Eine aktivere Rolle des Staates in der Industriepolitik - um mehr "Wirtschaftschampions" zu schaffen und Jobs zu sichern. Das ist der Kern der Industriestrategie von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Bei der deutschen Wirtschaft stößt dieser neue Kurs in großen Teilen auf Ablehnung. Spitzenverbände legten am Montag noch einmal nach. Industriepräsident Dieter Kempf sagte, statt explizit europäische "Champions" zu fördern, solle die Politik lieber die Bedingungen für den Standort verbessern.
Dies sei "höchste Zeit", sagte Kempf am Montag in Berlin bei einer Konferenz zur "Nationalen Industriestrategie 2030" Altmaiers. Kempf nannte zu hohe Energiepreise, zu viel Bürokratie, einen schleppenden Ausbau der Infrastruktur und eine "schädliche" Steuerpolitik.
Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernhard Mattes, sagte, die Politik sollte sich auf ihre angestammte Rolle konzentrieren - nämlich Regeln zu setzen und zu kontrollieren. "In der Welt des Sports wären das der Sportverband und Schiedsrichter", sagte Mattes. "Schon die Rolle des Trainers, der eine Taktik vorgibt und seine Mannschaft zu bestimmten Spielzügen bewegt, wäre wirtschaftspolitisch problematisch." Der Staat dürfe sich nicht selbst als Mitspieler verstehen.
Altmaiers umstrittene Strategie
BDI-Präsident Kempf sagte, eine staatliche "Investitionskontrolle" dürfe kein Mittel der Industriepolitik werden. Eine Debatte über Industriepolitik sei aber zwingend erforderlich.
Altmaier verteidigte seine umstrittene Strategie, die er im Februar vorgelegt hatte. Es gehe darum, die Wirtschaftspolitik wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte zu rücken. Er fühle sich darin bestätigt, einen wichtigen Anstoß gegeben zu haben.
Bei der Konferenz habe es bei aller Kritik in weiten Bereichen einen breiten Konsens gegeben. Es gehe um die Zukunft von Jobs und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, sagte Altmaier. Er kündigte einen weiteren Dialog mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften an. Ziel sei es, dass sich die Bundesregierung bis Jahresende auf eine gemeinsame Position einige.
Unterstützung bekam Altmaier von der IG Metall. Deren Vorsitzender Jörg Hofmann sagte, es müsse eine aktive Industriepolitik geben, um den digitalen Wandel zu gestalten. Es seien massive öffentliche Investitionen nötig, etwa für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos oder die Erneuerbaren Energien. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte: "Um Übernahmen aus dem Ausland abzuwehren, kann es für den Staat sinnvoll sein, dass er zeitweise mit einem Fonds Anteile an strategisch wichtigen Unternehmen übernimmt." Es dürfe aber nicht zu viel Staat geben in der Wirtschaftspolitik.
Traum von "nationalen wie europäischen Champions"
Altmaier setzt sich in seinen Thesen für eine aktivere staatliche Industriepolitik im globalen Wettbewerb ein. In sehr wichtigen Fällen sei eine befristete Beteiligung des Staates an Unternehmen möglich. Seine große Sorge: Deutschland und Europa drohen bei wichtigen Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz, dem autonomen Fahren oder der Batteriezellenfertigung für E-Autos abgehängt zu werden - auch weil die weltweite Konkurrenz aus den USA und Asien zunimmt. Darum hält es Altmaier für nötig, neue "nationale wie europäische Champions" zu schaffen. Sein Vorbild ist der europäische Flugzeugbauer Airbus.
Hintergrund der Überlegungen ist auch die am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter gescheiterte Fusion der Zugsparten von Siemens und des französischen Alstom-Konzerns. Altmaier hatte deswegen zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire eine Reform des EU-Wettbewerbsrechts vorgeschlagen.
Dafür bekam er Zustimmung von der IG Metall und der Wirtschaft. In einem Positionspapier des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) heißt es, es sollten Lösungen auf die Frage gefunden werden, wie europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb gegen starke und oftmals massiv staatlich geförderte Konkurrenten am besten unterstützt werden könnten. Das EU-Wettbewerbsrecht sei dabei aber nur ein Teil der Lösung. "Im Mittelpunkt muss stehen, selbst gemachte Standortnachteile abzubauen, um die Standortbedingungen in Europa attraktiv zu gestalten." (dpa/rs)