Veränderung von Unternehmensstrukturen, Realisierung von Synergien, Harmonisierung, Effizienzsteigerung - die meisten IT-Transformationsprogramme haben fachliche Treiber. Doch ihr Erfolg hängt maßgeblich von der IT ab, denn angestrebte aufbau- und ablauforganisatorische Veränderungen werden erst mit Unterstützung der IT möglich. Welche Rolle sollte also die IT innerhalb der Programmstruktur einnehmen, um ihren Beitrag dazu zu leisten? Während sich die Etablierung einer querschnittlichen IT-Arbeitsgruppe bereits als Best Practice durchgesetzt hat, unterscheidet sich der genaue Rollenzuschnitt für diese querschnittliche IT-Arbeitsgruppe je nach Programmen.
Grundsätzlich sollte die IT als Auftragnehmer für Transformationsprojekte organisatorisch und prozessual in der Programmstruktur folgendermaßen verankert werden
(s. Abbildung 1):
1. Organisatorisch als Querschnittsgruppe mit Schnittstellen zu den fachlichen Arbeitsgruppen, in denen die Zielstruktur der Fachfunktionen konzipiert und umgesetzt wird. Wichtig ist neben den Schnittstellen zu den Facharbeitsgruppen auch der direkte Berichtsweg an die Programmleitung, um dort regelmäßig über den aktuellen Status der IT-Themen berichten und ggf. die Programmleitung für schnelle Eskalationen nutzen zu können.
2. Prozessual als Gestalter, Verantwortlicher und operativer Treiber der beiden zentralen Prozesse: des Anforderungsmanagements und der Umsetzungssteuerung.
Das Anforderungsmanagement
Auf diese Weise erfüllt die IT nicht nur eine integrative, sondern auch eine inhaltliche Funktion und erhält dadurch Umsetzungsverantwortung. Um das Anforderungsmanagement effektiv durchführen zu können, müssen alle Beteiligten den definierten Prozessen und Priorisierungskriterien zustimmen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, denn oft bringen Fachbereiche in Transformationsprogramme IT-Anforderungen ein, die nicht ursächlich dem Programm zugerechnet werden können. IT-Wünsche im Sinne von "Was wir immer schon mal haben wollten" muss der Anforderungs-Managementprozess klar herausfiltern.
Dabei hilft es, einen zweistufigen Anforderungsmanagementprozess zu etablieren. In der ersten Stufe werden regulatorische Vorgaben, Day-1-Erfordernisse (Herstellung der operativen Handlungsfähigkeit) und Anforderungen mit besonders guten Business Cases priorisiert. In der zweiten Phase werden dann weitere Anforderungen betrachtet, um verschiedene Synergien zu realisieren. Damit Aufnahme, Bewertung und Überprüfung der Machbarkeit erfolgreich ablaufen, müssen jedoch im Rahmen dieses zweistufigen Prozesses folgende Faktoren berücksichtigt werden:
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Klare Rollendefinition an den Schnittstellen zwischen den fachlichen Arbeitsgruppen und der IT. Insbesondere sollte die Demand-Rolle innerhalb der fachlichen Arbeitsgruppen klar definiert sein (s. Abbildung 2)
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Konsequente Berücksichtigung der zeitlichen und kapazitativen Restriktionen in der Ausplanung der Anforderungen
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Frühzeitige und eingehende Qualitätssicherung der Anforderungen. Dies reduziert das Risiko unklarer Projektaufträge und -abgrenzungen. Die Qualitätssicherung der Anforderungen umfasst dabei auch eine genaue Ressourcenplanung. Denn oft unterschätzen Unternehmen den tatsächlichen Bedarf an Fachbereichsressourcen in IT-Vorhaben. Dabei sollten externe IT-Fachkräfte genau eingeplant und ihre Verfügbarkeit geprüft werden.
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Standardisierung von Input und Ergebnissen. Die Mindestanforderung hierfür ist der einheitliche Einsatz von Templates. Bei größeren Programmen ist zudem ein pragmatischer Tool-Einsatz Pflicht
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Die strikte Einhaltung der Termine im Anforderungsmanagementprozess (insbesondere Abgabefristen für Anforderungen) ist ein Schlüsselfaktor zur Stabilität der Ressourcen- und Budgetplanung des gesamten Programms
Parallel zur Anforderungsaufnahme und ihrer Bewertung muss die IT eine Bestandsaufnahme und -prüfung aller laufenden Projekte durchführen, um Redundanzen und Zielkonflikte mit dem Transformationsprogramm zu vermeiden. Projekte, die fachliche oder technische Konflikte zum Transformationsprogramm darstellen, müssen dabei konsequent abgebrochen oder umgeplant werden.
