Jeff Bezos

Der Mann mit dem 10.000-Jahre-Weitblick

12.11.2013 von Rebecca Eisert und Matthias Hohensee
Jeff Bezos, Amazon-Gründer und Multimilliardär, hat die Washington Post gekauft - als private Investition. Wie tickt der Manager, der auch ein Raumschiff und eine Jahrtausend-Uhr baut?
Amazon-Chef Jeff Bezos: "Missionare machen bessere Produkte, weil sie sich stärker persönlich verantwortlich fühlen."
Foto: Amazon

Immer der beste Preis - oder zumindest der Eindruck davon: Mit diesem Kompass hat der Ex-Wall-Street-Analyst Jeff Bezos, der mit seinem asketischen Äußeren und missionarischen Eifer wie ein Mönch wirkt, in den vergangenen 19 Jahren ein Internet-Imperium hochgezogen. Was in einer umgebauten Garage in der Westküstenmetropole Seattle als Online-Buchversand startete, ist heute einer der einflussreichsten und innovativsten Konzerne der Welt. Bezos, der noch knapp 20 Prozent der Amazon-Aktien hält, ist nach eigenen Worten auf einer Mission. "Missionare machen bessere Produkte, weil sie sich stärker persönlich verantwortlich fühlen", sagte er dem US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" in einem seiner raren Interviews. Schon morgens beim Zähneputzen denke er darüber nach, "wie ich meine Kunden besser zufriedenstellen kann."

Wenn Bezos spricht, spricht er übers Geschäft. Seine Familie schirmt der vierfache Vater streng von der Öffentlichkeit ab. Bezos gilt als diszipliniert, konsequent, auf das Wesentliche fokussiert - immer mit Blick auf die Zukunft. Mit Rückblicken gibt er sich nicht ab, weder im Geschäft noch privat. Seinen Vater hat er nie kennen gelernt. „Die einzigen Male, die er überhaupt Thema wird, sind die, wenn ich beim Arzt nach meiner Krankengeschichte gefragt werde. Dann kreuze ich eben 'unbekannt' an", wird er zitiert. Bezos ist ein Ausnahmetalent. Mit seinem phänomenalen Gedächtnis für Zahlen und Details treibt er manchen seiner Manager in den Wahnsinn.

Die besten Zitate von Amazon-Gründer Jeff Bezos
Zur Wende im Lebenslauf
"Zu den wichtigsten Dingen, die mich Princeton lehrte, zählt die Einsicht, dass ich nicht klug genug bin, ein Physiker zu sein." (Auf der Universität änderte Bezos seine Fachrichtung und machte den Abschluss in Elektrotechnik und Informatik)
Zur Begeisterung für den Weltraum
"Der einzige Grund, aus dem ich mich für das All interessierte, besteht darin, dass mich die NASA inspirierte, als ich fünf Jahre alt war."
Über Sturheit
"Wenn etwas kaputt ist, machen wir es heil. Um etwas Neues durchzusetzen, muss man stur und zielstrebig sein, auch wenn es andere vielleicht unvernünftig finden."
Über seinen leiblichen Vater, den er nicht kannte
"Die einzigen Male, die er überhaupt Thema wird, sind die, wenn ich beim Arzt nach meiner Krankengeschichte gefragt werde. Dann kreuze ich eben 'unbekannt' an."
Über seinen ersten Job bei McDonalds
"Heute heben sich die Pommes selbst aus der Friteuse - und das, glauben Sie mir, ist ein echter technischer Fortschritt." (Bezos jobbte mit 13 Jahren in den Sommerferien für die Fast-Food-Kette und machte umgehend Vorschläge zur Optimierung der Abläufe)
Über seine Beziehung zu Frauen
"Ich bin nicht der Typ, bei dem Frauen eine halbe Stunde nach dem Kennenlernen sagen: 'Wow, der ist klasse.' Ich bin eher albern und nicht ... also jedenfalls nicht so, dass irgendeine Frau über mich sagen würde: 'Oh mein Gott, genau so einen habe ich gesucht.'"
Über das Landleben
"Wenn man eines beim Landleben lernt, dann ist es, sich auf sich selbst zu verlassen. Die Leute dort machen alles selbst. Und diese Eigenständigkeit kann man lernen."
Die Legende
Jeff Bezos ist eine der spektakulärsten Manager-Persönlichkeiten der Welt. Die Lebensgeschichte des Amazon-Gründers bietet eine unglaubliche Vielfalt und zahlreiche interessante Erzählungen. Der Top-Journalist und Bestsellerautor Richard L. Brand hat die Biografie in seinem Buch "Mr. Amazon" (Ambition Verlag) aufgeschrieben. Die besten Zitate von Bezos finden sich auch darin und folgen nun.

