Bankenbarometer

Deutsche Banker pessimistischer als Euro-Kollegen

02.03.2012 von Ursula Pelzl
Skeptisch beurteilen deutsche Banker ihre Geschäftslage. Teure Kredite und Stellenabbau sind die Folge. Chancen bieten Firmenkundengeschäft und Retail Banking.
Schlechte Aussichten am deutschen Bankenmarkt - nur im Firmenkundengeschäft und Retailbanking erwarten Banker Lichtblicke.
Foto: Onidji - Fotolia.com

Deutsche Bankmanager bewerten ihre aktuelle operative Geschäftsentwicklung deutlich skeptischer als ihre europäischen Kollegen. Während in Europa durchschnittlich 38 Prozent der Institute uneingeschränkt zufrieden sind, geben dies in Deutschland nur 23 Prozent der Banken und Sparkassen an. Der Anteil der Pessimisten liegt aktuell höher als in jeder Befragung seit 2009. Das hat die Auswertung der Umfrage unter mehr als 500 Banken in Europa für das diesjährige "Bankenbarometer" der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young ergeben.

Zwar rechnen 86 Prozent der deutschen Kreditinstitute mit einer "eher guten" oder "sehr guten" Entwicklung ihres operativen Geschäfts in den kommenden sechs Monaten. Doch sind dies deutlich weniger als noch vor einem halben Jahr. Damals zeigten sich 98 Prozent eher positiv gestimmt. Nur Österreichs Banker sind noch vorsichtiger mit ihren Prognosen für die Zukunft.

Es gibt mehrere Gründe für die pessimistische Markteinschätzung der deutschen Teilnehmer an der Umfrage. So erwartet die Mehrheit der Banker keine Besserung der Lage an den Finanzmärkten und nur jeder vierte Bankmanager prognostiziert eine Aufhellung des Geschäftsklimas in Deutschland. Auch fürchten sie den Ausfall staatlicher Schuldner in Europa mit erheblichen negativen Folgen für den deutschen Bankensektor.

Dass gerade die deutschen Institute so skeptisch in die Zukunft blicken, erklärt Dirk Müller-Tronnier, Leiter Banking & Capital Markets bei Ernst & Young so: "Die Staatsschuldenkrise hängt derzeit wie ein Damoklesschwert über der Bankenlandschaft. Das hemmt die Zuversicht und lässt die Branche vorsichtiger werden. Kein Zweifel: Die Banken stellen sich auf unruhige Zeiten ein."

Steigendes Insolvenzrisiko verteuert und verringert Kredite

Angesichts der ungewissen Konjunkturaussichten richten sich die Geldinstitute europaweit auf steigende Kreditausfälle ein. Über alle Branchen hinweg sehen die Banker in Deutschland und den europäischen Nachbarländern steigende Insolvenzrisiken. Dementsprechend wollen die Institute auch die Kreditvergabe tendenziell drosseln - in Deutschland aber weniger stark als im europäischen Ausland.

Stresstests und neuen Regulierungsvorgaben bleiben nicht ohne Folgen. 55 Prozent der deutschen Banken erwarten Einschränkungen in der Kreditbereitstellung an Unternehmen durch Kapital- und Liquiditätsbeschränkungen infolge von Stresstests, 20 Prozent sogar in erheblichem Umfang. Europaweit rechnen 68 Prozent mit messbaren negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe.

Die Erhöhung der Mindesteigenkapitalanforderungen und die Einführung von Kapitalpuffern nach Basel III zeigen ebenfalls bereits Auswirkungen. 71 Prozent der deutschen Bankinstitute gehen davon aus, dass durch das neue Regulierungspaket die Kreditkosten für Unternehmen steigen werden (71 Prozent) und die Rentabilität der Banken sinkt (65 Prozent). Die Vorbereitung auf Basel III steht daher für 63 Prozent der deutschen Institute auf der Top-Prioritätenliste; im europäischen Durchschnitt summieren sich die Antworten auf 58 Prozent.

Den ersten Platz auf der Skala der wichtigsten Aufgaben in den kommenden sechs Monaten belegt europaweit jedoch das Risikomanagement. 65 Prozent der deutschen und 58 Prozent der europäischen Institute wollen sich diesem Thema verstärkt widmen. Die deutschen Institute stellen allerdings die Prozessoptimierung mit 67 Prozent noch ein wenig höher an. In den anderen europäischen Ländern wollen 43 Prozent der Banker ihr Augenmerk auf die internen Prozesse lenken. Kostensenkungen werden 47 Prozent der deutschen Institute und jede zweite europäische Bank in Angriff nehmen.

Lichtblick Firmenkundengeschäft und Retail Banking

Gute Ergebnisse erwarten Bankmanager derzeit im Firmenkundengeschäft: 50 Prozent rechnen mit einer uneingeschränkt positiven Entwicklung. Vor einem halben Jahr lag der Anteil bei 34 Prozent. Neben dem Firmenkundengeschäft versprechen sich die Bankmanager auch vom Retail Banking überdurchschnittlich gute Wachstumschancen. 47 Prozent sehen gute Perspektiven nach nur 28 Prozent vor einem halben Jahr. Mit guten Geschäften rechnen die deutschen Banken in den kommenden sechs Monaten insbesondere bei privaten Immobilienkrediten und Privatdarlehen.

Für Müller-Tronnier ist der optimistische Ausblick in diesen Geschäftsbereichen kein Widerspruch zu den ansonsten skeptischen Prognosen: "Bei Banken, die sich in erster Linie auf deutsche Privat- und Firmenkunden konzentrieren, bietet das operative Geschäft derzeit wenig Grund zur Klage. Fakt ist: Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich sehr positiv entwickelt, Einkommen und Beschäftigung steigen. Und die europäische Staatsschuldenkrise ist bislang kaum bei den deutschen Unternehmen angekommen. Wenn überhaupt, erleben wir derzeit eine ‚Krise light‘, also eine leichte Schwächephase auf sehr hohem Niveau."

Beschäftigungsabbau bei deutschen Banken

Jede zweite Bank sieht gute Chancen im Firmenkundengeschäft.
Foto: Ernst & Young

Während die Kreditinstitute in den meisten europäischen Ländern neue Mitarbeiter einstellen wollen, setzen deutsche Banker den Rotstift an. 23 Prozent rechnen mit einem Beschäftigungsabbau. Nur zwölf Prozent wollen die Zahl der Mitarbeiter aufstocken. Damit ist im deutschen Bankensektor tendenziell mit einem Rückgang der Beschäftigung zu rechnen - nach Aussagen der befragten Banker vor allem im Bereich Technologie/technische Infrastruktur.

Mit Ausnahme von Deutschland und Spanien planen in allen untersuchten europäischen Ländern die Banken insgesamt, die Beschäftigung auszuweiten - insbesondere im Vertrieb. Besonders hoch ist der Anteil an Banken, die zusätzliche Mitarbeiter einstellen wollen, in Frankreich und Großbritannien.

Über das Bankenbarometer

Das "Bankenbarometer" der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young basiert auf einer telefonischen Befragung von Führungskräften in mehr als 500 Banken in Europa. Das unabhängige Bielefelder Marktforschungsinstitut Valid Research hat je 50 Bankmanager in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, in Österreich, Polen, Spanien und in den skandinavischen Ländern befragt.