Um der Hausfrau zu schmeicheln (und ihr seine Produkte zu verkaufen), ernennt sie mancher Reklamefritze zur "Familien-Managerin". Die kreative Idee ist wohl vom Business abgeguckt: dort tummeln sich Change-Manager, Projekt-Manager, Compliance-Manager, Office-Manager… und immer öfter auch Business Process Manager.
Für Gartner-Analystin Samantha Searle geht es dabei nicht um das Finden oder Erfinden neuer Titel. Sie sieht die Rolle eines Business Process Directors in engem Zusammenhang mit "Predictive Analytics". Der Zusammenhang ergibt sich wie folgt: Zwar haben Unternehmen den Sinn anspruchsvoller Analyse-Tools verstanden - theoretisch. Allein es fehlt an handhabbaren Metriken. Das heißt: die Erfolgskontrolle bleibt auf der Strecke.
Thesen zum Business Process Manager
Veränderung von Prozessen und Rollen
Mit der Suche nach Einspar- und Verbesserungspotenzialen in Geschäftsprozssen sind neue Rollen und Verantwortlichkeiten entstanden. So benennen immer mehr Unternehmen einen Business Process Manager.
Die Rolle des Business Process Managers
Noch zeigt sich die Rolle des Business Process Managers undeutlich. Er soll beispielsweise Geschäftsprozesse optimieren oder gleich neu definieren, IT ebenso wie Business verstehen und per "Predictive Analytics" vorne auf der Digitalisierungswelle surfen.
Samantha Searle, Gartner
Samantha Searle, Research Analyst bei Gartner, stellt die Rolle eines Business Process Directors in engem Zusammenhang mit Predictive Analytics. Seine Aufgabe ist es, geschäftskritische Prozesse zu erkennen und die entsprechenden Key Performance Indikatoren (KPI) zu entwickeln.
Alexander Linden, Gartner
Alexander Linden ist Research Director aus Gartners Niederlassung in Düsseldorf. Er sieht die IT bei Searles Verständnis von BPM nicht an erster Stelle. Die wichtigsten Skills seien hier das Verständnis der Geschäftsprozesse und die Anwendung mathematisch-quantitativer Methoden. Die IT sei in vielen Unternehmen eher ein Datenmotor, der bei Datenakquisition, Rechenleistung und Deployment hilft – nicht aber bei der Identifikation der relevanten Daten und auch häufig nicht bei der eigentlichen Geschäftsprozessmodellierung.
Stefan Rohrlack, Accenture
Für Stefan Rohrlack, Director Technology beim Unternehmensberater Accenture, muss ein Prozess-Manager einerseits das Management mit validen Business Cases von Prozessinnovationen überzeugen, andererseits aber auch die geeigneten IT-Lösungen für eine erfolgreiche Umsetzung nutzen. Rohrlack erwartet, dass „einige Unternehmen hier künftig ganz bewusst auf die entsprechende IT-Kompetenz setzen“ – schon wegen der zu erwartenden Digitalisierungswelle.
So erklärten in einer Gartner-Umfrage rund sieben von zehn (71 Prozent) der knapp 500 befragten Entscheider, sie wüssten zwar, welche Key Performance Indices (KPI) für ihr Unternehmen geschäftskritisch sind. Aber noch nicht einmal jeder Zweite (48 Prozent) gibt an, über solche Metriken zu verfügen.
Hier ist der Business Process Director gefragt, so Searle. Dessen Aufgabe ist es, geschäftskritische Prozesse zu erkennen und die entsprechenden KPI zu entwickeln. Gelingt das nicht, fallen Unternehmen in der schnelllebigen digitalisierten Geschäftswelt zurück.
Searles Kollege Alexander Linden, Research Director aus Gartners Düsseldorfer Büro, beziffert den Vorteil der Analyse-Tools konkret: "Unternehmen, die mit Predictive Analytics besser umgehen können als der Wettbewerb, erreichen eine um ein bis zwei Prozent bessere Performance pro Jahr. Über einen Zeitraum von zehn Jahren ergibt sich damit ein beachtlicher Vorsprung."
Großer Sprung nicht nur bei der Software
Je nach Definition, so Linden weiter, arbeiten Entscheider schon seit zehn, zwanzig Jahren mit Analytics, etwa mit Sales-Prognosen. Linden stellt aber fest, dass die Software - und damit die Analyse-Möglichkeiten - in den vergangenen zwei Jahren "einen gewaltigen Sprung" gemacht haben.
