Welche Trends die IT verändern

Der klassische CIO ist tot

16.11.2010 von Wolfgang Herrmann
In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit brauchen Unternehmen CIOs mit einem neuen Rollenverständnis, fordert Gartner.
Gartner lud zur "ITxpo 2010" ins südfranzösische Cannes. (Bild von der Keynote der Analysten Yvonne Genovese und Rakesh Kumar)
Foto: Gartner

Welche Trends und Herausforderungen werden die Business-IT in den nächsten Jahren beeinflussen? Diese Frage stand im Mittelpunkt zahlreicher Fachvorträge auf der jährlichen Fachkonferenz Gartner Symposium ITxpo in Cannes. Dass der globale konjunkturelle Aufschwung keineswegs dazu geeignet sich, den CIOs ruhigere Zeiten zu bescheren, hatten die Analysten schon zu Beginn der Veranstaltung klar gemacht. Zu groß sind die ökonomischen Risiken und die damit verbundene Angst vor einer zweiten Rezession, dem berüchtigten Double Dip.

Doch welche Konsequenzen soll der gemeine IT-Verantwortliche aus der unübersichtlichen Lage ziehen? Er hat die IT standardisiert, konsolidiert und virtualisiert, hat CRM -und BI-Systeme eingeführt und eine Armada mobiler Endgeräte und Applikationen in die bestehende Infrastruktur integriert - alles, um die Fachabteilungen besser zu unterstützen und der Rolle des "Business Enablers" gerecht zu werden.

Money-Making CIO

Das alles reicht künftig nicht mehr aus, lautet die schlichte Botschaft der smarten Gartner-Analysten. Zwar gehörten alle genannten Maßnahmen quasi zum Pflichtprogramm eines jeden IT-Verantwortlichen. Doch wenn es nur um darin ginge, könne man die Existenzberechtigung der unternehmensinternen IT getrost in Frage stellen. Gefragt sei vielmehr ein ganz neues Berufsbild, das die Experten mit dem vielsagenden Begriff des "Money-Making CIO" umschreiben. Bis zum Jahr 2015 werde sich die Entlohnung der meisten neu berufenen CIOs in den 2000 größten Unternehmen direkt an dem durch IT generierten Umsatz pro Jahr bemessen, erläutern sie die Entwicklung. Die IT müsse deshalb künftig beispielsweise direkt in der Produkt- und Servicentwicklung mitwirken.

Die Analysten Ken McGee und Dale Kutnick zitieren dazu den neuen CIO von General Motors (GM), Terry Kline. Statt sich um Themen wie Virtualisierung oder Windows 7 zu kümmern, solle sich seine IT-Mannschaft auf eine einzige Frage konzentrieren, erklärte der Manager in einem Gartner-Interview: "Was tun wir (die IT) dafür, um Autos zu verkaufen?" Klines Team begann beispielsweise damit, Smartphone-Applikationen zu entwickeln, um die Leasing- und Verkaufsprozesse des Automobilkonzerns zu verbessern.

Die vier großen Trends

Doch auf welche Initiativen sollten sich Unternehmen konzentrieren, damit die IT zum Hebel für wirtschaftliches Wachstum wird? Gartner empfiehlt CIOs, sich an vier großen Trends zu orientieren, die sowohl die IT als auch Unternehmen als Ganzes in den kommenden zehn Jahren veränderten:

1. Context-Aware Computing

Laut Gartner geht es beim Context-Aware Computing darum, relevante Informationen aus dem Umfeld eines Endbenutzers (zum Beispiel Aufenthaltsort, Zeit, Aktivität) so zu nutzen, dass mit Hilfe darauf abgestimmter Software die Produktivität des Anwenders erhöht wird oder ein anderer zusätzlicher Nutzen entsteht. Am Ende entständen daraus neue Geschäftschancen, die weit über die bekannten Location-based Services hinausgingen. Für Unternehmen komme es künftig viel stärker darauf an, ihre Kunden zu kennen. Dazu bräuchten Sie unter anderem Informationen zum Aufenthaltsort, zu den sozialen Kontakten und dem Kommunikationsverhalten.

2. Pattern-Based Strategy

Hinter dem kryptisch anmutenden Begriff steht das Bemühen, aus dem Wust an verfügbaren internen und externen Daten Muster zu erkennen, und daraus Strategien zu entwickeln, die das Unternehmen voranbringen. Gartner spricht auch von "Dynamic Analytics", mit deren Hilfe sich beispielsweise Veränderungen oder bestimmte Verhaltensmuster in Social Networks automatisiert erkennen ließen. In diesem Kontext prognostizieren die Analysten einen schnell wachsenden Markt für die benötigte "Pattern seeking Technology", sprich Software, die Muster automatisiert erkennt, modelliert und im Idealfall automatisiert mit vorher definierten Aktionen darauf reagiert.

3. Social Computing

Business gets social! lautet eine weitere Botschaft der Gartner-Analysten. Diese Erkenntnis gewinne vor allem im E-Commerce an Relevanz: Kunden kaufen im Web am liebsten auf Empfehlung von Personen, die sie kennen und schätzen. Unternehmen müssten sich diese Entwicklung zu nutze machen und sich viel stärker in Social Networks engagieren. Andererseits drehe sich Social Computing nicht nur um Twitter oder Facebook, wie Gartners Forschungschef Peter Sondergaard erläuterte. Ein wichtiger Effekt bestehe darin, dass die Grenzen zwischen privater und geschäftlicher IT-Nutzung immer mehr verwischten. So spiele Social Computing beispielsweise auch in unternehmensinternen Collaboration-Systemen eine wachsende Rolle.

4. Cloud Computing

Auch wenn so mancher IT-Manager das "C-Word" nicht mehr hören mag: Cloud Computing eröffne Unternehmen derart große Potenziale, dass kein IT-Manager das Thema ignorieren könne, argumentiert Gartner. Immer mehr CIOs würden die Vorteile des Konzepts erkennen und entsprechende Initiativen anstoßen. Im Jahr 2009 lag das weltweite Marktvolumen für Cloud-Services nach Gartner-Berechnungen noch bei 58,6 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2014 soll der Wert auf schwindelerregende 148,8 Milliarden Dollar steigen.

Fazit

Erst die Kombination aus den genannten vier Technologien ermögliche Einsatzszenarien, die Unternehmen neue Geschäftschancen eröffnen, resümieren die Gartner-Analysten. Dass ein breiter Einsatz entsprechender Systeme und Methoden nicht ohne Risiken und schon gar nicht kostenlos zu haben ist, leugnen sie nicht. Die eigentliche Kunst bestehe darin, eine Balance zu finden zwischen Kosten, Innovationen, Geschäftsnutzen und Risiken. Sondergaard drückt es so aus: "No risk, no business value." (wh)