Dass der aktuelle "eGovernment-Monitor" der Initiative D21 und der Technischen Universität München an einem Freitag den 13. veröffentlicht wurde, hat fast schon Symbolcharakter. Denn nach wie vor liegt vieles im Argen bei der Digitalisierung von Behörden und Verwaltung in Deutschland. Wie schon in den vergangenen Jahren legt die Studie, für die gut 8.000 Deutsche im Mai vom Meinungsforschungsinstitut Kantar befragt wurden, gravierende Defizite im Online-Angebot der öffentlichen Verwaltung offen. Zwar machten die Behörden kleine Fortschritte, doch bei den Menschen kommt davon wenig an, so ein Kernergebnis der Umfrage.
Die Zahl der Nutzer von digitalen Verwaltungsleistungen in Deutschland steigt nur langsam. 56 Prozent der Befragten gaben an, hierzulande in den vergangenen zwölf Monaten E-Government-Angebote genutzt zu haben. Das sind gerade einmal zwei Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. Seit Jahren dümpelt der Nutzeranteil um die 50-Prozent-Marke. Davon, dass die Digitalisierung der Behörden richtig Fahrt aufnehmen würde, kann also keine Rede sein. Ginge es in diesem Tempo weiter, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis man von einer flächendeckenden E-Government-Nutzung sprechen könnte.
Vertrauen in den Staat erodiert weiter
Die Verwaltung schafft es immer weniger, den Erwartungen der Menschen zu entsprechen, lautet das Fazit der Studienautoren. Sieben von zehn Befragten sehen einen Mehrwert in E-Government-Angeboten und würden entsprechende Dienste gerne nutzen. Doch 42 Prozent sind mit dem derzeit Gebotenen nicht zufrieden. Das hat Folgen: Das Vertrauen der Menschen in den Staat sinkt. Nur noch gut ein Drittel (35 Prozent) glaubt an die Leistungsfähigkeit der Institutionen und Einrichtungen. Das sind drei Prozentpunkte weniger als noch vor einem Jahr.
Weniger Geld für digitale Verwaltung: Bundesregierung spart bei der Digitalisierung
Gründe für die Unzufriedenheit gibt es viele. 61 Prozent der Befragten nutzen keine oder wenige E-Government-Angebote, weil ihnen gar nicht klar ist, ob eine benötigte Leistung überhaupt online angeboten wird. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) moniert, dass sich nicht jeder Behördenvorgang online abwickeln lässt. Die unklare Kommunikation über digitale Verwaltungsdienste (37 Prozent) sowie unübersichtliche Internet-Seiten der Behörden (36 Prozent) sind weitere Kritikpunkte.
Ein wesentlicher Grund für die Vertrauenserosion ist auch die Tatsache, dass wichtige Hebelprojekte nicht funktionieren. Beispiel: digitale Identitäten. Seit 13 Jahren gibt es die Möglichkeit, sich im Netz über die Online-Funktion des Personalausweises rechtssicher zu identifizieren. Doch gerade einmal 14 Prozent der im Rahmen des aktuellen eGovernment-Monitors befragten Deutschen nutzen diese Chance.
Menschen sehen keine Vorteile
Der Hauptgrund für das Desinteresse liegt darin, dass die Menschen keine Anwendungsmöglichkeiten kennen. Das geben 38 Prozent der Befragten an. Gut ein Fünftel erklärt, keinen Vorteil in der Nutzung erkennen zu können. Dazu kommt der aus Sicht vieler Deutschen zu komplizierte Aktivierungsprozess. Zwar werden die Ausweiskarten mit aktiver Online-Funktion ausgegeben. Scharf geschaltet wird die Möglichkeit der Online-Nutzung aber erst durch die Eingabe einer PIN. Das haben allerdings nicht einmal ein Drittel (30 Prozent) getan.
Funktioniert aber die digitale Identifikation nicht, lassen sich auch viele Behördengänge nicht online erledigen, heißt es in der Studie. Deshalb werden viele digitale Behördengänge abgebrochen. Professor Helmut Krcmar von der TU München spricht von einem Teufelskreis, den es zu durchbrechen gelte. "Die Ausweisinhaberinnen und -inhaber nutzen die Online-Ausweisfunktion kaum, weil es wenig nutzbare und für sie nützliche Dienste gibt, und die Dienste selbst binden die Online-Ausweisfunktion nicht konsequent genug ein."
Es gibt etliche weitere Gründe, warum der deutsche E-Government-Motor immer noch stottert. Nur zwei Drittel der Befragten glaubt, über die notwendigen digitalen Kompetenzen zu verfügen, um E-Government-Dienste überhaupt richtig nutzen zu können. Parallel steht die Forderung nach einfach nutzbaren Services im Raum. 36 Prozent der Befragten sehen es nicht ein, sich für die digitale Abwicklung von Behördendiensten neue Kompetenzen anzueignen.
Digitaler Staat - so einfach wie Amazon und Netflix
Die Forderung ist klar. Eine Mehrheit (63 Prozent) verlangt von der deutschen Verwaltung, dass ihre digitalen Dienste genauso einfach in Anspruch genommen werden können, wie das bei privaten Angeboten der Fall ist. Der digitale Staat soll also genauso simpel bedienbar sein wie Amazon oder Netflix.
Davon sind die Behörden weit entfernt. 59 Prozent sagen, der Kontakt mit Behörden und Ämtern werde als "sehr anstrengend" empfunden - fünf Prozentpunkte mehr als noch im vergangenen Jahr. Nur zwölf Prozent finden, dass der Staat ihr Leben leichter macht.
Auch in den vergangenen Jahren war die Unzufriedenheit mit den E-Government-Angeboiten in Deutschland groß:
eGovernment-Monitor 2022: Frust über deutsche Verwaltung wächst
eGovernment-Monitor 2021: Behörden vermasseln die Digitalisierung
Die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger kumuliert in der "digitalen Nutzungslücke". Der eGovernment Monitor definiert damit eine Kennzahl, die misst, wie viele Menschen zwar einen Bedarf an einer bestimmten Leistung haben, diesen aber noch analog abwickeln, statt den digitalen Weg zu wählen. "Die Nutzungslücke ist mit 35 Prozent in Deutschland weiterhin viel zu groß", konstatiert Krcmar von der TU München. Sie zu schließen, sollte für alle höchste Priorität haben, da sich nur so die dringend notwendigen Effizienzeffekte realisieren ließen.
Nancy Faeser verspricht viel, hält aber wenig
Bundesinnenministerin Nancy Faeser macht derweil gute Miene zum bösen Spiel. "Unser Staat wird Schritt für Schritt digitaler, das ist immer deutlicher sichtbar", stellte die Politikerin im Widerspruch zu den Umfrageergebnissen fest. "Wir wollen das Leben der Menschen leichter machen, wertvolle Zeit sparen, der Zettelwirtschaft ein Ende bereiten und Behördengänge vermeiden." Zukünftig könnten digitale Anträge deutschlandweit über die BundID als zentrales Bürgerkonto gestellt werden, versprach Faeser.
Derartige Versprechen gab es in der Vergangenheit immer wieder - gehalten wurden sie zu oft nicht. Im letzten Jahr versprach Faeser, dass künftig das Smartphone für eine sichere Identifizierung ausreichen soll. Der Online-Ausweis werde einfach im Smartphone gespeichert sein, hieß es. Davon ist derzeit keine Rede mehr. Auch der BundID könnte ein ähnliches Schicksal blühen. Laut der aktuellen E-Government-Studie können gerade einmal 16 Prozent der Befragten etwas mit diesem Begriff anfangen. (ba)