Online-Käufe und Billiglebensmittel

Der Handel kämpft an vielen Fronten

03.02.2020
Mit einem Vorstoß gegen Billiglebensmittel geht Ministerin Klöckner auf Konfrontationskurs mit dem Handel. Der kämpft daneben mit den üblichen Herausforderungen - und blickt dennoch zufrieden aufs vergangene Jahr.
Trotz der vielen Herausforderungen blickt der Handelsverband zufrieden auf das vergangene Jahr.
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Darbende Innenstädte, immer mehr Online-Bestellungen oder unübersichtliche Sonntagsöffnungszeiten - auch im vergangenen Jahr hatte der deutsche Einzelhandel wieder mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Doch zu den Dauerthemen ist zuletzt eine weitere Debatte hinzugekommen: über Lebensmittelpreise in Supermärkten. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will Billiglebensmittel im Handel zurückdrängen und die Branche in die Pflicht nehmen. "Hähnchenschenkel für 20 Cent pro 100 Gramm, das ist unanständig", sagte sie vor wenigen Wochen dem "Tagesspiegel". "Wie soll ein Bauer davon leben und dann noch höchste Tierwohlstandards einhalten können?"

Am Freitag nun ging der Handelsverband Deutschland (HDE) bei seiner Jahrespressekonferenz auf die Vorwürfe ein. "Lebensmittel werden hier nicht verschleudert", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Gent. Deutschland liege bei Lebensmittel-Preisen rund zwei Prozentpunkte über dem Durchschnitt der 28 EU-Mitgliedstaaten. "Man muss deutlich sehen, dass unsere landwirtschaftliche Produktion auf Export ausgelegt ist, dass wir hier globale Preisabhängigkeiten haben, die man gar nicht in Deutschland steuern und verändern kann", sagte er.

Heftige Kritik vom HDE-Präsident

Noch deutlicher wurde HDE-Präsident Josef Sanktjohanser: "Mit ihren Forderungen nach Mindestpreisen für Lebensmittel im Einzelhandel überschreiten Vertreter der Bundesregierung und der Parteien eine rote Linie", teilte er mit. "Offensichtlich ist einigen Politikern der ordnungspolitische Kompass verloren gegangen, der die Vorteile der sozialen Marktwirtschaft und das Ziel, Wohlstand für alle zu schaffen, in den Mittelpunkt stellt."

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will an diesem Montag mit dem Einzelhandel und der Ernährungsindustrie über "faire Preise" für Lebensmittel sprechen. An dem Treffen sollen unter anderem auch Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU) teilnehmen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte.

Trotz der vielen Herausforderungen blickt der Handelsverband zufrieden auf das vergangene Jahr und vor allem das Weihnachtsgeschäft zurück: Auf knapp 102 Milliarden Euro stieg der Umsatz der Monate November und Dezember. Das waren rund 2,5 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Dabei schnitt der Dezember schlechter ab als der November. "Die Adventswochenenden sind sehr gut gelaufen", sagte Genth. "Aber besonders in der Woche war das Geschäft eher verhalten." Im November lagen mit den Aktionstagen Black Friday sowie dem Cyber Monday wichtige Umsatzbringer.

Gute Voraussetzungen für den Handel

Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt, eine solide Sparquote und steigende Löhne sorgten auch im Gesamtjahr 2019 für ein Umsatzwachstum von 3,2 Prozent auf 543,6 Milliarden Euro. Davon profitierten vor allem der Handel mit Fahrrädern sowie der Versand- und Internethandel. Umsatzeinbußen von rund drei Prozent verzeichnete hingegen der Spielwarenhandel. Für das kommende Jahr geht der HDE von einem erneuten Gesamtwachstum von 2,5 Prozent aus.

Zwar wächst der Online-Handel weiter deutlich stärker als der stationäre Handel. Mit rund 58 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr ist sein Anteil am Gesamtumsatz aber weiter vergleichsweise niedrig. "Den Menschen, der nur online einkauft, gibt es nicht", sagte Hauptgeschäftsführer Genth.

Ärger bei Sonntagsöffnungen

Er forderte von der Politik zudem mehr Verlässlichkeit bei Sonntagsöffnungen. Es gehe nicht darum, jeden Sonntag zu öffnen. "Sondern wir brauchen verlässliche Sonntagsgenehmigungen, die wir heute nicht haben", sagte Genth. Viele Sonntage würden von Gewerkschaften "weggeklagt". Der bislang geltende sogenannte Anlass-Bezug sei faktisch nicht mehr umsetzbar. Demnach sind Sonntagsöffnungen im Handel nur bei bedeutenden, überregionalen Anlässen möglich.

Ähnlich hatte sich in der "Welt" auch HDE-Präsident Sanktjohanser geäußert: "Der Königsweg ist eine Grundgesetzänderung", sagte er mit Blick auf den Anlass-Bezug. "Denn die darin verankerten Vorschriften stammen letztlich noch aus der Zeit der Weimarer Republik." Die Zeiten hätten sich geändert "und die Menschen auch."

Auch die FDP-Bundestagsfraktion rief dazu auf, die Regelungen zu den Sonntagsöffnungszeiten zu lockern. "Da müssen wir ran", teilte Einzelhandelssprecher Manfred Todtenhausen mit. (dpa/rs)