Das Ergebnis des Anforderungsmanagements ist mehr als nur ein zur Umsetzung freigegebenes IT-Projektportfolio. Es ist auch die Entstehung eines Netzwerks zwischen allen Beteiligten: fachlichen Auftraggebern, Projektleitern und Steuerungsinstanzen. Das bildet den Grundstein für die effektive und konstruktive Zusammenarbeit in der späteren Umsetzungsphase.
Die Umsetzungssteuerung
Nachdem das IT-Projektportfolio definiert und die Budgets freigegeben sind, beginnt die Umsetzung der Transformation. Wie bei anderen IT-Projekten werden auch hier Budget-, Termin- und Qualitätsrisiken kontrolliert. Zur Sicherstellung der Risikokontrolle im Rahmen des Transformationsprogramms, ist eine ganzheitliche Umsetzungssteuerung der IT-Projekte erforderlich. Diese muss allerdings über reines Controlling hinausgehen und sich auch inhaltlich mit den Projekten auseinandersetzen.
Die IT-Querschnittsgruppe sollte auch in der Umsetzungsphase der Prozesstreiber sein. Idealerweise sollten hier die gleichen Ansprechpartner, die bereits beim Anforderungsmanagement etablierten wurden, beibehalten werden. So lassen sich Know-how-Verluste sowie Akzeptanzrisiken am besten vermeiden. Außerdem sorgen die etablierten Ansprechpartner für eine projektübergreifende, inhaltliche Steuerung der Umsetzung.
Die Steuerung bedeutet nicht nur Controlling bezüglich Zeitplan, Budget und Qualität; Aktivitäten und Zusammenhänge sollten auch inhaltlich koordiniert werden. Ein umfassender Überblick des Transformationsvorhabens ist dabei notwendig, denn nur so ist es möglich, eine Qualitätssicherung der Projektplanungen und -ergebnisse zu garantieren und eventuelle Projektrisiken frühzeitig zu erkennen und zu kontrollieren.
Instrument hierfür kann z.B. ein wöchentlicher Jour-Fixe mit den Umsetzungscontrollern und Projektleitern sein. Dabei sollten die zuständigen Mitarbeiter nicht nur klassische KPIs besprechen, sondern auch inhaltliche, personelle und politische Zusammenhänge betrachten. Denn die Interessen unterschiedlicher Stakeholder der Transformationsprogramme stehen oft in Konflikt zueinander. Widerstände und mangelnde Akzeptanz der strategischen Beschlüsse werden nicht selten erst in der Umsetzungsphase deutlich. Die querschnittliche Steuerungsinstanz hat hier den Auftrag, moderierend einzugreifen, die Abstimmungen zwischen Fachbereichen und IT zu forcieren - und bei Bedarf Eskalationsinstanzen, insbesondere Projektlenkungsausschüsse, einzubinden.
Ein weiterer Vorteil des regelmäßigen Austausches zwischen der Umsetzungssteuerung und der Projektleitung ist ein genaueres, über reines Berichtswesen hinausgehendes Verständnis für die Entwicklung von Kennzahlen. So können zum Beispiel Kapazitätszusagen, die nicht eingehalten wurden, schnell identifiziert werden. Denn das kann schnell zum "schleichenden Meilensteinverfall" führen. Eine stringente Durchsetzung der Projektmanagementmethodik und eine frühzeitige Einbindung der Eskalationsgremien ist daher eine wichtige Voraussetzung, um die Projektziele zu erreichen.
Fazit
Durch eine effektive querschnittliche Einbindung in die Steuerung der Transformationsprogramme kann die IT einen wertvollen Beitrag zum Gelingen des Gesamtvorhabens leisten. Dabei müssen Schnittstellen und Aufgabenverteilung mit fachlichen Arbeitsgruppen klar definiert werden. Ein Arbeitsgruppen-übergreifendes Anforderungsmanagement muss alle IT-Anforderungen zentral aufnehmen und priorisieren. Zudem darf die Umsetzungssteuerung der IT-Projekte nicht auf reines Controlling von Daten und Fakten reduziert werden, sondern muss sich auch inhaltlich stark einmischen - dabei hilft ein klarer Durchgriff auf die fachlichen Arbeitsgruppen, um Abstimmungen zwischen Fachbereichen und IT zu forcieren.
Matthias Gröbner und Kirill Perfiliev sind Strategy Consultants im Roland Berger Competence Center InfoCom.