"Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" Das fragte 1968 der US-Schriftsteller Philip K. Dick. Sein Buch war Vorlage des "Blade Runner"-Films und handelt davon, wie die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwimmt. Glaubt man dem US-Marktforscher Gartner, werden wir in nicht so ferner Zeit mit Computer-Hirn-Schnittstellen arbeiten. So steht es im "Gartner Emerging Technologies Hype Cycle 2011".
Für den jährlich erscheinenden Cycle haben die Analysten aktuell in insgesamt 76 Reports 1.900 Technologien untersucht und eingeschätzt. Jeder Zyklus gliedert sich in fünf Phasen: Zunächst ist ein Thema Impuls, dann erreicht es den Höhepunkt überzogener Erwartungen. Diesem folgt eine Phase der Desillusionierung, bevor nach einer Zeit der Abklärung das Plateau der Produktivität erreicht wird.
Der Cycle "Emerging Technologies" fokussiert sich auf 42 Technologien. Er beinhaltet sowohl Hardare- als auch Software-Trends und Management-Themen. Für die kommenden zwei Jahre positioniert Gartner unter anderem Folgendes:
- Hosted Virtual Desktops: Weil gehostete virtuelle Desktops Möglichkeiten zur Zentralisierung bieten und der IT-Abteilung damit die Arbeit erleichtern, gesteht Gartner ihnen hohen Nutzwert zu. Die Technologien seien mittlerweile ausgereift. Dennoch: die überzogenen Erwartungen sind erst einmal verflogen, Hosted Virtual Desktops erleben derzeit ihre Phase der Ernüchterung.
- Predictive Analytics: Diese Datenanalysen erfüllen laut Gartner drei Kriterien: Sie werden für tages- oder sogar stundenaktuelle Reports erstellt, nicht für monatliche. Sie beinhalten immer einen konkreten Nutzwert für das Business. Und nicht zuletzt werden sie immer bedienerfreundlicher, damit möglichst viele Anwender damit arbeiten können. Predictive Analytics werden bald das Plateau ihrer Produktivität erreichen.
Für die kommenden zwei bis fünf Jahre sagt der Hype Cycle unter anderem Folgendes voraus:
- "Big Data" and Extreme Information Processing and Management: Sowohl die Daten-Menge und -Komplexität als auch die Geschwindigkeit, mit der Informationen verarbeitet werden müssen, steigt. Das Stichwort "Big Data" wird neue technologische Impulse setzen. Hardware und Software, die hier Unterstützung versprechen, wecken zunächst allerdings überzogene Erwartungen.
Cloud: Nicht immer nicht ausgereift
- Cloud Computing und Private Cloud Computing: Das Schlagwort Cloud Computing tauchte schon 2009 im Hype Cycle auf. Nach wie vor siedelt Gartner das Thema auf dem Höhepunkt der überzogenen Erwartungen an, sieht jetzt aber bereits "Zeichen von Ermüdung". Quasi jeder Anbieter habe eine Cloud-Strategie im Portfolio - ausgereift sei das nicht immer.
Dennoch wird sich Cloud Computing durchsetzen. Bisher haben Anbieter erst fünf bis 20 Prozent des möglichen Marktes durchdrungen.
Gartner grenzt die Begriffe so ab: Eine Private Cloud steht lediglich einem einzigen Unternehmen zur Verfügung. Eine Public Cloud ist jedem Nutzer frei zugänglich. Bezahlt wird die Nutzung, sofern die Public Cloud nicht werbefinanziert ist, von den jeweiligen Anwendern.
- Cloud/Web Plattformen: Dieser Teilaspekt des Cloud Computing geht gerade durch die Phase der Desillusionierung. Gartner nutzt die Begriffe "Web Platform" und "Cloud Platform" hier synonym. Desillusionierung hin oder her - die Technologie entwickelt sich gerade zum Mainstream.
