Der Berufsverband Medizinischer Informatiker e.V., kurz BVMI, ist jetzt 25 Jahre alt geworden. Wie war eigentlich die Situation zur Zeit der Gründung 1983 - gab es das Fachgebiet "Medizinische Informatik" damals schon?
Ein ganz klares Ja. Die Medizinische Informatik war 1983 gar nicht mehr so neu - immerhin wurde der gleichnamige Studiengang bereits 1972 an der Universität Heidelberg und der Fachhochschule Heilbronn ins Leben gerufen.
Was waren in den Anfangsjahren die Hauptaufgaben eines Medizinischen Informatikers?
In erster Linie ging es darum, Anwendungen zu programmieren. Das war damals noch mit ganz einfachen Programmiersprachen wie zum Beispiel Fortran, Cobol oder MUMPS. Ich selbst war während meines Studiums an der Programmierung eines Befundungssystems für die Pathologie beteiligt. Dieses diente unmittelbar in der Patientenversorgung als Entscheidungsunterstützung bei Diagnose und Therapie, als Kommunikationssystem zwischen den einzelnen Behandlungseinheiten, aber auch für die Kontrolle in der Tumornachsorge. Und nicht zuletzt war es eine Unterstützung für die Erstellung von Studien.
Welche Methoden und Werkzeuge standen der Medizinischen Informatik zu dieser Zeit zur Verfügung?
Mit heute lässt sich das überhaupt nicht mehr vergleichen. Die Personal Computer, das heißt PCs wie wir sie heute kennen, kamen ja erst später. Was es damals gab, waren Großrechner und Rechenzentren. Ungefähr in dieser Zeit sind die ersten Krankenhausinformationssysteme entstanden, aber mit den damaligen Kapazitäten für den Arbeitsspeicher reichte das nur für die Stammdatenverwaltung und vielleicht auch noch die Abrechnung. Die ganzen medizinischen Daten zu verarbeiten - das kam erst viel später.
Wie hat sich die technologische Seite weiterentwickelt?
Zum einen hat sich im Bereich EDV und Software sehr viel verändert, allein schon wegen der Fortschritte in der Programmierung: in den Anfangszeiten musste alles noch Schritt für Schritt in den Programmiersprachen eingegeben werden, dank der modernen Entwicklungsumgebungen erspart man sich hier viel Zeitaufwand. Dann wäre die Telematik, die Vernetzung zu nennen. Allein die Aufgabe, zwei Rechner zu vernetzen, war in den 80-er Jahren noch eine größere Sache - mit den heutigen Möglichkeiten ist das überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Aber auch die Weiterentwicklung im Bereich Medizintechnik ist staunenswert, denken Sie nur an die modernen bildgebenden Verfahren.
Was war für Sie ein technologisches Highlight?
Eines der vielen Highlights war für mich ein Forschungsprojekt Anfang der 90-er Jahre für eine Chipkarte, das vom Deutschen Krebsforschungszentrum betreut wurde. Prozessorkarten, die es erlauben, Informationen auf einer Karte zu speichern, das war damals eine ganz neue Technik. Bei diesem Projekt wurden die Daten der Patienten auf einer Versichertenkarte gespeichert und konnten im Rahmen der Tumornachsorge sowohl im Krankenhaus Eberbach als auch bei den niedergelassenen Ärzten abgerufen werden. Der Vorteil war die rasche Verfügbarkeit der Daten bei Krankenhauseinweisung gerade für den Notfall, aber auch die Vermeidung von Doppeluntersuchungen.
Wie hat sich das Berufsbild weiterentwickelt, welche Herausforderungen gab es zu bestehen?
Am Anfang waren wir hauptsächlich mit der Entwicklung von Software und EDV beschäftigt, aber je vielseitiger und komplexer die Infrastruktur wurde, desto mehr Managementaufgaben kamen hinzu. Ich denke da beispielsweise an die Aufgabe, ein Klinikrechenzentrum auf- oder auszubauen.
Zum anderen zählte sicherlich auch die Bearbeitung der Massendaten zu den großen Herausforderungen. In den ersten Jahren stand nur extrem wenig Datenspeicher zur Verfügung, aber mit der Entwicklung der Speicherkapazitäten und der parallel verlaufenden Zunahme von Daten aus Bildverfahren, Labor und weiteren medizinischen Daten wurde es zu einer immer wichtigeren Aufgabe, diese wachsende Flut an Daten und Informationen aufzubauen und zu strukturieren, inhaltlich zu erfassen und dokumentationsgerecht zu verarbeiten.
Wo sind Medizinische Informatiker heute beschäftigt?
Laut einer Mitgliederbefragung vom letzten Jahr arbeiten fast 30 Prozent in Universitätskliniken, knapp 15 Prozent in anderen Kliniken, 14 Prozent sind an Universitäten tätig. Rund 18 Prozent bei Hard- und Softwareherstellern tätig. Die anderen Mitglieder arbeiten entweder in anderen Bereichen oder sind selbständig.
Wie wird sich Ihr Fachgebiet weiterentwickeln? Welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft?
Prognosen für die Zukunft? Ich denke, niemand kann wirklich sagen, wie die Situation in zwanzig Jahren sein wird. Zumindest in den nächsten Jahren wird es darum gehen, mehr und bessere Informationen über Patienten zu erhalten, um Behandlungsprozesse noch besser lenken zu können. Ein ganz zentrales Thema dabei ist die geschützte Speicherung und die sichere und schnelle Verfügbarkeit dieser Daten, gerade im Hinblick auf die wachsende Vernetzung der Versorgungspartner. Im Bereich der Technik wird es sicherlich spannend bleiben: hier wird sich in der Bildverarbeitung oder bei der Robotik viel weiterentwickeln. Aber trotz aller technischen Fortschritte sollte man doch eines nicht vergessen: In erster Linie geht es darum, den Patienten bestmöglich zu versorgen und den Ärzten sowie dem Pflegepersonal die Arbeit zu erleichtern. Trotz aller Technik - der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen.