Er hat gelernt, nein zu sagen, aber wenn er ja sagt, steht er auch dazu. Thomas Hemmerling-Böhmer ist einer, auf den man sich verlassen kann. Das ist gerade in Management-Kreisen alles andere als selbstverständlich.
Zudem ist der CIO des Tuttlinger Medizintechnikherstellers Karl Storz ein echter Macher. Er will etwas bewegen. Und dabei schaut er gern über den Gartenzaun, um neue Wege zu suchen. Deshalb engagiert er sich auch außerhalb seines bezahlten Jobs - beispielsweise als Mitglied des Initiativkreises im CIO Circle und als Vorstandssprecher des Microsoft Business-User Forum (Mbuf). Er tut das nach eigenem Bekunden keineswegs, weil er sich selbst für so wichtig hielte, sondern weil es getan werden sollte.
Die CIO-Community liegt dem passionierten Schwimmer und Freizeit-Kicker schon lange am Herzen. 1999 gründete er eine IT-Leiter-Initiative im südbadischen Raum. "Wir waren als IT-Schaffende immer allein mit dem Kosten- und dem Leistungsdruck", benennt er sein Motiv, "und allein geht man unter." Deshalb wollte er sich und seine Standeskollegen "aus der Singularität herauslösen" und einen produktiven Dialog in Gang setzen: "Jüngere Kollegen müssen doch nicht dieselben Fehler machen wie wir."
Der zweite Antrieb für Hemmerling-Böhmers nebenberufliche Aktivitäten ist die "falsche Bewertung", die der IT in vielen Unternehmen anhafte: Dass die IT ein betriebswirtschaftliches Gut darstelle, sei in vielen Organisationen noch nicht angekommen. Beim Community Building gehe es deshalb auch darum, der IT ein anderes Ansehen zu geben - "beispielsweise den viel zitierten Platz am Vorstandstisch". Nicht, um die Eitelkeit der CIOs zu befriedigen, sondern um die Möglichkeiten der IT als strategisches Element im Unternehmen auszuschöpfen.
Komplettes Rechenzentrum abgelöst
Trotz der Lobby- und Community-Arbeit macht Hemmerling-Böhmer noch einen guten CIO-Job. Im vergangenen Jahr erst hat Karl Storz ein Projekt abgeschlossen, das gut und gern als Pionierleistung bezeichnet werden kann: Das 16 Jahre alte und hoffnungslos überlastete Rechenzentrum wurde durch Lampertz-Modul-Safes abgelöst. Dabei handelt es sich um in sich geschlossene Mini-Rechenzentren mit geringem Energieverbrauch und hoher Sicherheit, die sich ohne großen Aufwand vernetzen lassen. "Wir wollten eine möglichst flexible Infrastruktur", berichtet der IT-Manager, "sie sollte sich in jede Richtung skalieren lassen und mobil genug sein, um ohne größere Eingriffe in den Naturhaushalt ab- und an einem anderen Ort wieder aufgebaut zu werden."
Hemmerling-Böhmer sagt von sich selbst, er sei als Student "Radikalökologe" gewesen. Und vermutlich wäre er auch ein Fan des in der Fußball-Szene als "grün" angesehenen SC Freiburg, wenn er nicht zufällig im Südbadischen geboren wäre. Deshalb versteht es sich beinahe von selbst, dass das neue RZ auch in Sachen "Nachhaltigkeit" strengsten Ansprüchen genügen sollte. Erfüllt werden sie unter anderem durch Klimasteuerung analog zur Nutzlast und Wärmetauscher auf dem Dach, die in der kalten Jahreszeit eine Kühlung mit Außenluft ermöglichen.
Energieeffizienz als Etikettenschwindel
Effiziente Energienutzung ist aus Hemmerling-Böhmers Sicht aber nur ein Teil dessen, was unter dem Schlagwort "Green IT" zu verstehen sei. Leider konzentriere sich die Herstellerseite fast ausschließlich auf diesen - leicht vermittelbaren - Aspekt. Aber das sei quasi "Etikettenschwindel". Wer das Thema nicht nur als Verkaufsargument betrachte, komme zwangläufig dazu, sich einmal den gesamten Lebenszyklus eines Computers anzuschauen - von der Fertigung in China bis zur Demontage der Platinen in Indien. Erst dann werde deutlich, was eine solche Maschine wirklich koste - nicht das Unternehmen, sondern die Menschheit.
Der RZ-Umbau bei Karl Storz - inklusive der Konsolidierung der Server auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Zahl - ging innerhalb von zwei Monaten über die Bühne - "in time and in budget", wie es im IT-Deutsch heißt. Dazu trug nicht nur die Karl-Storz-eigene integrierte Projekt-Management-Methode "PEP" bei, die sich eng an Prince2 anlehnt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist laut Hemmerling-Böhmer vor allem die Kunst, "loszulassen", also die anfallenden Aufgaben denjenigen zu überlassen, die dafür qualifiziert sind.
Der CIO verzichtet bewusst auf das Führungsinstrument einer mehrstufigen Hierarchie. Vielmehr vertraut er auf die Selbstorganisation seiner 50 Mitarbeiter in Form von "Practices" oder Kompetenzzentren. "Mein Ziel ist es, mich überflüssig zu machen", beschreibt er seine Rolle, "meine Mitarbeiter brauchen mich viel weniger als ich sie". Sich selbst sieht er nur als "Kulminationspunkt". Und wofür wird er dann bezahlt? "Ich führe die Dinge zusammen und entwickle die längerfristige Strategie."
Die am meisten unterschätzte Position
Allerdings leistet sich Hemmerling-Böhmer ein vierköpfiges Führungsteam, das ihm bei der Gesamtsteuerung hilft. Eines der Mitglieder ist verantwortlich für IT-Controlling und Einkauf: "Das ist die am meisten unterschätzte - und vielfach nicht vorhandene - Position in IT-Bereichen ", erläutert der IT-Verantwortliche. Nur ein versierter IT-Controller und Einkäufer könne auf Dauer wirklich günstige Vertragskonditionen aushandeln und das betriebswirtschaftliche Optimum für den IT-Betrieb garantieren.
Hier liegt für den CIO eines der Geheimnisse für pünktlich und im vereinbarten Preisrahmen abgeschlossene Projekte. Zum Beispiel bei der Ablösung des Rechenzentrums: "Wir hatten die Verträge mit den Dienstleistern so formuliert, dass die nicht herauskamen". Zudem habe der Einkäufer mit dem Anbieter der Modul-Safes für einen wirklich günstigen Preis ausgehandelt. Das überzeugte auch diejenigen, die eine Komplettauslagerung in die Diskussion gebracht hatten.
Vom Outsourcing macht Hemmerling-Böhmer jedoch eher sparsamen Gebrauch. Stattdessen hat er vor, immer mehr IT-Services aus einer internen Cloud heraus anzubieten. Mit den einfach skalierbaren RZ-Modulen und einem leistungsfähigen Corporate Network als Basis sei die interne IT in der Lage, rasch Rechnerleistung und Speicherplatz anzubieten sowie Applikationen einfach und direkt zur Verfügung zu stellen: "Unter dem Strich ergibt das eine extrem kostengünstige IT".