Jede und jeder, der sich mit dem Einsatz der Informatik in Unternehmen beschäftigt, war in den letzten drei Jahren in Gespräche über den Einsatz von künstlicher Intelligenz involviert. Zumindest bei den drei Autoren dieses Artikels ist immer wieder der Eindruck entstanden, dass die Erwartungen der Gesprächspartner umso grösser sind, je weniger sie über KI wissen. Mit der Künstlichen Intelligenz ist nun endlich ein Instrument vorhanden, das alle Probleme der Welt lösen wird, könnte man glauben. Dass dies nicht stimmen kann, ist den Expertinnen und Experten klar, aber sie finden oft nicht die geeigneten Kommunikationskanäle, um die Erwartungen auf eine realistische Grundlage zu stellen.
Vor diesem Hintergrund haben wir auf der Konferenz «Strategisches IT-Management», die vom 20. bis zum 22. Januar in München stattfand und bei der mehr als 200 Informatikentscheider aus zahlreichen Branchen und Unternehmen unterschiedlicher Grösse anwesend waren, eine kleine quantitative und qualitative Analyse durchgeführt. Ziel war es, realistische Informationen zum derzeitigen Stand der Nutzung künstlicher Intelligenz, den Erfahrungen in den Unternehmen sowie den Herausforderungen und Empfehlungen für ihren Einsatz in Unternehmen zu bekommen.
Drei Herausforderungen beim KI-Einsatz
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Anwesenden waren der klaren Meinung, dass es drei große Herausforderungen im Umgang mit künstlicher Intelligenz gibt:
Prototypen, die zeigen, dass ein Unternehmen mit künstlicher Intelligenz etwas anfangen kann, reichen nicht aus. Der Schritt vom Prototypen in den produktiven Betrieb muss folgen. Am Ende muss ein klar messbarer finanzieller Nutzen herauskommen.
Künstliche Intelligenz kann im Unternehmen nur dann nutzenstiftend eingesetzt werden, wenn es gelingt, bei den Mitarbeitenden Akzeptanz zu schaffen und konstruktiv mit den vorhandenen Ängsten umzugehen.
Technische Herausforderungen spielten für die Anwesenden überraschenderweise eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund standen Fragen, die wir mit dem Obergriff «Management von KI» zusammenfassen.
In einem Satz ausgedrückt ist die übergreifende Erkenntnis: Künstliche Intelligenz wird in den Unternehmen künftig durch den gleichen Prozess laufen, wie zuvor schon der Einsatz des PCs, die Einführung von Standardsoftware, die Nutzung des Internets oder der Umgang mit der Welt der Apps. Am Ende geht es weniger um Technik als um Management, das heißt um Konzeption, Einführung, Integration und Betrieb.
Quantitative Analyse im Live-Voting
Die quantitative Analyse fand im Rahmen eines sogenannten Live-Votings statt. Wir stellten den Anwesenden sieben Fragen, die sie spontan in einer App beantworten konnten. Mit der ersten Frage wollten wir wissen, ob die anwesenden Entscheider künstliche Intelligenz für ein temporäres Phänomen halten oder von «here to stay» ausgehen. Sie sollten ferner angeben, für wie wichtig sie KI halten.
Praktisch alle Anwesenden gingen von «here to stay» aus. 45 Prozent glauben, dass künstliche Intelligenz von mittelmässiger Bedeutung sei, 54 Prozent gehen von einer strategischen Bedeutung aus. Bei der Frage nach dem derzeitigen Einsatzschwerpunkt von KI nannten 45 Prozent die interne Effizienzsteigerung, 24 Prozent den Einsatz bei Produkten und Dienstleistungen und 15 Prozent die Kundeninteraktionen. Kosteneinsparungen stehen im Vordergrund. Wir gehen davon aus, dass viele Befragten mit Effizienzsteigerung die vielen Projekte meinten, die sich mit Robotic Process Automation (RPA) beschäftigen. Strittig ist allerdings, wie sehr künstliche Intelligenz in solchen RPA-Initiativen wirklich eine Rolle spielt.
Die nächste Frage beschäftigte sich mit dem Entwicklungsstand künstlicher Intelligenz. In 47 Prozent der Unternehmen werden derzeit «nur» Ideen und Konzepte für den KI-Einsatz entwickelt; in 27 Prozent der Firmen sind schon Prototypen entstanden. Im produktiven Einsatz haben 26 Prozent der befragten Unternehmen Anwendungen mit künstlicher Intelligenz. Diese Antworten halten wir für zentral für die Beurteilung des derzeitigen KI-Einsatzes: Es dominieren Ideen, Konzepte und Prototypen.
Die Überführung der Prototypen in produktive Applikationen ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg von Investitionen in KI und deren betriebswirtschaftlicher Rechtfertigung. Spannend sind auch die Antworten auf die Frage nach den aktuellen Fähigkeiten in den Unternehmen im Umgang mit KI. In 24 Prozent sind keine und in 51 Prozent der Firmen nur teilweise Kenntnisse vorhanden. Es ist offensichtlich, dass hier großer Handlungsbedarf besteht: Ohne massive Investitionen in Aus- und Weiterbildung sowie in Rekrutierung von Experten geht gar nichts.
