Wie würde wohl die Einleitung eines KI-Artikels aussehen, wenn ihn eine KI geschrieben hätte? Wahrscheinlich würde sie die Formulierung "nicht mehr wegzudenken" enthalten. Das wäre etwas abgedroschen, nicht objektiv - aber wohl trotzdem richtig. ChatGPT, Midjourney, DALL-E und andere große Namen haben die Zukunftsdebatten in einem Ausmaß geflutet, dass selbst unter größtem Scheuklappeneinsatz kein Herumkommen möglich war. Und auch der Gartner Hype Cycle 2023 bescheinigte generativer KI, den Gipfel der überzogenen Erwartungen endgültig erklommen zu haben.
"KI und vor allem Machine Learning sind gerade überall ein Thema", erklärt Günter Wassner, Technology Director Central Europe bei Teradata beim Experten-Roundtable der COMPUTERWOCHE zum Thema "AI-ready Enterprise". "Doch zwischen dem ersten Piloten und einem firmenweiten Roll-Out gibt es häufig noch eine große Lücke, die geschlossen werden muss."
Wie so oft liegt die Krux vor allem in der mangelnden Strategie. Viele Projekte werden - so weit, so erwartbar - überstürzt angegangen, aus Angst, den großen Trend zu verpassen. Daher findet sich oft noch viel Flickwerk in den Unternehmen - einzelne, kleinere Lösungen, für die teilweise der Business Case noch gar nicht klar ist.
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Erstmal ausprobieren ist okay - wenn die Erwartungshaltung stimmt
Zeitgleich führt der Hype nicht selten dazu, dass die Erwartungshaltung für die KI-Einführung unrealistisch hoch ist, und sich Entscheider innerhalb kürzester Zeit belastbare Outcomes in Form höherer Umsätze oder Margen versprechen. Dabei ist das bei einigen gar nicht die Kernfrage, wie Markus Hacker, Senior Regional Director Enterprise Business DACH bei NVIDIA feststellt: "Es wird definitiv Unternehmen geben, bei denen es nicht darauf ankommt, einen konkreten Return-on-Investment zu erzielen, sondern zu verhindern, dass die Konkurrenz, die KI gezielt einsetzt, das eigene Geschäftsfeld übernimmt."
Das Thema KI sollten demnach alle Unternehmen mindestens im Blick haben, im besten Falle sogar für sich annehmen - doch nicht um jeden Preis und schon gar nicht überstürzt. Denn ein gewisser langer Atem gehört auch dazu, um seine eigene Strategie zu finden - die im Übrigen auch darauf abzielen kann, vorerst nur Erfahrungen zu sammeln, wirft Rolf Löwisch, Direktor Data & AI bei IBM in die Runde.
"KI ist jetzt ein ähnlicher Sprung wie damals die Einführung des Internets, daher kann gerade niemand genau sagen, wie eine Welt mit KI in zehn Jahren aussieht", erklärt Löwisch. Er empfiehlt, mithilfe einer Pipeline vieler verschiedener Use Cases zunächst Erfahrungen zu sammeln, auf deren Basis dann die eigene Strategie für die Zukunft aufbaut.
Auch Andreas Schwiderski, Data Center Sales Specialist von Cisco, stellt fest, dass es vor allem Durchhaltevermögen erfordert, um KI erfolgreich einsetzen zu können. Dazu nimmt er vor allem das hohe Management in die Verantwortung: "Es braucht den nötigen Freiraum, sich mit den Projekten auch längerfristig zu beschäftigen. Das geht jedoch nur mit genügend Rückendeckung aus dem C-Level", sagt Schwiderski. "Viele der initialen Use Cases werden zunächst scheitern. Das ist ganz normal und sollte nicht dazu führen, die KI-Thematik gleich ganz einzustellen."
Data matters
Auch der Ausspruch "Jeder KI-Algorithmus ist nur so gut wie die Daten, die ihn füttern" wird von der Expertenrunde weitestgehend bestätigt. Und auch hier wird deutschen Unternehmen noch einiges an Nachholbedarf attestiert. Die Themen Datenqualität und Data Governance spielen demnach eine zentrale Rolle in der eigenen KI-Strategie. "Data-Inventarisierung ist eine Grundvoraussetzung für Anwendungen jeder Couleur", bringt Cisco-Mann Schwiderski die Lage auf den Punkt.
