Hier will jeder mit Hochdruck die nächste Milliarde machen, mit neuen Ideen für die Zukunft. Darauf wetten die Investoren, hier investieren sie. In der Hoffnung, dass sie eines der wenigen Startups finanziert haben, die es dann letztendlich auch zum "Unicorn" schaffen, zu den mit über einer Milliarde Dollar bewerteten Tech-Startups. Das lockt Gründer, vor allem aus dem Hightech-Bereich, und Investoren gleichermaßen in das Tal der Verheißung südlich von San Francisco (vulgo Silicon Valley).
An keinem Ort der Welt wird mehr Wagniskapital vergeben als hier (forget China, forget Israel), nirgendwo sonst gibt es so viele Startups (über 60.000 – in Berlin sind es um die 2000). Von 151 "Unicorns" in den USA sind 36 in San Francisco, 34 in der Bay Area und weitere zwölf im restlichen Kalifornien angesiedelt (Quelle: Global Unicorn Club, Stand 10. Januar 2019). Bald sollen weitere folgen, im Lokaljargon daher "Soonicorns" genannt. Die Wirtschaft rechnet hier im laufenden Jahr mit 1000 neuen Millionären.
Auf dieses Geschäftsklima ließen sich über 20 Manager aus IT und Business auf ihrer Studienreise ins Silicon Valley für eine Woche ein. Im Rahmen des Leadership Excellence Program (LEP) von IDG Business Media, WHU Otto Beisheim School of Management und DXC Technology erfuhr die Delegation hautnah, wie das Valley tickt ("Speed"), wie man hier Business macht ("Scalability") und wie Startups an Geld kommen ("Seed Capital"). Das Auslandsmodul bildete den zweiten Teil des LEP, das im Oktober des Vorjahrs mit dem fünftägigen Basismodul "Leadership in der Digitalisierung" am WHU-Campus in Düsseldorf begann.
Neben zahlreichen Firmen besuchten die Manager die German American Chamber of Commerce (GACC) sowie das Institute for the Future und lernten unterschiedliche Investitionsmodelle sowie Inkubatoren kennen. Auf dem Programm standen unter anderem etablierte Firmen wie Salesforce (San Francisco), Facebook (Menlo Park) sowie ein großer Computerspiele-Hersteller, Startups wie Cognigy, das Unicorn C3 und mehrere Venture-Capitalists. Beim Inkubator Plug and Play in Sunnyvale erlebten die Teilnehmer, wie sich Startups in zehnminütigen Pitches potenziellen Investoren präsentieren und wie Geldgeber, etablierte Firmen und Gründer zusammenarbeiten.
Die Maxime ist "fail harder"
Egal ob in den Startups oder etablierten Unternehmen, immer wieder fielen die Begriffe Offenheit und Transparenz. Informationen sind Wissen, und das teilt man gerne, auch mit Außenstehenden oder Mitbewerbern. Denn das gemeinsame Ziel ist es, besser zu werden, und zwar schnell. "Es geht um Schnelligkeit, deshalb müssen alle offen sein", fasste es ein LEP-Teilnehmer zusammen. Und damit es schnell vorangeht, sind Fehler kein Makel, sondern gehören zum Lernen. "Fail harder" ist denn auch besser als "fail hard" und "pivoting" (Strategiewechsel) gehört zum Alltag.
Dieses Geschäftsklima überzeugte auch Sascha Poggemann. Der junge Gründer ging mit seinem Startup Cognigy aus Düsseldorf in die USA und etablierte in San Francisco ein zweites Standbein, um an Venture Capital zu kommen. Erfolgreich. Die nächste Finanzierungsrunde für die KI-basierte Konversationsplattform läuft, der nächste Wachstumsschritt steht kurz bevor: Die Company will ihre Mitarbeiterzahl von derzeit 28 weiter aufstocken. Die LEP-Teilnehmer waren überrascht, dass das Startup vergleichsweise viele Führungskräfte gleich zu Anfang an Bord geholt hat. Darauf der gründungserfahrene Poggemann – es ist sein zweites Startup: "Leadership braucht man früh, sonst macht am Ende jeder alles und das ist Gift für eine Company."
Von Leadership und Employee Empowerment
In Sachen Leadership erfuhren die Manager ebenfalls interessante Ansätze. "Führungskräfte sind hier eher Coaches", stellte eine Teilnehmerin fest. Mirko Herdt, Global Head of IT bei der Schweizer Bomatec, war beeindruckt von der offenen Firmenkultur im Silicon Valley: "Gerade im Zeitalter der Digitalisierung muss ein modernes Mindset von der Führungsebene vorgelebt werden, damit sich eine ganze Organisation auf neue Herausforderungen in diesen Zeiten einlassen kann."
