Ein wenig erinnert es schon an ein Orakel. Man füttert die Maschine mit Daten, und heraus kommt ein guter Rat. "Delphi" steht für die Vereinheitlichung der Personalprozesse der Deutschen Bank.
Eine global gültige Prozess-Schablone war notwendig geworden, verschwendeten doch die heterogenen Abläufe zu viel Zeit, Kapazitäten und letztlich Kosten. "Wir brauchen die Mitarbeiter viel nötiger an anderer Stelle", erklärt Delphi-Projektleiter Peter Pardatscher.
Auf Seiten der IT hat sich die Deutsche Bank für die Software HCM 9.0 von Oracle - besser: Peoplesoft - entschieden. Als wesentliche Herausforderung sieht Pardatscher nun, aus dem Standard so viel wie möglich herauszuholen. "Jede Anpassung behindert die Upgrade-Fähigkeit massiv", sagt er. Um künftige Kostenexplosionen zu vermeiden, setzte die Bank dem Customizing von Beginn an enge Grenzen. Das sei immer ein Kompromiss, so Pardatscher.
Damit dieser nicht faul ist, hat das Institut einen Mechanismus entwickelt, der jeden Änderungswunsch unter die Lupe nimmt und auf Basis abgestimmter Zielkriterien Alternativen vergleicht.
Der eigens entwickelte Mechanismus heißt intern Decision Engine. Er liefert die Formel für das optimale Verhältnis zwischen Aufwand (möglichst geringe Gesamtkosten) und Nutzen (möglichst hoher Wertbeitrag). Entscheidungen lassen sich damit weitgehend objektiv treffen, persönliche Vorlieben bleiben außen vor.Decision Engine versteht nur Zahlen. Es ist ein Tool, das von den einzelnen Verantwortlichen mit Daten und Einschätzungen in Form von Zahlen gefüttert werden will. Für jede vom Standard abweichende Option generiert es schließlich eine neutrale Beurteilung, die einen Vergleich verschiedener Optionen erlaubt. Doch wie kommt man dorthin?
Der Trick heißt Verbindlichkeit
Angenommen, in der Vorbereitung zur Implementierung der Software entdecken die Verantwortlichen ein Randsystem, das eine bestimmte Funktion abdeckt. Diese ließe sich auch im Standard abbilden, allerdings nur, wenn man vom gewohnten Prozess abweicht. Daraus ergeben sich drei Optionen:
-
Das Randsystem wird ausgeschaltet und die Funktion vom Standard übernommen.
-
Das System wird umgebaut, sodass es weiterhin neben dem Standard läuft.
-
Der bislang praktizierte Parallelbetrieb bleibt unangetastet.
Welche der drei Optionen das Rennen machen wird, das klopfen nun die verantwortlichen Manager gemeinsam ab. "Der Trick liegt in der Einbindung aller Fachbereiche", erklärt Pardatscher. Mit Einbindung meint er keineswegs eine Diskussionsrunde, sondern eine Gruppe, in der der Einzelne verbindlich über die Entscheidungsgrundlagen abstimmt. Jeder hat sich auf das Thema vorbereitet, eine Einführung in die Technik bekommen und kennt die darüberliegenden Abläufe.
"Die Größe der Gruppen variierte zwischen fünf und zwölf Personen", berichtet der Projektleiter. Schritt für Schritt leistet jeder seinen Beitrag zur Entscheidungsfindung. 26 Mal tagten diese Runden seit dem Start von Delphi. Die Zahlen, mit der die Mitarbeiter die Maschine füttern, führen zu einem Ideal: zu der Option mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Schritt für Schritt zur Objektivität
Man beginnt mit der Betrachtung des Wertbeitrags: Jeder Teilnehmer entscheidet, wie viel Gewicht er den entscheidenden Kriterien beimisst, sei es der Verringerung von operativen Risiken, dem Wegfall bestehender Umwege im Ablauf, der Verbesserung der Datenqualität oder der Erhöhung der Nutzerfreundlichkeit (siehe Tabelle). Die Auswertung erfolgt ganz demokratisch: Aus dem rechnerischen Durchschnitt aller ergibt sich die endgültig festgelegte Gewichtung.
Hürde eins ist genommen. Jetzt einigt sich die Runde auf das Rating. Im Falle von Delphi reicht die Spanne von - 3 (significantly negative) über 0 (maintains current) bis + 3 (significantly positive). Eine Option mit hohem Sicherheits-Level bekommt beispielsweise ein hohes Rating in puncto Risikoverringerung, aber ein niedriges zur Bedienfreundlichkeit. Die Durchschnittsgewichtung, multipliziert mit dem Mittel aus dem Rating, ergibt die Höhe des Punktestands (Score) für die jeweilige Option - ihr Wertbeitrag ist damit festgelegt.
Die Vorgehensweise wiederholt sich nun bei der Frage nach den Kosten. Hier ermitteln die Diskutanten verschiedene Gewichte und Ratings bezüglich laufender und künftiger Belastungen sowie des Aufwands für die Implementierung und Instandhaltung der Optionen - für Business wie für IT. Im Unterschied zur Wertermittlung definiert der zweite Schritt, das Rating, entweder quantitative (konkrete Geldbeträge) oder qualitative Größen (etwa über die Zahl der benötigten Manntage). Sind die Kosten schwer zu ermitteln, hilft eine Relation wie Hoch-Mittel-Niedrig weiter.
Stehen die Ergebnisse, steht auch die Priorisierung der Optionen durch die Decision Engine. In ein Koordinatensystem für Wertbeitrag und Kosten übertragen, lässt sich auf einen Blick die beste Option erkennen.
Entschieden ist damit noch gar nichts. "Wir haben jetzt eine Grundlage dafür geschaffen, nun den letzten Schritt gehen zu können, nämlich die endgültige Entscheidung zu treffen", so Pardatscher. Dazu ist der Projektlenkungsausschuss gefragt. Hier müssen die Vertreter für ihre Sonderwünsche auch vor dem Vorstand eintreten - sie müssen den Business Case vorrechnen sowie die Vorarbeit an der Decision Engine erläutern.
Am Schluss wird vorgerechnet
"90 Prozent der Vorschläge sind durchgekommen", erzählt der Projektleiter. Rund zehn Prozent überwanden die letzte Hürde nicht auf Anhieb oder überhaupt nicht. In einem Fall etwa schienen dem Top-Management die zugrunde gelegten Kosten nicht plausibel.
Die Sorgfalt hat sich gelohnt. Mit ihrer Vorgehensweise ist es der Deutschen Bank gelungen, eine weltweit eingesetzte Software schlank zu halten, Insellösungen für einzelne Abteilungen und Prozesse ließen sich vermeiden. "Daraus ergeben sich eine wesentliche Verminderung der Wartungskosten und deutlich einfachere und kostengünstigere Upgrade-Möglichkeiten", sagt der Projektleiter. Nicht zuletzt herrscht nun Transparenz in den Entscheidungsprozessen mit einer verbindlichen Integration der Fachverantwortlichen.
Aus anderen Konzernen mit derselben Software hört Pardatscher von Abweichungsquoten von 60 und mehr Prozent. "Auch wir gehörten zu den 80-Prozentigern", sagt er. Das ist passé. Heute hat die Deutsche Bank für die in über 50 Ländern genutzte Software den Anpassungsgrad auf schätzungsweise 15 Prozent reduziert.