Wir fragten auch nach Gründen für das Scheitern von Projekten. Mit jeweils 39 Prozent wurde mangelnde Ausbildung der Mitarbeitenden und Widerstand gegen künstliche Intelligenz genannt. Motivation und «Mitnahme» der Mitarbeitenden sowie Umgang mit Widerstand tauchte in den Antworten immer wieder auf.
Wir wollten auch wissen, ob die Unternehmen Regelwerke besitzen, um den Mitarbeitenden Sicherheit im Umgang mit künstlicher Intelligenz zu geben. 70 Prozent der Befragten räumten ein, dass ihr Unternehmen keine verbindlichen Regeln für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz besitze. Mit unserer letzten Frage wollten wir wissen, ob die anwesenden Persönlichkeiten Angst vor Künstlicher Intelligenz und ihren Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben.
Die Antworten fielen klar aus: 70 Prozent haben keine Angst. Die anwesenden Führungskräfte haben wohl schon so viele Quantensprünge in der Technologie erlebt, dass sie keine grundsätzlichen Ängste mehr vor neuen Technologien haben. Sie wissen, dass nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird oder anders ausgedrückt: Am Ende sind wir alle Gefangene von Kompromissen bei der Umsetzung.
Fünf Regeln für den Umgang mit künstlicher Intelligenz
Die qualitative Analyse zum KI-Einsatz führten wir im Rahmen der Veranstaltung als Workshop durch. Wir ließen die Teilnehmenden in kleinen Gruppen diskutieren, was im Moment im Umgang mit künstlicher Intelligenz funktioniert und was nicht. Als Abschluss formulierte jede Gruppe eine Regel für den Umgang mit künstlicher Intelligenz. Die fünf wichtigsten Regeln lauten:
Künstliche Intelligenz muss jedem Mitarbeitenden eine Perspektive aufzeigen, um akzeptiert zu werden
Künstliche Intelligenz muss in Zusammenarbeit mit den betroffenen Menschen in einem klaren Regelwerk eingesetzt werden, um Effizienzsteigerungen zu erzielen und nachhaltige Akzeptanz zu erreichen
Künstliche Intelligenz muss in mit einem klaren Ziel in kleinen Schritten umgesetzt werden, um einen klaren Mehrwert zu generieren und Akzeptanz zu erzielen
Künstliche Intelligenz muss einen messbaren Nutzen liefern, der ohne KI nicht oder nur sehr aufwendig erzielbar wäre.
Künstliche Intelligenz muss transparente und nachvollziehbare Entscheidungen treffen, um Akzeptanz und Vertrauen in ihre Entscheidungen zu stärken
Auf die Frage: «Was hat funktioniert?» nannten die befragten Entscheider unter anderem diese Anwendungsbeispiele: Mustererkennung, Spracherkennung, Bilderkennung, Übersetzung und Predictive Maintenance. Positive Erfahrungen machten sie mit der Einbindung der Betroffenen, der Motivation der Mitarbeitenden, dem konstruktiven Umgang mit Ängsten und der Einbindung aller wichtigen Stakeholder einschließlich des Betriebsrats. Daneben gab es zahlreiche Antworten mit positiven Erfahrungen, bei denen das Motto «Start small and grow» im Vordergrund stand. Wichtig dabei war auch das Ausarbeiten nachvollziehbarer Use Cases und das Herausarbeiten des geschäftlichen Nutzens.
Aus den Antworten auf die Frage «Was hat nicht funktioniert?» wird ersichtlich, dass die fünf oben genannten Regeln auf der Analyse von Fehlschlägen beruhen. Immer wieder tauchen in diesen Antworten fehlendes Erwartungsmanagement, unzureichende Datenlage (bezüglich Quantität und Qualität), das Missachten von Widerständen und vor allem ein mangelnder Ausweis des geschäftlichen Nutzens auf.
Fazit
Die Unternehmen haben erkannt, dass es beim Einsatz von KI nicht nur um Technologie und coole Showcases geht. Nur wer in der Lage ist, ein professionelles Management der künstlichen Intelligenz aufzubauen, wird am Ende von den Investitionen profitieren. In Unternehmen, denen das nicht gelingt, wird der Hype schnell zu Ende gehen und ein neuer «KI-Winter» anbrechen.
Eigentlich wäre der Artikel an dieser Stelle zu Ende. Ich will aber anfügen, dass wir in der Forschung an der Universität St. Gallen weitere Herausforderungen im Umgang mit künstlicher Intelligenz identifiziert haben. Der «Berg» ist noch viel grösser als er aufgrund der beschriebenen Analysen scheint. Wer Interesse hat, darüber mehr zu erfahren kann sich einfach an walter.brenner@unisg.ch wenden.