Mit einer schwarzen Lupe sucht Peter Bittner den Bildschirm ab. Schließlich taucht der gewünschte Befehl unter dem dicken Glas auf. "Ist ja ganz einfach", sagt er zufrieden und klickt. Bittner und acht weitere Senioren sitzen vor einer Reihe glänzender Computer und schauen konzentriert auf die Bildschirme. "Gerade waren wir in unserem Postkasten und nun geht es ans Schreibprogramm", sagt der 73-Jährige und legt seine Lupe beiseite.
Bittner und seine Mitstreiter nennen sich Senioren Computer Club. Vor fünf Jahren wurde der Club in Berlin-Mitte auf Initiative einiger älterer Herrschaften unter dem Dach des Kreativhaus e.V. gegründet. Mittlerweile treffen sich knapp 60 Mitglieder zwischen 57 und 87 Jahren und organisieren sich selbst. Sie üben gemeinsam den Umgang mit Computer und Tablet oder treffen sich zum Wikipedia-Stammtisch.
Für ein Projekt daddelten die Senioren auch schon mit Schülern am PC. Die Reaktion auf die Online-Spiele fiel aber eher gemischt aus. Allzu oft seien Geschichten und Figuren auf Jugendliche zugeschnitten, sagt Club-Koordinator Günter Voß. "Wenn bei einigen Spielen zum Beispiel der Opa kommt, wird der ein wenig trottelig dargestellt. Das kam nicht gut an."
Der 64-Jährige ist ein freundlicher Mann mit einem beeindruckenden weißen Schnurrbart. Er kennt den Club seit Jahren und weiß was bei den Senioren hoch im Kurs steht. "Der richtig große Renner ist alles, was sich um digitale Fotografie dreht."
Mittlerweile machen einige Mitglieder regelmäßig Ausflüge zu Denkmälern in der Region, um die Einträge über die Bauten im Online-Lexikon Wikipedia zu bebildern. Auch Christa Starke liebt die Arbeit mit der Digitalkamera. "Ich dachte: Fotografieren kann ich, aber was mach ich mit den Bildern", sagt die 77-Jährige. Mittlerweile kennt sie sich mit Bildbearbeitung aus und erstellt Diashows ihrer Fotos.
Doch für viele ist der Club auch die einzige Chance, nicht den Anschluss zu verlieren. "Menschen kommen zu uns, weil sie merken: "ich schließe mich aus"", sagt Voß. "Sie haben keine Angst, sondern es sind Hemmschwellen unterschiedlicher Art." Gerade für Ältere, die an ihre Wohnung gebunden sind, ist das Internet oft die einzige Möglichkeit, mit weit verstreuten Verwandten in Kontakt zu bleiben.
"Einmal hatte ich einen Fall, wo der Mann gestorben ist und die Frau kam an das Bankkonto nicht mehr ran." Der Club bietet eine Weiterbildung für Senioren in einer Zeit, in der Online-Banking selbstverständlich ist und am persönlichen Service gespart wird. "Es geht mittlerweile soweit, dass man den Menschen am Schalter bezahlen muss."
Das stellt viele Ältere vor enorme Probleme. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts nutzten im ersten Quartal vergangenen Jahres nur knapp die Hälfte der Männer ab 65 Jahren das Internet. Bei den Frauen in der gleichen Altersgruppe waren es sogar nur 28 Prozent.
Peter Bittner, der Herr mit der Lupe, geht regelmäßig ins Internet, um Mails zu schreiben oder etwas auf Amazon zu bestellen. Für unterwegs hat er sich ein Tablet angeschafft. "Ich sehe schlecht und das lässt sich gut vergrößern."
Doch nicht alle neuen Entwicklungen finden Zuspruch bei den Senioren. Online-Netzwerke wie Facebook werden kritisch gesehen. "Ich hab da eine andere Vorstellung von Freundschaft", sagt eine Dame mit gepflegten weißen Haaren. Die Anonymität im Netz komme nicht gut an, sagt Voß. Zudem verunsichern Berichte über fehlenden Datenschutz und Enthüllungen über Spionage der Geheimdienstes die Senioren.
In den Clubräumen geht der Kurs zu Ende. Sorgfältig ziehen die Teilnehmer Schutzhüllen über die auf Hochglanz polierten Computer. An einer Wand hängt ein Stickbild, das an Omas alten Haussegen erinnert. "Nr. 25: Mit einem kurzen Telefonanruf lässt sich eine endlose Kette frustrierender E-Mails umgehen" steht liebevoll gestickt darauf. Für ein Projekt stickten einige Senioren Umgangsregeln für das Internet - ein wenig analoge Nostalgie in einer digitalen Welt. (dpa/rs)