"Ein CIO ist dann erfolgreich ..." - diesen Satz sollten die Teilnehmer des Wettbewerbs "CIO des Jahres" vervollständigen. Hendrik Rosenboom ergänzte: "wenn der Laden auch ohne ihn laufen würde." Das ist ungewöhnlich. Kein anderer CIO oder IT-Leiter hatte an dieser Stelle des Fragebogens gewagt, über seine Ersetzbarkeit nachzudenken.
Rosenboom begründet seine Antwort damit, dass er ein "Prozess-Freak" sei. Die "höchste Reifestufe" hätten Unternehmensabläufe erreicht, wenn sie, konsequent gelebt, sich quasi automatisch auf neue Herausforderungen einstellten. "Dann ist auch der Chef relativ leicht austauschbar."
Einen solchen Prozess führte Rosenboom als Senior Vice President für das Process and Information Management beim Medizin- und Hygieneproduktehersteller Paul Hartmann AG ein. Das Projekt IMAC (Integrated Management of Assortment and Catalogs) lief von Januar 2008 bis Januar 2010 und hat vor allem die Arbeitsweise von Vertrieb und Marketing verändert. Ein Vorgängersystem hatte den Mitarbeitern bei der Markteinführung neuer Produkte viel Spielraum gelassen. War etwa eine prozessrelevante E-Mail an den falschen Kollegen geschickt worden, ließ sich das telefonisch ausbügeln.
Auch wenn jemand vergessen hatte, Daten in das SAP-System einzutragen, konnte man improvisieren. Die Folge dieser "Flexibilität" waren aber Defizite in der Transparenz und der Steuerbarkeit des Prozesses, die die Abläufe verzögern konnten. IMAC bezeichnet Rosenboom dagegen als "voll integrierten Workflow". Das System steuert aktiv die Arbeitsschritte zum richtigen Nutzer und schreibt relevante Daten direkt in das SAP-System. Das Vorgängersystem war über mehrere Jahre schrittweise ausgebaut worden und diente als Blaupause für die benötigten Prozesse und Rollen. Am Ende war man aber "aus der Jacke herausgewachsen", erinnert sich Rosenboom.
Das Projekt IMAC
IMAC unterstützt das Wachstum und die zunehmende Internationalisierung des Unternehmens. Die Paul Hartmann AG erzielt inzwischen 60 Prozent des Umsatzes außerhalb Deutschlands und ist über eigene Vertriebsgesellschaften in über 30 Ländern vertreten. Organisation und IT müssen dabei alle Zeitzonen und Kontinente abdecken. Im Jahr 2009 erwirtschafteten 9500 Mitarbeiter 1,561 Milliarden Euro Umsatz mit rund 20.000 Artikelnummern. Davon werden jedes Jahr etwa zehn Prozent ersetzt.
Die Artikel, zum Beispiel Wundauflagen, Pflaster, Desinfektionsmittel, Inkontinenzprodukte, OP-Mäntel, -Handschuhe und -Hauben, sind geschätzt und werden mit Erfolg verkauft, unterliegen aber einem scharfen Wettbewerb. Eine Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben, hat Hartmann über perfekt organisierte Prozesse, zum Beispiel in Marketing, Entwicklung, Supply Chain und Vertrieb, wenn es neue Produkte einzuführen gilt.
Die Vertriebs- und Marketing-Spezialisten nahmen das neue System zunächst mit großer Begeisterung auf. Dann stellte sich eine gewisse Ernüchterung ein, weil der "echte Workflow" Freiräume einschränkt und die Arbeit des Einzelnen transparenter macht. Im Umgang mit solchen Reaktionen kommt es auf ein gutes Change-Management an: "Wir trainieren nicht die Anwendung, sondern den Prozess", sagt Rosenboom und stellt fest, dass sich die Stimmung inzwischen wieder verbessert hat.
Außer dem fachlichen hatte IMAC ein IT-strategisches Ziel: Es sollte der Hartmann-IT eine behutsame Best-of-Breed-Orientierung ermöglichen. IMAC basiert auf einer SOA-Architektur, und die so aufgebaute Integrationsplattform wurde bereits in mehreren weiteren Projekten genutzt. Hendrik Rosenboom hält zwar viel von der SAP, glaubt aber nicht, dass die Walldorfer Software für alle Zwecke die beste ist. In diesem Sinn motiviert er auch seine Mannschaft: "Das Schönste ist, wenn Menschen sich mit den Systemen weiterentwickeln."