Es muss gesurrt haben wie in einem Bienenstock: 650 Analysten beschäftigt der US-Marktforscher Gartner, und wie es aussieht, haben sie alle fleißig mitgearbeitet am neuen Hype Cycle. Insgesamt 1.650 einzelne Technologien, von Context-Aware Computing über Photovoltaic Solar Energy bis Telemedicine, wurden auf ihre Marktreife hin überprüft. Das Gesamtwerk besteht aus 79 Einzelbänden.
Gartner teilt alle Trends in fünf verschiedene Phasen ein: Zunächst ist ein Thema Impuls, dann erlebt es den Höhepunkt überzogener Erwartungen. Ihm folgt eine Phase der Desillusionierung, bevor nach einer Zeit der Abklärung das Plateau der Produktivität erreicht wird. Bei soviel Analysten-Wissen kommen auch CIOs nicht zu kurz. Und so lauten die Zukunftsprognosen für einige ausgewählte Technologien wie folgt:
- Cloud Computing: Gartner sieht Cloud Computing derzeit auf dem Höhepunkt der überzogenen Erwartungen. Dennoch wird es sich binnen zwei bis fünf Jahren durchsetzen. Bisher haben Anbieter von Cloud Computing erst fünf bis 20 Prozent des möglichen Marktes durchdrungen.
Gartner glaubt, dass Cloud Computing die IT-Welt gründlich verändert. Anbieter von Cloud Computing-Lösungen müssen Partnerschaften mit Service Providern eingehen. Unternehmen werden immer weniger eigene, gekaufte Anwendungen besitzen. Dennoch: Cloud Computing kann On-Premise-Software nicht komplett ersetzen, vor allem nicht, wo es um geschäftskritische Daten und Abläufe geht.
- Social Software Suites: Derzeit ebenfalls auf dem Höhepunkt überzogener Erwartungen angesiedelt, werden sich Social Software Suites binnen fünf Jahren durchgesetzt haben. Gartner setzt Social Software Suites mit Enterprise 2.0 gleich. Es geht um Tools für Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Angestellten, Kunden und Partnern eines Unternehmens.
Social Software, Twitter, Ideen-Management
Die Analysten glauben, dass kein Unternehmen an dieser Art der Kollaboration vorbeikommt. Ihr Potenzial liegt darin, dass Wissen und Erfahrungen aller Beteiligten nutzbar werden. Das eröffnet jedem Unternehmen bessere Entwicklungschancen als ein veralteter Top-Down-Ansatz. Dennoch: Entscheider dürfen Probleme mit Datenschutz ebenso wenig übergehen wie Fragen der Qualitätssicherung.
- Microblogging/Twitter: Auch Kommunikationswege wie Microblogging und insbesondere Twitter werden sich in den kommenden zwei bis fünf Jahren durchsetzen, wenn die überzogenen Erwartungen verflogen sind.
Gartner schreibt Twitter jedoch keine gravierenden Auswirkungen zu. Es taugt vor allem als Marketing-Instrument. IT-Entscheider sollten nicht vergessen, Policies für den Umgang zu erlassen.
- Ideen-Management: Nach der Zeit der Desillusionierung betrachten Entscheider Ideen-Management zunehmend abgeklärt und wieder interessiert. Das heißt: Ideen-Management wird sich binnen zwei bis fünf Jahren durchsetzen.
Unter dem Begriff versteht Gartner Prozesse und Technologien, die nötig sind, um alternative Denkansätze aus Communities zu generieren, zu strukturieren und nutzbar zu machen. Der Einfluss auf das Business gilt jedoch nur als moderat.
RFID, Tablet PCs und Location-Aware Applications
- RFID: Der Hype um RFID ist abgeflaut, nun erleben die Funk-Chips ihre Phase der Desillusionierung. In fünf bis zehn Jahren werden sie etabliert sein.
Seit 2008 ist die Zahl der RFID-Anwender nicht wesentlich gestiegen, so Gartner. Und in den kommenden zwei Jahren wird sich ebenfalls nicht viel tun. Trotzdem ist RFID mittelfristig nicht wegzudenken: Bessere Organisation und Kontrolle von Waren und Lieferketten erfordern den Einsatz.
- Tablet PCs: Tablet PCs können alles, was ein Notebook kann, und haben zusätzlich einen Stift und einen On-Screen Digitalisierer. Sie ersetzen das Clipboard. Der Hype um die Geräte ist vorbei, sie werden jetzt abgeklärter betrachtet. In zwei bis fünf Jahren laufen deutlich mehr Menschen damit herum als bisher.
- Location-Aware Applications: Weil immer mehr Menschen mobil arbeiten, werden sich in zwei bis fünf Jahren Anwendungen durchsetzen, die die geografische Position des Users nutzen. Diese Anwendungen haben die Phase der abgeklärten Betrachtung erreicht.
Gartner geht davon aus, dass Unternehmen von diesen Applikation in hohem Maße profitieren. CIOs müssen sich aber über Sicherheit und Datenschutz informieren.
SOA und Green IT
- SOA: Interessanter Impuls, gehypter Erwartungsträger und schließlich eine geplatzte Illusion, all das waren Service-orientierte Architekturen (SOA) schon. Nun durchschreiten sie die Phase der Abklärung, bevor sie das Plateau der Produktivität erreichen werden.
Laut Gartner wird sich das Modell SOA in zwei bis fünf Jahren etabliert haben. Die Analysten glauben an den Durchbruch, weil Service-orientierter Architekturen Veränderungen in Business-Modellen - und damit in den erforderlichen Anwendungen - erleichtern. SOA macht IT flexibler und kostengünstiger.
- Green IT: Nach vormals hohen Erwartungen erzeugt Green IT derzeit herbe Enttäuschungen. Wie auch immer - in zwei bis fünf Jahren haben sich ressourcen-schonende Technologien durchgesetzt.
Das liegt nicht nur daran, dass CIOs Energiekosten senken wollen. Unternehmen werden "grüne IT" auch nutzen, um sich als verantwortungsbewusste Firma zu vermarkten.
Über diese Trends hinaus haben die Analysten noch sehr viele weitere Technologien in ihrer Glaskugel erblickt. So werden wir - allerdings erst in mehr als zehn Jahren - in der Medizin erleben, wie künstliche Organe den menschlichen Körper erweitern. Was die Technik für den Hausgebrauch angeht, werden programmierbare kleine Roboter Rasen mähen und Geschirr spülen. Auch das allerdings müssen die meisten Menschen noch die nächsten zehn Jahre lang selbst erledigen. Mindestens.
Hype Cycle 2009
Diese und viele weitere Technologien führen die Analysten im Gartner Hype Cycle 2009 aus. Erfinderin des Hype Cycle ist Jackie Fenn, mittlerweile Vice President bei Gartner. Sie arbeitet seit fünfzehn Jahren bei dem Marktforscher und beobachtet seit insgesamt 27 Jahren die IT.