Offenbar hätten diejenigen, die an den Schaltstellen des Businesssitzen, lieber einen Kanzler Stoiber gehabt; der Absturz des DAX amMontag nach der Wahl macht das nochmal deutlich. Aber ob der dieHoffnungen erfüllt hätte, die in ihn und sein Team gesetzt wurden,darf bezweifelt werden. Auch Stoiber und seine Mannschaft hätten nichtauf einer frischgemähten Wiese agiert, sondern auf demselben holprigenParcours widerstreitender Interessen, den jetzt erneut das KabinettSchröder in Angriff nehmen muss.
Das Projekt der gesellschaftlichen Modernisierung, von dem in denvergangenen vier Jahren herzlich wenig erledigt wurde, istanspruchsvoll - im Wortsinn: Alle Bevölkerungsgruppen verlangen, dasses ihnen in Zukunft mindestens so gut geht wie bisher. Der Wohlstandhat in den achtziger und neunziger Jahren durch dasWirtschaftswachstum und die immer preisgünstigere Teilhabe amtechnologischen Fortschritte ein Plateau erreicht.
Jetzt sorgt der technische Fortschritt mit dafür, dass dieses Plateauabbröckelt: Es wird immer deutlicher, dass die durchrationalisierte -und weiter unter hohem Rationalisierungsdruck stehende -postindustrielle Wirtschaft weniger menschliche Arbeitskraft benötigt,als zur Verfügung steht. Der Arbeitskräfte-Überhang wird sich auchnicht abbauen lassen, indem man einen Teil der Arbeitssuchenden fürgutbezahlte Premium-Jobs qualifiziert und die anderen, teils womöglichals "Ich-AG", gering entlohnte Dienste leisten lässt. Solche Dienste -Liefern online bestellter Frühstücksbrötchen, Parkplatzwachen vor derShopping-Mall, Schuheputzen während der CeBIT - würden zwar dasService-Niveau in diesem Land zugunsten derjenigen heben, die sich dasleisten können. Dass auf diese Weise nennenswerte Kaufkraft entstündeund die Konjunktur anspränge, darf aber stark bezweifelt werden.
Zugespitzt: Der Konflikt zwischen denen, die Arbeitskraft anbieten,und denen, für die ein Zuviel an verfügbarer Arbeitskraft Kostenerzeugt, von denen sie sich schnellstmöglich trennen wollen, wird nochlange andauern. Selbst ein Wachstumsschub wird nicht vier MillionenArbeitslose in Lohn und Brot bringen. Es geht darum, diesen Zustandsozial auszubalancieren. Der große reformerische Wurf wird Schrödernicht gelingen, und Stoiber hätte ihn auch nicht geschafft.
Etwas anderes zum Schluss: Microsoft hat anlässlich der Wahl einenechten Coup gelandet: Unter sämtlichen Auswertungsgrafiken prangte dasLogo von ".net"; Millionen von Fernsehzuschauern dürfte die Existenzdieses Konzepts erstmals bewusst geworden sein. Nach Auskunft vonMicrosoft handelt es sich um eine langfristigeTechnologiepartnerschaft mit den Wahlforschern von Infratest Dimap. Obbei der Auswertung der Stimmergebnisse bereits .net-Technik eingesetztwurde oder ob sich Microsoft als Sponsor allein die riesigenARD-Einschaltquoten des Wahlabends zunutze machen wollte, darüber gabes allerdings keine Auskunft.