Insofern kann Linden den Ruf nach dem Business Process Manager verstehen. Dass der Bedarf wächst, bestätigt auch Stefan Rohrlack, Director Technology beim Unternehmensberater Accenture. "Wir beobachten tatsächlich einen stark wachsenden Bedarf an prozessbezogenen Rollen. Dahinter steckt der Anspruch, gerade die erfolgsentscheidenden operativen Prozesse im Unternehmen bewusst und kontinuierlich zu steuern", sagt Rohrlack. Denn "punktuelle Prozessoptimierung im Rahmen von Projekten" reiche nicht mehr aus. Zu komplex sind heute die Anforderungen, zu hoch die Veränderungsgeschwindigkeit.
8 BPM-Suites auf dem Prüfstand
Der BPM-Vergleich
Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE hat in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus SP Consulting acht BPM-Tools vergleichen. Die Teilname erforderte ein gewissen Maß an Kooperation und Aufwand seitens der Hersteller. Nicht alle Anbieter waren dazu bereit. Der Vergleich umfasst daher nicht alle in Deutschland relevanten BPM-Pakete.
LiveCycle Process Management
Die Tester vergaben die Schulnote „noch gut“ mit einem Gesamterfüllungsgrad von 61,3 Prozent. Sinnvoll ist der LiveCycle-Einsatz für pdf-lastige Abläufe.
Xpert.ivy
Das Know-how des schweizerischen BPM-Herstellers Axon Active geht auf den Anbieter Soreco AG zurück. Das ebenfalls in der Schweiz beheimatete Unternehmen wurde Mitte 2011 von Axon Active übernommen. Soreco ist seit 2002 mit dem Produkt „Xpert.ivy“ im BPM-Geschäft präsent.
Xpert.ivy
Im Vergleich mit den anderen sieben getesteten Produkten schneidet die Suite überdurchschnittlich gut ab, sie erzielte mit einem Gesamterfüllungsgrad von 74,2 Prozent das zweitbeste Ergebnis. Nachholbedarf gibt es in der Umsetzung der BPM-Governance-Funktionen.
Bizagi Enterprise Edition
Die „Bizagi Enterprise Edition“ geht auf das Unternehmen Visionsoftware zurück, das im Jahr 1989 in Bogota, Kolumbien, gegründet wurde. Heute hat das Unternehmen Bizagi seinen Hauptsitz in Amersham bei London.
Bizagi Enterprise Edition
Die BPM-Suite überzeugt mit Komfort und Mächtigkeit der angebotenen Funktionen. Defizite haben die Experten allenfalls dort entdecken können, wo Aufgaben delegiert und Abläufe kontrolliert werden sollen. Dennoch: Bizagi ist das beste, getestete BPM-Produkt.
inubit
Die BPM-Aktivitäten der Bosch Software Innovations GmbH gehen zum Großteil auf die Übernahme der Inubit AG im Sommer 2011 zurück.
inubit
Inubit besticht vor allem durch Mächtigkeit. Kein anderes Werkzeug bietet derart viele BPM-Funktionen in der Standardausführung. Defizite gibt es bei Stellvertreterregeln und wenn Abläufen aufgrund von Abwesenheiten geregelt werden müssen. Empfehlenswert ist das Paket für Anwender mit besonderen Anforderungen an Governance und Laufzeit-Management.
Camunda BPM
Camunda ist ein recht junges und aufstrebendes Unternehmen aus Berlin. Das Paket „Camunda BPM“ liegt in der Version 7.0 vor und wird von rund 50 Unternehmen eingesetzt
Camunda BPM
Mit einem Gesamterfüllungsgrad von knapp 60 Prozent erzielt Camunda das zweitschlechteste Resultat. Vor allem die fehlende grafische Programmierung kreiden die Tester dem Tool an, dadurch könne es schwerlich in Fachbereichen Fuss fassen. Wer indes versierte Java-Entwickler in seinen Reihen weiß, kann mit Camunda BPM sehr individuelle und leistungsstarke Lösungen erstellen.
FireStart BPM Suite
Der österreichische Anbieter Prologics hat seine „FireStart BPM Suite“ ins Rennen geschickt und bemerkenswerte Ergebnisse eingeheimst.
FireStart BPM Suite
Mit einem Gesamtergebnis von 71,4 Prozent reiht sich das Tool im Mittelfeld aller getesteten Tools ein. Die insgesamt starken Werte in Governance und fachlicher Prozessmodellierung wurden durch eine allzu enge Herstellerbindung an Microsoft getrübt.
SAP NetWeaver Process Orchestration
Die BPM-Suite „SAP NetWeaver Process Orchestration“ in der Version 7.31 präsentierte sich im Rahmen der Studie als ordentliches und durchdachtes BPM-Produkt.
