29 Ausgründungen von Firmen waren im Jahr 2000 als IT-Dienstleister auf dem deutschen Markt tätig. Innerhalb von sechs Jahren sank ihre Zahl um 60 Prozent. Seit 2002 ist zudem kein Unternehmen dieser Art mehr neu hinzugekommen. Auf Dauer werden diese sogenannten Captives als Anbieter von IT-Outsourcing nahezu vom Markt verschwunden sein, wie eine Untersuchung von Deutsche Bank Research ergeben hat.
Peter Kreutter von der WHU - Otto Beisheim School of Management und Georg Stadtmann von der University of Southern Denmark haben sich in der Studie mit dem Modell des Industrie-Lebenszyklus befasst und es auf den deutschen Markt für IT-Outsourcing übertragen. Der Forschungszweig, der sich mit der Evolution von Industrien beschäftigt, geht auf den Beginn der 1980er Jahre zurück. Mehrere Untersuchungen haben seither gezeigt, dass sich die Zahl der Unternehmen in vielen Industriezweigen im Zeitverlauf nach einem bestimmten Muster verändert.
Typisch für den Industrie-Lebenszyklus sind drei Phasen:
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Zunächst steigt die Zahl der Firmen einer Branche bis zu einem Höhepunkt.
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In der zweiten Phase reduziert sich ihre Zahl wieder - teils erheblich -, während das Absatzvolumen weiter wächst. Diesen Vorgang bezeichnet man als "Shakeout".
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In der dritten Phase pendelt sich die Zahl der Unternehmen dann auf einem stabilen Niveau ein, die Struktur des Marktes stabilisiert sich. Ausnahmen bestätigen die Regel: Für manche Branchen konnten Wissenschaftler keinen Shakeout feststellen, etwa 2007 in einer Untersuchung über die deutsche Laser-Industrie.
Die unter dem Titel "The Captives' End - Lebenszyklusmuster in der Entwicklung der deutschen IT-Otusourcing-Industrie" veröffentlichte Studie für Deutsche Bank Research zeigt nun, dass das Lebenszyklus-Modell auch auf den deutschen Markt für IT-Outsourcing zutrifft, allerdings einige Besonderheiten aufweist.
Bisher wurden Dienstleistungs-Industrien in der Lebenszyklus-Forschung kaum beachtet, wie die Verfasser betonen. Als besonderes Merkmal des IT-Outsourcings streichen sie heraus, dass das Geschäftsmodell dieser Branche hoch komplex sei - oft vergleichbar mit dem innovativer Produtkindustrien. Kennzeichnend sei zudem die hohe Bedeutung von Verträgen, die die zu erbringenden Leistungen regeln. Obwohl die Laufzeiten in der letzten Zeit kürzer geworden sind, sei eine längerfristige Bindung zwischen Dienstleister und Auftraggeber noch immer charakteristisch fürs IT-Outsourcing.
Debis markiert Beginn der deutschen IT-Outsourcing-Geschichte
Als Geburtsstunde der IT-Outsourcing-Industrie in Deutschland wird in der Studie das Jahr 1990 angesetzt. Vor allem mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Debis sei dieser Wirtschaftszweig hierzulande angestoßen worden. Untersucht wurden insgesamt 82 Firmen, die in der Zeit von 1990 bis 2006 in der IT-Outsourcing-Industrie in Deutschland tätig waren.
Zu Beginn des Beobachtungs-Zeitraums 1990 waren 13 Unternehmen auf diesem Feld tätig. Ihre Zahl stieg bis 2000 stetig auf 60 an. Bis Ende 2005 fiel die Zahl dann wieder auf 42 und stabilisierte sich im Folgejahr - ein typischer Verlauf für den Industrielebenszyklus.
Durchgängiges Marktwachstum
Der Höhepunkt der Firmenzahl war nach zehn Jahren und den Verfassern zufolge damit in relativ kurzer Zeit erreicht. Der jährliche Zuwachs betrug 4,9 Unternehmen. Der darauf folgende Rückgang umfasste 3,8 Firmen jedes Jahr. Die Industriepopulation sank zwischen 2000 und 2006 um 30 Prozent. Der Shakeout fiel damit geringer aus als in einigen anderen Branchen, wo die Zahl der Firmen zum Teil um 90 Prozent zurückging. Gleichzeitig wuchs der Markt während im Beobachtungszeitraum durchgängig.
