Wenn ausländische Investoren eine deutsche Firma aufkaufen, sorgt das immer wieder für Unruhe. Sind da Arbeitsplätze in Gefahr, geht deutsches Wissen verloren? Ein Blick auf den Handel zeigt hingegen, dass solche Aufkäufe seit langem Normalität sind. Ein Überblick (in alphabetischer Reihenfolge):
BECK'S: Die Bremer Brauerei wurde 2002 von der belgischen Interbrew-Gruppe (Stella Artois, Hoegaarden) aufgekauft, die heute als AB Inbev formiert. Immerhin 1,8 Milliarden Euro sollen dabei als Kaufpreis geflossen sein.
FLEX: Das Verb "flexen" steht längst im Duden, es bedeutet trennschleifen. Die Firma Flex geht auf einen vor knapp 100 Jahren gegründeten Schleifmaschinen-Hersteller aus Stuttgart zurück. Das Unternehmen war Teil des US-Konzerns Stanley Black & Decker, vor drei Jahren folgte die Übernahme der 250-Mann-Firma durch den chinesischen Elektrowerkzeughersteller Chevron.
LANGNESE: "Like Ice in the Sunshine" - dieser Song wurde in den 1980ern zum Werbe-Hit für die deutsche Eiscreme-Sorte, die seit 1935 Teil des niederländisch-britischen Unilever-Konzerns ist. Produziert wird in Heppenheim, wo nach Firmenangaben die größte Eisfabrik Europas steht - pro Jahr werden dort 1,5 Milliarden Portionen Eis hergestellt.
LEITZ: Der Aktenordner des traditionsreichen Stuttgarter Unternehmens ist nicht wegzudenken aus deutschen Büros, wenngleich der Bedarf wegen der zunehmenden Digitalisierung gesunken sein dürfte. Die Firma war in den 1990er Jahren vom schwedischen Konzern Esselte gekauft worden, der wiederum Anfang des Jahrtausends an US-amerikanische Investoren ging. "Made in Stuttgart" sind die Ordner seit gut einem Jahr nicht mehr. Grund für die Produktionseinstellung: gestiegener Kostendruck und hohe Lohnkosten. Ein Teil der Fertigung ging an einen Esselte-Standort im niedersächsischen Uelzen, andere Teile wurden nach Polen und Tschechien verlagert.
KNORR: Gewürzmischungen und Salatsoßen von Knorr sind seit 2000 Teil von Unilever, deutsche Knorr-Standorte gibt es aber noch in Auerbach (Sachsen) und Heilbronn (Baden-Württemberg).
METABO: Elektrowerkzeuge stellt auch Metabo her, etwa Bohrer. Das Unternehmen aus Nürtingen hat einige Eigentümerwechsel hinter sich, so übernahm der französische Investor Chequers Capital 2012 die Mehrheit. Ende 2015 schlüpften die Schwaben unter das Dach des japanischen Branchenriesen Hitachi Koki. Metabo beschäftigt weltweit 1800 Mitarbeiter bei einem Jahresumsatz von etwa 400 Millionen Euro (2015).
MONKEY 47: Erst 2009 gegründet, schnellten die Absatzzahlen der Gin-Destillerie Black Forest Distillers nach oben. Anfang des Jahres wurde die Mehrheit des Schwarzwälder Unternehmens an den französischen Spirituosen-Riesen Pernod Ricard verkauft. In deutscher Hand ist die Firma aber insofern weiter, als Gründer Alexander Stein Firmenchef bleibt - er hält als Gesellschafter noch die Minderheit an dem Unternehmen. Stein betont die besseren weltweiten Vertriebsmöglichkeiten über das Pernod-Ricard-Netz. Die Produktion verbleibe im Schwarzwald, dies sei vertraglich zugesichert worden.
PENATEN: Die Creme zählt zu den bekanntesten deutschen Pflegeprodukten, auch in der Babypflege. Vor drei Jahrzehnten ging die Firma aus Nordrhein-Westfalen an den US-Riesen Johnson & Johnson, zur Jahrtausendwende wurde die Produktion nach Italien und Frankreich verlagert.
TEMPO: Deutschlands meistgekauftes Papiertaschentuch ist formal gesehen schwedisch - 2007 griff der Konzern Svenska Cellulosa (SCA) zu und übernahm das europäische Hygienepapier- und Taschentüchergeschäft des US-Unternehmens Procter & Gamble. Davon betroffen war auch das Tempo-Werk im nordhessischen Witzenhausen.
UHU: Die Firmengeschichte des Klebstoffherstellers Uhu geht bis ins Jahr 1886 zurück, als ein Apotheker eine Chemiefabrik im nordrhein-westfälischen Bühl startete. Seit 1994 gehört Uhu zum US-Konzern Bolton Group.
Was sagen Experten?
Thomas Harms von der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) hält es für normal, dass deutsche Hersteller von ausländischen Konkurrenten aufgekauft werden. "Durch die Bündelung der Kräfte werden Kosten gespart und man nimmt am Konzernwachstum teil, was wiederum Arbeitsplätze auch in Deutschland sicherer macht." Zudem werde das Vertriebsnetz deutlich vergrößert.
Man dürfe solche Übernahmen nicht national verklären, meint Harms. Bisweilen seien Firmen einfach zu klein, um auf Dauer im zunehmend globaleren Wettbewerb bestehen zu können - "es geht dann also eher um die Frage, ob man auf lange Sicht pleitegeht oder Tochter eines internationalen Großkonzerns wird". Der Markenwert eines Produkts werde nicht beschädigt. "Beck's ist immer noch ein deutsches Bier mit Braumeistern in Deutschland, egal wer die Eigentümer sind."
Auch Peter Kulitz von Baden-Württembergs Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) hält Bedenken wegen solcher Übernahmen für unangemessen: "Deutschland profitiert enorm von der Globalisierung, unsere Firmen kaufen in anderen Staaten andere Firmen - also können doch ausländische Unternehmen auch hierzulande aktiv werden." (dpa/ad)