Die Idee klingt verlockend. Statt eine teure und komplexe VDI-Umgebung aufzubauen oder physische PCs anzuschaffen, mieten Unternehmen beim DaaS-Anbieter ihres Vertrauens einfach Desktops in der Cloud. Bezahlt wird nach Nutzung, hohe Anfangsinvestitionen entfallen.
Mark Lockwood, Research Director beim Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner, kann dem Konzept durchaus Positives abgewinnen. VDI verursache häufig mehr Kosten und bringe weniger Vorteile als erwartet. Unternehmen müssten zunächst in die Infrastruktur investieren und diese Aufwendungen über einen längeren Zeitraum abschreiben: "Sie geben Unsummen für Storage, Rechenleistung und Data Center aus, selbst wenn die Mitarbeiter die Ressourcen gar nicht nutzen. (…) Mit DaaS dagegen bezahlen sie nur, was sie tatsächlich brauchen, und das Monat für Monat."
Siehe dazu auch: VDI-Kosten - die große Unbekannte
Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es einige Gründe, die gegen DaaS sprechen. In Sachen Funktionsumfang könnten aktuelle DaaS-Angebote noch längst nicht mit VDI mithalten, urteilt Lockwood: "Etliche Features, die On-Premise VDI-Lösungen von Citrix oder VMware heute bieten, können die Cloud-Provider noch nicht bereitstellen." Dazu gehörten beispielsweise diverse Anpassungsoptionen der virtuellen Desktops oder die volle Unterstützung von Grafikprozessoren für besonders anspruchsvolle Anwendungen.
Geht es etwa um Computer Aided Design (CAD), Financial Modeling, Videobearbeitung oder andere grafikintensive Applikationen, stoßen DaaS-Angebote schnell an Grenzen. "Die meisten DaaS-Provider haben nur einen begrenzten Katalog an Disk Storage, CPU- und Arbeitsspeicher", warnt der Gartner-Experte. Anwender mit höheren Ansprüchen hätten wenig Auswahl und müssten mit saftigen zusätzlichen Gebühren rechnen.
Ein weiteres Problem sieht er in dem noch unreifen Markt. Unternehmen sollten sorgfältig vergleichen, was genau die DaaS-Provider anbieten. Der Begriff DaaS werde derzeit für alle möglichen Varianten verwendet, von Microsofts Azure Remote App bis hin zum kompletten Desktop, den Anwender wie einen normalen PC nutzen können. Einige der Cloud-Dienste etwa stellten einen ganzen Stack inklusive Kapazitäts-Management und Performance Monitoring bereit, andere nicht.
"Es gibt derzeit vielleicht 15 Anbieter, die über DaaS sprechen", so der Analyst. "Keiner von ihnen verwendet die gleiche Definition". Die zwei größten Player im Markt, Amazon WorkSpaces und VMware mit Horizon Air, böten Kunden beispielsweise auch sehr unterschiedliche Betriebssystem-Konfigurationen für die Cloud-Desktops.
Lizenzen treiben Kosten für DaaS-Provider in die Höhe
Komplex und potenziell kostenträchtig wird es laut Lockwood, wenn man die diversen Lizenzbedingungen für DaaS betrachtet. Zwar gibt es etwa für DaaS-Provider eine besonders günstige Windows-Server-Lizenz, das sogenannte Microsoft Service Provider License Agreement (SPLA). Doch für den Betrieb der Desktop-Betriebssysteme werden weitere Lizenzen etwa für den Remote Desktop Service (RDS) pro User fällig. Sollen Microsoft-Tools wie System Center für die Verwaltung der Desktops genutzt werden, kommen für den Provider in der Regel noch Client Access Licenses (CALs) hinzu.
Wes Miller, Lizenzexperte beim Analystenhaus Directions on Microsofts, fasst die komplizierten lizenzrechtlichen Voraussetzungen so zusammen: Wer den Einsatz von DaaS prüfe, solle besser nicht mit Einsparungen bei Softwarelizenzen rechnen. "Der wesentliche Vorteil von DaaS ist aus heutiger Sicht, dass Unternehmen die Systeme nicht selbst betreiben müssen", so Miller. Kostenvorteile können sich nach seiner Einschätzung allenfalls auf der Hardwareseite ergeben, wenn On-Premise-Installationen wegfallen.
Rechnet sich DaaS für Unternehmen?
Ob Unternehmen mit DaaS unterm Strich überhaupt Kosten sparen können, zieht Gartner-Mann Lockwood zumindest in Zweifel. Nach seinen Erhebungen hat ein Viertel der Implementierungen von Amazon WorkSpaces nach einem Jahr sogar zu einem negativen RoI (Return on Investment) geführt, obwohl die Lösung immer noch günstiger sei als das Konkurrenzangebot von VMware. Und selbst wenn große Kunden meist nicht den Listenpreis bezahlten, könnten sich die monatlichen Kosten schnell zu hohen Summen addieren. "Nach achtzehn Monaten haben Sie womöglich mehr bezahlt als für eine physikalische Maschine oder für VDI", argumentiert er.
Wo sich Desktop-as-a-Service lohnen kann
Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es zumindest einige Szenarien, in denen sich DaaS lohnen kann. Wenn Unternehmen etwa nur für eine kurze Zeit eine große Zahl von Desktops benötigen oder Entwicklern einen zweiten Rechner für Testzwecke zur Verfügung stellen möchten, kann DaaS eine kostengünstige Alternative sein. "Wenn Sie ein Unternehmen aufkaufen und den Mitarbeitern rasch Zugang zu Kernsystemen wie SAP geben wollen, ist DaaS sicher sinnvoll", konzediert Lockwood.
Auch beim Testing von Windows 10 im Vorfeld größerer Rollouts könnten Desktops aus der Cloud schnell und flexibel die nötigen Ressourcen bereitstellen. Dafür eine VDI-Infrastruktur aufzusetzen oder gar physische Rechner anzuschaffen, rechne sich in den seltensten Fällen. Die Preise für DaaS würden mit der Zeit fallen, erwartet der Gartner-Mann. Doch schon auf dem gegenwärtigen Preisniveau lohnten sich die Cloud-Services beispielsweise für Unternehmen, die Saisonarbeiter beschäftigen und diese für zwei oder drei Monate mit Rechnern ausstatten müssen.
HP offeriert PCs as Service
Eine andere Variante des Servicekonzepts plant unterdessen HP Inc., die das PC- und Druckergeschäft der ehemaligen Hewlett-Packard Co. weiterführt. Gegen eine fixe monatliche Gebühr pro Mitarbeiter will der Hersteller Kunden künftig PCs und andere Client-Systeme zur Verfügung stellen. Auch bei diesem Angebot sparen sich Unternehmen die Anfangsinvestitionen für Hardware.
Die Marketiers führen allerdings noch weitere Verkaufsargumente ins Feld, die den Service von klassischen Miet- oder Leasingoptionen unterscheiden sollen. So würden die Rechner mit einer HP-eigenen Management-Software ausgestattet, die nicht nur die Verwaltung vereinfache, sondern beispielsweise auch sicherstelle, dass Nutzer nicht zu wenig oder zu viel Rechenleistung am Arbeitsplatz haben.
Auch eine Analytics-Komponente spielt dabei eine Rolle. Sie erlaubt es dem Anbieter zufolge, den Zustand einzelner Rechnerkomponenten zu überwachen. Ähnlich wie in Predictive-Maintenance-Szenarien könne die Monitoring-Software etwa den Austausch von Akkus anstoßen, noch bevor die Komponenten tatsächlich in die Knie gehen.