktur, und natürlich Dritt-Anbietern wie Telemedizinern und Online-Videotheken.
Entscheidend für die Kunden seien der tatsächliche Zusatznutzen und die Bedienerfreundlichkeit, zudem der Preis für die Anschaffung und den laufenden Betrieb. Wichtig ist, wie stark Smart-Home-Komponenten verbreitet sind und ob sie untereinander kompatibel sind. Firmen mögen sich noch auf eine Plattform einlassen. Was aber, wenn Privatanwender einen Samsung-Fernseher mit der Playstation 3 von Sony, ihrem iPhone und dem Android-Tablet verknüpfen wollen?
Und dann ist da die Sicherheit: Stürzt das System gerne ab? Sind meine Daten sicher vor Angriffen von außen - wenn der Kühlschrank per Kreditkarte neue Milch bestellt? Wie schwer lässt sich das ganze System hacken, damit niemand anders meine Wohnung fernsteuern kann. Schließlich wird man sich auch fragen: Was geschieht mit meinen Daten im Google-Rechenzentrum, wenn ich mir den Datenkraken ins Haus hole.
Der Test des Google-Konzepts
Im folgenden Stellen wir die sechs Säulen einzelnd vor, auf den ein Smart-Home-System laut Mücke, Sturm & Partner ruhen muss - und wie gut Android@Home dort hineinpasst.
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1. End-Geräte: Entscheidend für die Nutzer ist, wie bequem das System über ein festes Terminal, das Internet oder eine Smartphone- und Tablet-App steuern können. Zudem wollen sie Hardware mit verschiedenen Betriebssystemen nutzen - und das auf lange Sicht.
Der Google-Test: Android ist das am stärksten verbreitete Betriebssystem für mobile Endgeräte und läuft auf fast allen Typen von Endgeräten. Entscheidender Nachteil von Android@Home ist, dass es nur auf Android-Endgeräte anspricht. Apple müsste draußen bleiben.
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2. Technical Infrastructure: Sie ist das Rückgrat des intelligenten Heims - und die Verbindung gewährleisten zwischen den Endgeräten und der Residential Gateway des Hauses, der zentralen Schnittstelle. Entscheidend sind ebenfalls eine stabile Internet-Verbindung zwischen Gateway und den Servern des Smart-Home-Systems sowie zwischen Gateway und den Servern von Drittanbietern. Innerhalb des Hauses muss die Verbindung flexibel sein - mit und ohne Kabel, und einem gängigen Übertragungs-Standard gehorchen. Außerdem wollen die Kunden nicht zu viel Geld für die Kabel oder Sender ausgeben.
Der Google-Test: Leider ist das Konzept für die Infrastruktur noch völlig unklar und ob Android@Home über etablierte Übertragungs-Standards oder eine eigene Google-Lösung läuft. Offenbar gibt es auch keine zentrale Schnittstelle, sondern verteilte Cloud-Hubs. Gut ist, dass Google Geräteherstellern seine Standards als OpenSource zur Verfügung stellt.
Service, Entwickler-Community und der denkende Kühlschrank
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3. Service-Infrastructure: Nötig sind Vertriebskanäle, Beratung und Installations-Service sowie technischer Support - und ein einfaches und sicheres Abrechnungssystem.
Der Google-Test: Mit dem Android-Market existiert bereits ein etablierter Vertriebskanal, ansonsten ist da ja noch Amazon. Bezahlsysteme gibt es bereits. Wie Google sich dort aufstellen will, ist noch unklar. Und dem Konzern fehlt es bisher an Service-Leistungen für Kunden, eine Hotline etwa.
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4. Einbindung von Dritten: Damit Sicherheits-Anbieter, Teledoktoren, Online-Händler und der Schornsteinfeger in das System eingebunden werden können, braucht es einen offenen Standard. Hier ist Sicherheit entscheidend - der System-Anbieter muss also ein Auge auf die Partner und ihre Angebote haben.
Der Google-Test: Offenbar holt Google bereits Partner ins Boot. Das ist gut - nur ist das spätere Angebot noch nicht abzusehen.
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5. Apps: Für alles gibt es eine App - sagt Apple. Das müsste auch für das Smart-Home gelten. Entscheidend sind Vielfalt und Qualität der Apps. Der System-Anbieter sollte Entwickler mit einem Geschäftsmodell ohne Einstiegshürden locken, Software-Kits bereitstellen und die angebotenen Apps durch eine gründliche Kontrolle schleusen.
Der Google-Test: Eine große Android-Entwicklergemeinde kann Google schon vorweisen und ein funktionierendes Software-Kit. Allerdings nimmt der Konzern es mit der Kontrolle nicht so genau. Erst kürzlich schlich sich ein Trojaner in den Android Marketplace.
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6. Appliances: Endgeräte zum Steuern sind das Eine - die steuerbaren Geräte das Andere. Hier sind wieder Partner nötig, die ihre Kühlschränke, Heizungen und die Lampen mit Kommunikations-Modulen ausstatten. Hier ist es ähnlich wie bei den Apps: Der System-Anbieter sollte die Entwickler mit Kits oder sogar vorgefertigten Modulen versorgen.
Der Google-Test: Mit seiner Marktmacht kann Google sicher Drittanbieter anwerben - und verfügt bereits über eine starke Community bei den Apps. Als Kit bietet Google im Arduino-Projekt ein Referenzdesign für 80 Dollar an.