SAP NetWeaver Process Orchestration
Das Endergebnis von 66,3 Prozent ist - bezogen auf das Schulnoten-System – „noch gut“. Wer Governance, gute Integrier- und Administrierbarkeit sowie gutes Zusammenspiel mit anderen SAP-Produkten fordert, ist mit NetWeaver Process Orchestration gut beraten. Einfache Prozessumsetzung und Usability darf er nicht erwarten.
Operational Intelligence
Das Kernprodukt des amerikanischen Anbieters Vitria Technology ist die BPM-Suite „Operational Intelligence“, die in der Version 4.2 getestet wurde.
Operational Intelligence
Den guten Eindruck in der Modellierungshilfe bei der Prozessdefinition macht die Software beispielsweise mit einer komplizierten und fehleranfälligen Bedienung der Modellieroberfläche wieder zunichte. Legen Anwender Wert auf Einfachheit, Usability und und angemessenes Laufzeit-Management, sind andere Tools besser geeignet. Der Gesamterfüllungsgrad von 58 Prozent ist der schlechteste Wert unter den acht getesteten Tools.
Aufgaben eines Prozess-Managers sind laut Rohrlack das Entwickeln operativer Lösungen für den von ihm verantworteten Prozess anhand strategischer Zielvorgaben. Je nach Prozess und Reifegrad seien die Schwerpunkte hierbei ganz unterschiedlich. Das Spektrum reiche von Prozessstandardisierung bis hin zur Entwicklung von völlig neuen innovativen Prozesslösungen. "Die Erwartungshaltung an den Prozess-Manager ist die, dass er die relevanten Beiträge der involvierten Fachbereiche sowie der IT-Experten zu einer ganzheitlichen Lösung integriert und entsprechend umsetzt", erklärt der Accenture-Mann.
Für Rohrlack sitzt der Prozess-Manager idealerweise in einem zentralen Kompetenzteam für das Prozessmanagement. "In einem solchen Center of Excellence (CoE) werden sämtliche Fähigkeiten für ein ganzheitliches und nachhaltiges Prozessmanagement im Unternehmen gebündelt", sagt der Accenture-Analyst.
Dabei will er die Bedeutung der IT nicht unterschätzt sehen. So müsse ein Prozess-Manager einerseits das Management mit validen Business Cases von Prozessinnovationen überzeugen, andererseits aber auch die geeigneten IT-Lösungen für eine erfolgreiche Umsetzung nutzen. Rohrlack geht davon aus, dass "einige Unternehmen hier künftig ganz bewusst auf die entsprechende IT-Kompetenz setzen" - schon wegen der zu erwartenden Digitalisierungswelle.
Kein Grund zum vorzeitigen Jubeln bei karrierewilligen Informatikern, findet allerdings Gartner-Analyst Linden. Gerade wenn die Aufgaben eines Business Process Managers auf Konkretes wie eben intelligente Analysen heruntergebrochen werden, sieht er die IT nicht an erster Stelle. "Die wichtigsten Skills sind hier das Verständnis der Geschäftsprozesse und die Anwendung mathematisch-quantitativer Methoden", sagt Linden. Die IT sei in vielen Unternehmen eher ein Datenmotor, der bei Datenakquisition, Rechenleistung und Deployment hilft - nicht aber bei der Identifikation der relevanten Daten und auch häufig nicht bei der eigentlichen Geschäftsprozessmodellierung.
Data Science Labs als Einstieg für IT
"Wenn die IT bei diesen neuen Funktionen mitreden will, dann über Data Science Labs, die fachbereichsübergreifend arbeiten", sagt Linden. Rohrlack fügt an: "Der Prozess-Manager agiert stark interdisziplinär." Dafür sollte er auch ausgebildet sein.
Stichwort Ausbildung: Wer "Business Process Manager" und "Ausbildung" googelt, kommt immerhin auf 17.000 Treffer. Einrichtungen wie beispielsweise die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg (OTH) bieten ein Zertifikat an. Mit dem Erwerb eigne man sich für 2.750 Euro harte wie weiche Skills an, versichert die OTH. "Die Gestaltung oder Veränderung von Prozessen benötigt Kompetenzen aus den Bereichen Organisation und IT, aber auch Management und Kommunikation", so die Hochschule.
Der Kurs ist berufsbegleitend aufgebaut. Accenture-Manager Rohrlack sagt denn auch: "Die Rolle des Prozess-Managers ist sicherlich keine Junior-Rolle." Sie setzt entsprechende praktische Erfahrungen voraus, die idealerweise in verschiedenen relevanten Bereichen des Unternehmens gesammelt wurden.