Heinz Wings mag IT. Natürlich bekommt er beim Gedanken an deren technische Einsatzmöglichkeiten kein Herzklopfen, und natürlich müssen die Zahlen stimmen. Aber es fasziniert ihn, dass er mithilfe der IT seine Bank zu dem machen könnte, wie er sie schon jetzt präsentiert: "Die beste Bank der Welt."
Mit diesen Worten empfängt der 52-Jährige seinen Gast. Strahlt dabei und meint es auch, jedenfalls beinahe: "Wir versuchen zumindest alles, um dieses Ziel zu erreichen!", setzt Wings nach. Die Zahlen der Genossenschaftsbank beweisen es: Während 2003 viele deutsche Großbanken negative Ergebnisse verkünden mussten, stieg das Einlagenvolumen der Hamburger um 7,8 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro, die Zahl der Neukunden nahm um 21 000 auf 160 000 zu. Und in Sachen Kundenfreundlichkeit flattern die Auszeichnungen durch die Stiftung Warentest, den brancheninternen Test "Kundenmonitor" und die Fachpresse für die kostenlose Girokontoführung nur so ins Haus.
Daran hat die IT einen hohen Anteil: Im Kampf um Kunden und Marktanteile setzen die hanseatischen Banker - mit Wings an der Spitze - auf Technologieführerschaft, die den Kundennutzen erhöht. So können die Norddeutschen seit 1996 ihre Banking-Aktivitäten per Internet erledigen, was mehr als jeder dritte Kunde auch nutzt. Mittlerweile werden zwei Drittel der Überweisungen elektronisch getätigt: "Wir waren die erste Bank in Deutschlands, die Internet-Banking anbot", betont Wings mit sichtlichem Stolz.
Ohne diese IT-Affinität säße der promovierte Diplomkaufmann heute nicht im vierten Stock des funktionalen Hauptgebäudes, direkt am viel frequentierten Altonaer Bahnhof. Als er sich dort 1987 um die Vorstandsposition bewarb, erwartete der Aufsichtsrat fundierte IT-Kenntnisse vom Job-Aspiranten. "Naja, fundiert - sie haben es mir zumindest abgenommen", erinnert sich Wings lachend.
Vom Controller zum IT-Denker
Eigentlich sei er zur IT gekommen "wie die Jungfrau zum Kinde". Das war während seiner vorangegangenen Tätigkeit für eine süddeutsche Privatbank, als er als Controlling-Verantwortlicher erkannte, welche Möglichkeiten die IT zur Produktivitätssteigerung bietet. Und heute? "Ich bin immer noch kein IT-Fachmann. Man muss nur wissen, was man damit anfangen kann - heute und in Zukunft", sagt der Banker.
Visionen hat Wings genügend. Ob es sich um die "Stimm-DNA-Analyse" handelt, die den Kunden nach wenigen Sätzen erkennt, oder um den erwarteten Internet-Banking-Boom, wenn Bankgeschäfte per Digitalfernseher in fünf Jahren den Markt durchdringen sollen. Von einer weiteren Idee schwärmt der zweifache Vater: Videobanking. In ländlichen Regionen will er Bankräume einrichten, in denen Kunden über einen 42"-Monitor per Datenleitung mit Spezialisten in den Filialen konferieren. "Das ist vielleicht die SB-Geschäftsstelle der Zukunft", so Wings.
Das ist sein absolutes Lieblingsthema - IT-Visionen. Dafür macht er jährlich immerhin 30 Prozent seines IT-Etats locker. Zuständig für die Umsetzung dieser Ideen ist das Rechenzentrum des Sparda-Bank-Verbundes (Sparda Datenverarbeitung e G - SDV) in Nürnberg. Dort laufen die Daten der Sparda-Banken sowie Post-, Spar- und Darlehensvereinen (PSD) zusammen. Per Schnittstellen sind die Hanseaten mit der SDV verbunden. "In Hamburg läuft der dezentrale Workflow - all das, was für die Hamburger Sparda-Bank spezifisch ist und uns Geld bringen soll", erläutert Wings.
Das tut auch Michaela May, die Stimme hinter dem Telefonsprachcomputer der Genossenschaftsbank. Seit 2003 spricht Michaela monatlich mit 20 000 Kunden, nennt Kontostände oder verbindet mit dem zuständigen Sachbearbeiter. Diese Eigenentwicklung gehört zu den Features, die Wings meint, wenn er von "IT muss sich rechnen" spricht: Die Bank erwartet durch die freundliche Telefonstimme ein deutliches Einsparpotenzial bei den Call-Center-Kosten, das innerhalb eines Jahres die Investitionskosten vollständig deckt.
Wings plant Portal für Geschäftsprozesse
Eine ebenso interessante Kostenreduzierung erwartet der Sparda-Hamburg-Chef auch vom künftigen gruppenbezogenen Geschäftsprozessportal. Dabei werden Kundenbetreuer nur noch eine Maske für den jeweiligen Geschäftsfall aufrufen müssen. Dann führt das Portal den Mitarbeiter durch die einzelnen Schritte. Ein Fünftel der Hauptgeschäftsprozesse, die für 80 Prozent des Geschäftes stehen, soll so erfasst werden. Durch die damit verbundene Standardisierung und höhere Produktivität erwartet Wings um bis zu 60 Prozent geringere Kosten: "Vorsichtig geschätzt", sagt er.
Neugierig machen kann Wings gut. Ob er seine IT-Thesen in einem seiner etwa 250 Aufsätze vorstellt oder mit provozierenden Marketingideen an die Öffentlichkeit tritt - er fällt auf. Warum nicht auch Schuhe in der Bankfiliale verkaufen?, fragte er vor einiger Zeit. Es gehe doch darum, Kunden zu binden und profitabel zu arbeiten. Und dazu müsse man einfach mal querdenken. So passt auch die Kooperation mit E.ON ins Konzept: Beide Unternehmen verteilen Boni, wenn Kunden mit dem Kooperationspartner einen Vertrag abschließen. Demnächst soll ein ähnlicher Deal mit einem Mobilfunkbetreiber anlaufen.
Der Vertiefung der Kundenbindung dient auch "Bank-TV": Im Regionalsender Hamburg 1 präsentierte eine Sparda-Mitarbeiterin regelmäßig die neuen Entwicklungen der Bank. Dass künftig auch Vier-Minuten-Spots für interessante - auch ausländische - Zielgruppen ausgestrahlt werden, erscheint fast logisch - wenn Wings es erläutert. Immerhin steht er für die beste Bank der Welt.