- Idea Management: Gartner versteht Ideen-Management als strukturierten Prozess des Generierens und der Nutzung alternativer Denkansätze. Weil solche Gedanken häufig aus - wie auch immer gearteten - Communities kommen, erfordert Idea Management beispielsweise Web 2.0-Tools. Nach einer Zeit der Desillusionierung betrachten Entscheider Ideen-Management jetzt abgeklärt und wieder interessiert.
Consumerisation dokumentieren
Für die nächsten fünf bis zehn Jahre haben die Analysten unter anderem Folgendes auf dem Schirm:
Consumerisation: Gartner beurteilt den Einfluss von Technologien, die ursprünglich für die Privatnutzung gedacht waren, als hoch. CIOs könnten den Trend der Consumerisation nicht mehr aufhalten. Glaubt man den Analysten, haben sie das verstanden und betrachten das Thema mittlerweile abgeklärt.
Gartner mahnt jedoch an, dass sich Unternehmen vorbereiten müssen. Insbesondere müssten sie Governance-Modelle entwickeln. Dafür sollte sich der CIO mit Linien-Managern, Juristen und dem Chief Risk Officer abstimmen.
Unternehmen sollten ihre Erfahrungen mit Consumerisation beobachten. Fehler wie Erfolge sollten dokumentiert werden, um eine Strategie für den Umgang mit diesem Thema auszuarbeiten und immer wieder zu aktualisieren.
Das gilt vor allem für Sicherheitsfragen. Wenn Mitarbeiter eigene Geräte mit ins Büro bringen, könnten sie Malware einschleusen. Ein weiterer Aspekt sind Unklarheiten bezüglich des Schutzes privater Daten und geistigem Eigentums. Gartner geht davon aus, dass sich Consumerisation auf die gesamte Firmenkultur auswirkt.
Über diese Technologien hinaus wagt Gartner einen Blick auf das, was frühestens in zehn Jahren an die Tür klopft. Hier mag sich der ein oder andere Analyst an Science-Fiction-Literatur erinnert haben. Beispiele dafür sind:
- Computer-Brain Interface: Noch versteht Gartner Schnittstellen zwischen Computer und Hirn als technischen Impuls. Dahinter steckt die Idee, Rechner könnten menschliche Signale direkt umsetzen und dadurch etwa Behinderten das Leben erleichtern. Dafür sei es natürlich am Besten, Elektroden direkt in das menschliche Gehirn einzusetzen, so die Analysten. Weil das wohl nicht jeder will, dürfte vor allem mit Helmen gearbeitet werden.
Mobile Roboter und Quanten-Computer
- Mobile Roboter: Ob als Lagerarbeiter oder Haushaltshilfe - irgendwann sind mobile Roboter einsatzbereit. Auch, wenn die Marktdurchdringung bisher noch nicht einmal ein Prozent erreicht hat, werden die künstlichen Helfer die Welt erheblich verändern.
- Quantum Computing: Ein Quanten-Computer ist ein Computer, dessen Funktion auf den besonderen Gesetzen der Quantenmechanik beruht. Im Unterschied zum Digitalrechner arbeitet er nicht auf der Basis der Gesetze der klassischen Physik beziehungsweise Informatik, sondern auf Grundlage quantenmechanischer Zustände.
Quanten-Computer sollen sehr viel schneller arbeiten als herkömmliche. Gartner zitiert im Hype Cycle einige Forschungsarbeiten zu diesem Thema, stellt aber klar, dass die neue Technologie noch im embryonalen Stadium steckt. Wenn diese Generation an Computern aber erst einmal ausgereift ist, wird sie das Arbeitsleben gründlich verändern.
Nicht nur ein Hype
Über diesen "Hype Cycle for Emerging Technologies" hinaus hat Gartner viele weitere Reports erstellt. Diese beschäftigen sich zum Beispiel mit Wireless Network Infrastructure, Content Management und Financial Services Payment Systems. Erfinderin des Hype Cycle ist Analystin Jackie Fenn.