Ähnlich wie Apple-Gründer Steve Jobs hat er einen Blick für Details und fordert Perfektion, vor allem aber Leidenschaft. Wer die nicht zeigt, riskiert schon mal einen Zornesausbruch des so sanftmütig erscheinenden Mannes. "Unkonventionell" führe er, heißt es. So müssen Top-Manager in regelmäßigen Abständen an die Telefon-Hotline, um das Gefühl für die Bedürfnisse der Kundschaft nicht zu verlieren und selbst nicht abzuheben.

In der Öffentlichkeit gibt sich der Multimilliardär bescheiden. Als Luxus gönnt er sich sein privates Unternehmen Blue Origin, das für den Star-Trek-Fan und die US-Weltraumagentur Nasa an einer Raumfähre bastelt. Langfristig will er die Kosten für die Raumfahrt senken. Warum? Viel gibt es dazu aus seiner Sicht nicht zu sagen: „Der einzige Grund, aus dem ich mich für das All interessierte, besteht darin, dass mich die NASA inspirierte, als ich fünf Jahre alt war."

Sein zweites Steckenpferd ist die Entwicklung einer Uhr, die die nächsten 10.000 Jahre laufen soll. Dafür hat er 1996 die Long Now Foundation ins Leben gerufen. Die 60 Meter hohe Uhr soll im Innern eines Berges auf seinem Anwesen in Texas stehen und aussehen wie eine "riesige Großvateruhr" sagte Bezos.

"Idiotische" Entscheidung führt zum Erfolg

Die Uhr sei für ihn ein Symbol für langfristiges Denken und Verantwortung. "Die Menschheit ist inzwischen technisch so versiert, dass wir manchmal zur Gefahr für uns selbst werden", schreibt er auf der Website 10000yearclock.net, deshalb müsse sie mehr Weitblick entwickeln. Gemeinsam mit dem amerikanischen Computeringenieur und Erfinder Daniel Hillis baut Bezos die Uhr, die pünktlich zum Jahres-, Jahrhundert- und Jahrtausendwechsel eine Melodie spielen soll. Kostenpunkt: 42 Millionen Dollar. Wann die Uhr fertig sein wird, ist nicht bekannt. Ein zweites Modell soll allerdings bereits in Planung sein.

Seinen Erfolg erklärt Bezos mit jenem Weitblick, der ihn auch zur Jahrtausend-Uhr inspirierte: "Langfristig denken, damit zu leben, von anderen missverstanden zu werden, und der Wille, neue Dinge zu versuchen, auch wenn das Risiko hoch ist, dass sie nicht funktionieren." Zum Beispiel die damals als idiotisch verlachte Entscheidung von 2001, Amazon.com anderen Online-Händlern zu öffnen. Warum sich bei den ohnehin meist rasierdünnen Margen die Konkurrenz ins Haus holen? Doch der Schritt etablierte Amazon.com als führende Online-Handelsplattform und sicherte den direkten Zugang zum Konsumenten, selbst wenn dieser vom Wettbewerber bedient wurde. Amazon übernimmt das Inkasso, stellt seine Lagerhäuser zur Verfügung und wickelt den Versand ab - alles gegen Gebühr, versteht sich.

Für Bezos muss der Erfolg der vergangenen Jahre eine Genugtuung sein. "Jeff ist programmiert auf die ganz lange Sicht", zitiert tagesschau.de einen ehemaligen Amazon-Manager. Er denke nicht in Monaten oder Jahren, "er denkt in Jahrzehnten und Jahrhunderten".

Quelle: Wirtschaftswoche