Günter Wassner sieht zwar eine positive Entwicklung darin, dass Fachabteilungen heute viel einfacher selbst Server hochfahren und Erfahrungen mit eigenen Use Cases sammeln können. Besonders hinsichtlich der Datenmengen warnt er jedoch vor sogenannten "Pipeline Jungles": "Wenn Data Scientists, die eigentlich Daten aufbereiten und Modelle trainieren sollen, 60-70 Prozent ihrer Zeit mit Data Preparation verbringen, ist das kontraproduktiv", sagt Wassner. Die Vielfalt an Projekten sei gut und wünschenswert, jedoch sollte der Blick bewusst darauf gerichtet werden, die Fäden rechtzeitig wieder zusammenzuführen.
Auch in diesem Bereich scheint der Hype vielerorts Vater des Gedanken zu sein. "Die Sorge, den Anschluss zu verlieren, ist bei vielen Unternehmen so groß, dass nachhaltige Datenstrategien weniger Beachtung finden", stellt Markus Strittmatter, Senior Consultant AI & Data Analytics bei Lufthansa Industry Solutions, fest. Die technologischen Hürden seien noch geringer als früher, weshalb Data Cleaning zunächst nicht so wichtig erscheint.
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Zum Thema AI ready Enterprise führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Verantwortlichen durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, hilft Ihnen Julia Depaoli (julia.depaoli@foundryco.com, Telefon: +49 15290033824) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Die IT als Enabler und Kontrollinstanz
Bei der Frage, welche Instanz in Unternehmen die Kontrolle über die Richtlinien übernehmen kann, wenn jede Fachabteilung ihre eigenen Data Pipelines aufbaut, schwenkt die Diskussion schnell zur IT-Abteilung.
Alle Teilnehmer sind sich einig, dass KI in Unternehmen ohnehin nur durch Mitwirkung der IT-Abteilung möglich ist. "Ohne IT geht gar nichts", ist sich Felix Muckenfuß, Data & AI Governance Specialist Europe bei OneTrust, sicher. "Allein schon, um die Infrastrukturen zu stellen. Die IT ist klarer Enabler, sollte aber auch Kontrollinstanz sein, um die nötigen Policies durchzusetzen", sagt Muckenfuß.
Angst davor, als Miesmacher und Bremser zu gelten, braucht die IT-Abteilung indes nicht haben - wenn sie sich richtig positioniert. "Die IT hat die perfekte Gelegenheit, Eigenmarketing zu betreiben, wenn sie als Organisation auftritt, die Fachbereichen hilft, KI-Cases schnell nutzbar zu machen", ergänzt Markus Hacker. "Dabei kann sie dann auch problemlos klar machen, dass es gewisse Regeln gibt, welche Modelle verwendet werden und welche Daten wo hinfließen."
Internes Knowhow ist alternativlos
Doch was tun, wenn die eigene IT-Abteilung ohnehin bereits heillos überfordert ist? Kann ich mir die nötigen Services und Infrastruktur nicht auch einfach extern einkaufen? Klar geht das, doch die Experten verknüpfen die Antwort mit einem großen "Aber". Denn mit der Auslagerung nehmen sich Unternehmen ein Stück weit die Chance, intern Knowhow aufzubauen.
Vor allem Rolf Löwisch warnt davor, sich ausschließlich auf externe Expertise zu verlassen. "Das Thema KI wird so wichtig werden, dass es ein großes Risiko wäre, ganz auf internes Knowhow zu verzichten", sagt Löwisch. Zwar könnten Unternehmen problemlos Teile ihrer KI-Landschaft auslagern. Doch mittelfristig müssten auch die Fachabteilungen verstehen, wie KI funktioniert, wie sie Business Cases erkennen und Anwendungsfälle aufbauen können. Hier wird Löwisch deutlich: "Unternehmen können sich einfach nicht erlauben, diese Fähigkeiten gar nicht zu haben."
Dazu hebt Markus Hacker hervor, wie wichtig die gezielte Schulung und das Training von Mitarbeitern ist. "Durch ein strukturiertes, standardisiertes Angebot von Unternehmen an die Belegschaft, lässt sich das Change Management deutlich unterstützen und für Rückendeckung sorgen", sagt er.
Auch deswegen plädiert Rolf Löwisch dafür, auf der Suche nach geeignetem Personal, das den Wandel mitträgt und gestaltet, auch einmal über den Tellerrand hinauszuschauen: "Wer es jetzt als Mitarbeiter schafft, sich das Knowhow aufzubauen, ermöglicht für die eigene Karriere und seinem Unternehmen ganz neue Möglichkeiten. Daher sollten Unternehmen auch ganz gezielt in Bereiche schauen, an die sie vielleicht nicht sofort denken, wie zum Beispiel Personal oder Finanz - die aber unmittelbar betroffen sind. Das sind dann Menschen, die genau diese neue Welt mit KI aktiv gestalten wollen."
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