Die in Deutschland tätigen IT-Outsourcing-Anbieter lassen sich in drei Gruppen einteilen.
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Zum einen internationale Anbieter, die schon auf einem anderen Markt IT-Outsourcing angeboten haben, bevor sie damit in Deutschland tätig wurden.
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Die sogenannten nationalen IT-Diversifizierer sind Firmen aus Deutschland, die hier schon im Hard- und Software- oder Projektgeschäft tätig waren, bevor sie sich als Outsourcing-Anbieter aufgestellt haben.
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Dritte Gruppe sind die Captive IT-Outsourcing Anbieter, ausgegründete IT-Abteilungen großer Konzerne.
Die drei Gruppen waren auf dem deutschen Outsourcing-Markt im untersuchten Zeitraum zahlenmäßig zu fast gleichen Teilen vertreten.
Die größte Überlebenswahrscheinlichkeit auf dem Markt haben internationale Anbieter. Im Vergleich der anderen beiden Gruppen untereinander haben die Captives gegenüber den Diversifizierern in der Frühphase eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. Dies kehrt sich allerdings nach etwa zehn Jahren um. Sowohl internationale Anbieter als auch Diversifizierer erreichen nach sieben bis acht Jahren eine gewisse Stabilität, die Captives nicht.
IT-Töchtern ist der Tod fast sicher
Ihre Überlebenswahrscheinlichkeit sinkt immer weiter und liegt nach etwa zwölf Jahren deutlich unter 25 Prozent - der Tod eines solchen Unternehmens ist also eher die Regel als die Ausnahme. Setzt sich dieser Trend fort, werden die Captives in einiger Zeit fast vollständig vom Markt für IT-Outsourcing verschwunden sein.
Als ungünstig für Firmen erweist sich ein später Markteintritt, also in der Zeit nach dem Shakeout. Für die Studie wurden die Firmen in drei Kohorten eingeteilt. Die Sterbewahrscheinlichkeit in der Gruppe, die ab 2000 in den Markt eintrat, erwies sich als höher als die der Firmen, die schon zwischen 1990 und 1993 oder 1994 und 1999 als Outsourcer tätig waren.
Mehr Übernahmen als Insolvenzen
Dass eine bestimmte Gruppe von Firmen, nämlich die Captives, besonders stark vom Shakeout betroffen ist, ist laut den Autoren ein bisher nicht beobachtetes Phänomen. Was die Ursachen sind, müssen den Verfassern zufolge künftige Forschungsarbeiten klären. Zum einen sehen sie einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der New Economy Krise im Jahr 2000, andererseits gebe es keine Anzeichen für einen direkten kausalen Zusammenhang.
Charakteristisch für den IT-Outsourcing-Markt scheint zu sein, dass das Ausscheiden aus dem Markt durch eine Übernahme eher die Regel als die Ausnahme ist. Nur eine Firma meldete Insolvenz an, drei stellten ihre Geschäftstätigkeit aus anderen Gründen ein. Die meisten verschwanden durch Übernahme oder Zusammenschluss.
Grund dafür könnte sein, dass Übernahmen aufgrund der langen Vertragslaufzeiten im Outsourcing-Geschäft besonders attraktiv sind und somit die gekaufte Kundenbasis relativ stabil ist, vermuten die Autoren.
Neustrukturierung der IT durch Ausgründung
Ein Erklärungsmodell dafür, dass von den ausgegründeten Outsourcing-Anbietern so viele verschwunden sind, könnte der Studie zufolge darin liegen, dass deren Mutterkonzerne die IT-Tochter von Beginn an mit dem Hintergedanken gegründet haben, sie später zu veräußern. Die Ausgründung wäre dann ein Zwischenschritt gewesen, um die eigene IT strukturell neu auszurichten, externe Kunden zu gewinnen und die Tochter dann gewinnbringend zu verkaufen. Ob das im Einzelfall allerdings wirklich von Beginn an so geplant war, müssen laut Kreutter und Stadtmann ebenfalls künftige Untersuchungen zeigen.