Immer der beste Preis - oder zumindest der Eindruck davon: Mit diesem Kompass hat der Ex-Wall-Street-Analyst Jeff Bezos, der mit seinem asketischen Äußeren und missionarischen Eifer wie ein Mönch wirkt, in den vergangenen 19 Jahren ein Internet-Imperium hochgezogen. Was in einer umgebauten Garage in der Westküstenmetropole Seattle als Online-Buchversand startete, ist heute einer der einflussreichsten und innovativsten Konzerne der Welt. Bezos, der noch knapp 20 Prozent der Amazon-Aktien hält, ist nach eigenen Worten auf einer Mission. "Missionare machen bessere Produkte, weil sie sich stärker persönlich verantwortlich fühlen", sagte er dem US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" in einem seiner raren Interviews. Schon morgens beim Zähneputzen denke er darüber nach, "wie ich meine Kunden besser zufriedenstellen kann."
Wenn Bezos spricht, spricht er übers Geschäft. Seine Familie schirmt der vierfache Vater streng von der Öffentlichkeit ab. Bezos gilt als diszipliniert, konsequent, auf das Wesentliche fokussiert - immer mit Blick auf die Zukunft. Mit Rückblicken gibt er sich nicht ab, weder im Geschäft noch privat. Seinen Vater hat er nie kennen gelernt. „Die einzigen Male, die er überhaupt Thema wird, sind die, wenn ich beim Arzt nach meiner Krankengeschichte gefragt werde. Dann kreuze ich eben 'unbekannt' an", wird er zitiert. Bezos ist ein Ausnahmetalent. Mit seinem phänomenalen Gedächtnis für Zahlen und Details treibt er manchen seiner Manager in den Wahnsinn.
Ähnlich wie Apple-Gründer Steve Jobs hat er einen Blick für Details und fordert Perfektion, vor allem aber Leidenschaft. Wer die nicht zeigt, riskiert schon mal einen Zornesausbruch des so sanftmütig erscheinenden Mannes. "Unkonventionell" führe er, heißt es. So müssen Top-Manager in regelmäßigen Abständen an die Telefon-Hotline, um das Gefühl für die Bedürfnisse der Kundschaft nicht zu verlieren und selbst nicht abzuheben.
In der Öffentlichkeit gibt sich der Multimilliardär bescheiden. Als Luxus gönnt er sich sein privates Unternehmen Blue Origin, das für den Star-Trek-Fan und die US-Weltraumagentur Nasa an einer Raumfähre bastelt. Langfristig will er die Kosten für die Raumfahrt senken. Warum? Viel gibt es dazu aus seiner Sicht nicht zu sagen: „Der einzige Grund, aus dem ich mich für das All interessierte, besteht darin, dass mich die NASA inspirierte, als ich fünf Jahre alt war."
Sein zweites Steckenpferd ist die Entwicklung einer Uhr, die die nächsten 10.000 Jahre laufen soll. Dafür hat er 1996 die Long Now Foundation ins Leben gerufen. Die 60 Meter hohe Uhr soll im Innern eines Berges auf seinem Anwesen in Texas stehen und aussehen wie eine "riesige Großvateruhr" sagte Bezos.
"Idiotische" Entscheidung führt zum Erfolg
Die Uhr sei für ihn ein Symbol für langfristiges Denken und Verantwortung. "Die Menschheit ist inzwischen technisch so versiert, dass wir manchmal zur Gefahr für uns selbst werden", schreibt er auf der Website 10000yearclock.net, deshalb müsse sie mehr Weitblick entwickeln. Gemeinsam mit dem amerikanischen Computeringenieur und Erfinder Daniel Hillis baut Bezos die Uhr, die pünktlich zum Jahres-, Jahrhundert- und Jahrtausendwechsel eine Melodie spielen soll. Kostenpunkt: 42 Millionen Dollar. Wann die Uhr fertig sein wird, ist nicht bekannt. Ein zweites Modell soll allerdings bereits in Planung sein.
Seinen Erfolg erklärt Bezos mit jenem Weitblick, der ihn auch zur Jahrtausend-Uhr inspirierte: "Langfristig denken, damit zu leben, von anderen missverstanden zu werden, und der Wille, neue Dinge zu versuchen, auch wenn das Risiko hoch ist, dass sie nicht funktionieren." Zum Beispiel die damals als idiotisch verlachte Entscheidung von 2001, Amazon.com anderen Online-Händlern zu öffnen. Warum sich bei den ohnehin meist rasierdünnen Margen die Konkurrenz ins Haus holen? Doch der Schritt etablierte Amazon.com als führende Online-Handelsplattform und sicherte den direkten Zugang zum Konsumenten, selbst wenn dieser vom Wettbewerber bedient wurde. Amazon übernimmt das Inkasso, stellt seine Lagerhäuser zur Verfügung und wickelt den Versand ab - alles gegen Gebühr, versteht sich.
Für Bezos muss der Erfolg der vergangenen Jahre eine Genugtuung sein. "Jeff ist programmiert auf die ganz lange Sicht", zitiert tagesschau.de einen ehemaligen Amazon-Manager. Er denke nicht in Monaten oder Jahren, "er denkt in Jahrzehnten und Jahrhunderten".
Quelle: Wirtschaftswoche