Know-How-Transfer

Deutsche Bank fährt Tandem

06.09.2004 von Marita Vogel
In den IT-Abteilungen der Deutschen Bank erfolgte Anfang dieses Jahres ein Roll-out besonderer Art: Dort bringt die größte deutsche Bank verstärkt ältere und jüngere IT-Mitarbeiter zu "Know-how-Tandems" zusammen.

Beim ersten Treffen prallten Welten aufeinander. Zwischen zwei und 36 Jahre Betriebszugehörigkeit hatten die 22 Ausgewählten des neuen Projektes "Know-how-Tandem" bei der Deutschen Bank auf dem Buckel. Besonders deutlich wurden die Diskrepanzen, als die IT-Mitarbeiter der Deutschen Bank die bei ihrem Eintritt jeweils herrschende IT-Situation beschrieben. "Vor allem die Jüngeren konnten sich einiges überhaupt nicht mehr vorstellen", sagt Christine Wolff, die als Diversity Consultant im Personalbereich für die Förderung der Mitarbeitervielfalt zuständig ist und das Tandem-Projekt im IT-Bereich verantwortet.

Die Idee klingt simpel: In einem Tandem arbeiten ein älterer, erfahrener und ein jüngerer Mitarbeiter gemeinsam an einem Projekt. Dabei bekommen die Erfahreneren einen neuen Blick auf Lösungsansätze, die Jüngeren lernen in Sachen Management-Skills und IT-Strukturen dazu. "Eine klassische Win-Win-Situation", so Ulrich Meister, CIO im Bereich Private & Business Clients. "Wir wollen die gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung steigern und den Jüngeren Erfahrungswissen zugänglich machen." Mit den Tandems könne man dem demographischen Wandel begegnen.

Diese bevorstehende Veränderung ist zumindest als theoretisches Wissen den meisten Unternehmen in Deutschland bekannt. Doch an der Umsetzung hapert es: Nur noch 38 Prozent der 55- bis 65-Jährigen sind berufstätig; nur in 40 Prozent der bundesdeutschen Unternehmen werden Über-50-Jährige beschäftigt.

Mittel gegen Arbeitskräftemangel

Dabei warnen Wissenschaftler vor den Folgen des demographischen Wandels. Die im Juni veröffentlichten Studien des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) stellen erneut fest: Nur durch die Anpassung der Altersstruktur in der Arbeitnehmerschaft kann dem drohenden Arbeitskräftemangel begegnet werden. Von dieser Anpassung ist jedoch auch die Deutsche Bank noch weit entfernt: Sie setzt verstärkt auf jüngere Mitarbeiter. In Deutschland sind nur 3,9 Prozent der Banker über 54 Jahre und 21,9 Prozent zwischen 45 und 54 Jahre alt. An diesem Zahlenverhältnis wird sich so schnell auch nichts ändern, glaubt Deutsche-Bank-Sprecher Patrick Fischer: "Wir bilden derzeit rund 1600 Azubis aus und stellen dieses Jahr weltweit rund 800 Hochschulabsolventen ein."

Dabei zeigt das Tandem-Projekt, wie erfolgreich eine altersgemischte Zusammenarbeit sein kann. Wolff: "Wir bekommen unglaublich positives Feedback von den Teilnehmern." Für den ersten Durchgang, der Anfang 2004 startete, wählte die Personalabteilung die Teilnehmer aus. Bedingungen waren Unterschiede von 15 Jahren Betriebszugehörigkeit sowie von zwei Verantwortungsstufen. Die jüngeren High Potentials reagierten offen, während einige der erfahrenen Tandem-Teilnehmer, die zwischen 46 und 64 Jahre alt sind, skeptisch waren: "Sie hatten Angst, ihr Wissen würde abgeschöpft und sie dann nicht mehr benötigt", so Wolff. "Hilfreich war, dass sich COO Hermann-Josef Lamberti klar hinter das Projekt stellte.

Mittlerweile treffen sich die Know-how-Tandems alle vier bis sechs Wochen für zwei bis vier Stunden. "Jedes Tandem suchte sich sein eigenes IT-Projekt", so CIO Meister. Für den zweiten Durchlauf, der Anfang 2005 mit mehr als 30 Tandems starten soll, häufen sich bereits die Bewerbungen - und zwar vor allem von erfahrenen IT-lern, die ihr Wissen weitergeben wollen.

Senioren-Vermittler sind oft ratlos

Zwar wenden auch kleine und mittelständische Unternehmen das Tandem-Prinzip nun an, doch halten sie sich mit der Einstellung älterer Mitarbeiter oft zurück. Diese Erfahrung machte die Bellheim-Stiftung in Gründung aus Willich, die ältere Führungskräfte vermittelt. 800 Arbeitslose finden sich in ihrer Datenbank, darunter etwa 30 Ex-IT-Manager, so Stiftungs-Mann Marc Bloemertz.

Vor zwei Jahren startete die Initiative. Seitdem gab es zwar öffentlichkeitswirksame Unterstützung von bekannten Politikern, die Nachfrage nach Mitgliedern blieb trotzdem gering: Rund 30 Arbeitslose brachte Bloemertz über das Netzwerk im vergangenen Jahr in einen neuen Job. "Die meisten Firmen sind nach wie vor nicht bereit, ältere Mitarbeiter einzustellen", sagt er. Durch diese Zurückhaltung gehe sehr viel Potenzial verloren: Einer der Bellheim-Mitglieder, ein 57-jähriger ehemaliger IT-Manager, der in internationalen Konzernen bis zu 160 Mitarbeiter geführt hatte, wird ab Herbst dieses Jahres sein Geld als Lkw-Fahrer verdienen.

Marita Vogel [redaktion@cio.de]