Auch zum Thema "Employee Empowerment" nahmen die LEPler viele Anregungen mit nach Hause: Mitarbeiter über Aktien am Unternehmen zu beteiligen (als Gehaltsbestandteil oder Bonus) und so zu Miteigentümern zu machen, ist in den US-Tech-Companies gängige Praxis. Das sorgt nicht nur für Identifikation und Motivation, sondern auch für eine höhere Loyalität. In manchen US-Firmen wiederum können sich die Mitarbeiter die Projekte und Chefs aussuchen, für die sie arbeiten wollen.
Nicht alle Eindrücke waren positiv: Ernüchtert zeigten sich die Manager beispielsweise von der schlechten Infrastruktur in den USA (Schlaglöcher in den Highways, dreckige Straßen, großes Obdachlosenproblem), den hohen Mieten (Ein-Zimmer-Apartments im Valley gibt es nicht unter 2500 Dollar) und der um zwei Jahre gesunkenen Lebenserwartung der Amerikaner. Auch die immensen Summen, die hier von den Investoren "verbrannt" werden, schockierten. Das Mindset ist klar auf die Zukunft gerichtet und auf das, was möglich ist – koste es, was es wolle. Geld wird hier in die Zukunft investiert, nicht in die Infrastruktur.
The future started yesterday
Apropos Zukunft: Matthias Mehrtens, Honorarprofessor und zuletzt CIO von Kärcher, sagt, ihm würden zwei Sätze im Gedächtnis bleiben, die er beim Besuch des Institute for the Future gehört hat: "The future started yesterday, and we are already late" und "Any useful statement about the future should at first seem ridiculous". Letzteres müsse so sein, sonst sei es keine echte Vision.
Michael Sonne, CIO des Immobilienportals Planethome, findet, Deutschland könne vom Valley noch viel lernen und den Perfektionismus an der einen oder anderen Stelle einmal hintanstellen: "Es muss nicht immer eine 100-Prozent-Lösung herauskommen." Gerade um dafür in deutschen Unternehmen größeres Verständnis zu wecken, hält er eine LEP-Teilnahme nicht nur für CIOs oder CDOs für empfehlenswert, sondern auch für Vertreter von Fach- und Zentralbereichen, "die oft 100-prozentige Lösungen verlangen".
KI-Startups sammeln Kapital ein
Was können sich etablierte Unternehmen von den Ideenschmieden im Silicon Valley abschauen? Einiges, findet Markus Maas, Director Business Solutions and Digital (DACH) bei L’Oréal. Aber sie sollten sich im Vorfeld eine klare Strategie überlegen, "um sich in der Menge der Möglichkeiten nicht zu verrennen". Auch für Max Ruhwinkel, Director Group Customer IT bei der Vaillant Group, hat sich die Reise über den Atlantik gelohnt. Der promovierte Betriebswirt freut sich über den "eindrucksvollen Blick in die Zukunft", den das Programm geboten habe. Er lobt die perfekte Kombination aus Theorie, Praxis und Networking.
Und wohin geht die Reise der IT-Companies im Silicon Valley? Eindeutig Richtung künstliche Intelligenz (KI). Seit 2013 sind die US-Investitionen in Startups rund um KI von 1,1 auf 9,3 Milliarden Dollar im Jahr 2018 gestiegen. Egal wo die LEP-Reisenden ankommen, "Artificial Intelligence" ist in aller Munde. "Nicht ein einziges Mal fiel der Begriff Blockchain", kommentiert Christian Ammer, CIO der Wirtschaftskanzlei Noerr.
Das Leadership Excellence Program geht weiter ...
In diesem Sinne beschäftigt sich auch das nächste LEP-Modul mit dem Thema AI: Im Vorfeld zu unserer Konferenz "AItomation" in Hamburg findet ein neues Tagesmodul "Building a strategic perspective on innovation" statt - am 9. Mai 2019 Wenn Sie teilnehmen wollen, melden Sie sich gerne bei Carolin Hagl: chagl@idg.de.
Am 11. November startet dann der 8. Jahrgang des LEP mit dem Basismodul in Düsseldorf und dem nächsten Auslandsmodul im Frühjahr 2020 (Destination wird demnächst bekanntgegeben, derzeitiger Planungsstand ist Israel). Alle Informationen finden Sie auf www.leadership-excellence-program.de.