Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ist eine Festung: Mauern aus Granit und kugelsicheres Glas schützen Mitarbeiter und Daten im IT-Trakt, einem bunkerartigen Flachbau neben dem achtstöckigen Hauptgebäude der Flensburger Verkehrsverwalter. Der mit 23 Überwachungsmonitoren ausgestattete Leitstand, der Server-Raum und zwei Speichersilos, die seit kurzem in ein Speichernetzwerk eingebunden sind, befinden sich seit knapp acht Jahren dort. Führerscheindaten, Zulassungen für Mofas und Ferraris, VW Käfer und 40-Tonner sowie Bußgeldbescheide sind hier abgelegt - samt der Punkte.
Im Zentralregister für Verkehrssünder im vierten Stock des Verwaltungsgebäudes weicht der papierene Aktenmief nach und nach dem Duft der digitalen Welt. Die Digitalisierung spart Personal, denn Auskünfte per Telefon sind immer seltener nötig. Bußgeldstellen, Fahrerlaubnisbehörden und Zulassungsstellen aus den Bundesländern bekommen ihre Antworten inzwischen online. 80 Mitarbeiter im Zentralregister hat das KBA abgebaut; jetzt sind hier nur noch 150 tätig.
"Alle Einmaltäter sind bereits digital erfasst", so Bodo Bronnmann. Der 43-jährige Mathematiker ist seit 1999 Chef des Referats 14 mit dem Sachgebiet Informationstechnologie. Noch hängen allerdings tausende Ordner in den Schränken - eine gewisse Galgenfrist für notorische Raser und Trunkenfahrer; denn Wiederholungstäter werden noch zwischen Pappdeckeln aktenkundig. Wer schon öfter in einer geschlossenen Ortschaft erheblich zu schnell unterwegs war (1 bis 4 Punkte) oder im Vollrausch (7 Punkte), dessen Daten sind der Digitalisierung also bislang noch entgangen. "Wenn der Raum abbrennt, wäre eine Rekonstruktion der Eintragungen nur über die Akten der Gerichte und Bußgeldstellen möglich", räumt Bronnmann ein.
Mehr Daten auf weniger Laufwerken
Feuer- und bombensicher werden dagegen die digitalen Akten verwahrt. Die sind im Datenschutzraum hinter fünfzig Zentimeter dicken Stahltüren untergebracht - im Sicherheitstrakt. Neue Fahrzeug- oder Zulassungsdaten platziert Bronnmann zunächst auf Plattenspeichern, ehe sie sicher auf 1000 Magnetbandkassetten in zwei Datensilos untergebracht werden. Die Auslastung der Speichersysteme wird seit Ende 2001 durch ein Speichernetz, ein Storage Area Network, verbessert. "Die einst 40 Laufwerke konnten wir auf 8 reduzieren", sagt der Mathematiker, "obwohl der Speicherbedarf größer geworden ist: Die Datenmenge wird bis Ende 2005 von heute 18,3 auf voraussichtlich etwa 43 Terabyte steigen."
Bronnmann hat Vertrauen in die Technik - und er kennt die Vorzüge des neuen Systems. Sicherheitskopien des Datenbestands lassen sich nun deutlich schneller herstellen. Die Daten spiegelt er täglich vom ersten Datensilo zum zweiten. "Wöchentlich machen wir über diese Differnzspiegelungen hinaus ein komplettes Back-up", erklärt Bronnmann. 2001 investierte er 2,7 Millionen Euro in die neue Speicherlandschaft; 1,7 Millionen davon sollen bis 2006 wieder eingespart werden.
Bronnmanns Vorzeigeprojekt ist das 2001 aufgesetzte Zentralinformationssystem Zevis, in dem Führerscheine, Fahrzeugscheine und Daten aus der Sünderkartei für autorisierte Nutzer - etwa die Polizei, den Bundesgrenzschutz und die Landesbehörden - online abrufbar sind. "Doch was hilft das innovativste System, wenn andere noch nicht so weit sind", seufzt Bronnmann, der Zevis nach eigener Auskunft fristgerecht fertig gestellt hat. Die Polizei war jedoch mit ihrem Fahndungssystem Inpol noch nicht so weit, an das Zevis angebunden werden sollte. Seit Juli 2002 läuft das System jetzt unter dem modifizierten Inpol-neu.
Schnittstelle zur Lkw-Maut
Ein ähnliches Problem sieht Bronnmann bei der Lkw-Maut, die wegen zahlreicher Fehlplanungen ebenfalls schon oft verschoben werden musste (s. CIO 9/03, S. 48). "Wir haben bereits eine XML-Schnittstelle für das Maut-Unternehmen Toll Collect geschaffen. Zevis liefert Infos wie Achsenzahl, Emmissionswerte und Gesamttonnage, aus denen sich die Höhe der Gebühren errechnet." Derzeit arbeitet Toll Collect an der technischen Lösung für einen entsprechenden Zugang.
Hobbyfotograf Bronnmann, der im Büro von seinen Schmetterlingsfotos umgeben ist, sieht sich als Vorreiter für die Landesbehörden: gewissermaßen als IT-Dienstleister für die Länder - wenn auch nur beratend, nicht direktiv. "Die Länder können entscheiden, welche technische Lösung sie nutzen." So dauere es unterschiedlich lang, bis ein neuer EU-Führerschein angemeldet, registriert, gedruckt und verschickt werde. Das stört den pragmatischen Mann mit der rechteckigen Brille, der gern zwei seiner Hauptziele bei sämtlichen Behörden erreichen würde: termingerechte Projekte und State-of-the-art-Technik.
"Eigentlich", und Bronnmann dehnt das Wort bewusst in die Länge, "sollte das Tachographen-Kartenregister 21 Monate nach Verkündung der EU-Richtlinie fertig sein." Ziel des Kraftfahrtbundesamts: Die alte, manipulierbare Fahrtenschreiberscheibe soll durch einen Chip ersetzt werden; als Stichtag ist der 1. Januar 2004 geplant. Dafür müssen sich alle Länder und Behörden allerdings auf eine Technik einigen; eine Zertifizierungsstelle für den erforderlichen Schlüssel hat das KBA bereits geschaffen. Doch aus seiner Erfahrung weiß Bronnmann, dass neue Technologien Zeit brauchen - besonders in den Köpfen. Da war der Umbau beim KBA etwas einfacher: Nicht nur der Granitbau für den IT-Trakt wurde Mitte der 90er-Jahre neu gebaut; das gesamte Gebäude wurde entkernt, die Fassade erhalten, neuer Platz geschaffen und die Behörde in einen Informationsdienstleister umbenannt. Die Transformation im Inneren treibt Bodo Bronnmann voran - Bronnmann, Referat 14, Zentrale Dienste.