Schluss mit heimlich

Deutsche Radarfirma ortete US-Tarnkappenbomber

21.10.2019
Der amerikanische Tarnkappenbomber F-35 ist für konventionelle Radarsysteme unsichtbar. Doch hat ein deutsches Unternehmen mit neuer Technik den Jet aufgespürt. Der in Militärkreisen viel beachtete Coup gelang schon vergangenes Jahr.

Auftritt F-35 Lightning II: Der Tarnkappenbomber des US-Herstellers Lockheed Martin war auf der Berliner Luftfahrtausstellung ILA 2018 eine der Attraktionen. Es sei der erste Deutschland-Besuch des "weltweit einzigen Mehrzweck-Kampfjets der fünften Generation mit überragender Leistungs- und Überlebensfähigkeit", teilte das Rüstungsunternehmen mit. Das wohl wichtigste Merkmal des Jets ist "Stealth": die Unerkennbarkeit für konventionelle Radarsysteme.

Die Tarnkappentechnik der F-35 ist niocht so perfekt, wie gedacht.
Foto: jgorzynik - shutterstock.com

Auch der deutsche Radarhersteller Hensoldt stellte ein Highlight aus. Die Bayern präsentierten ihr neues Passivradar TwInvis der Öffentlichkeit. Es sendet keinen eigenen Radarstrahl aus, sondern misst Veränderungen ("Anomalien"), im üblichen Frequenzspektrum des Raums, um sich in der Luft bewegende Metallkörper abzubilden. "Sehen ohne gesehen zu werden", lautet die Produktbeschreibung. Fotos zeigen einen Antennenkranz am Hebearm eines Kastenwagens.

Verfolgung über 150 Kilometer

Zum Ende der Messe packten die Hensoldt-Ingenieure ihre Technik ein und fuhren auf einen Reiterhof am Rande von Berlin, berichtete die US-Publikation "C4ISRNet" im September. Die einmalige Gelegenheit wollte sich Hensoldt nicht entgehen lassen. Schließlich kann man Tarnkappenbomber nicht für Versuchszwecke mieten. Über 150 Kilometer habe Hensoldt nach eigenen Angaben die Spur der Jets verfolgt, heißt es in dem US-Bericht. Auf eine Flugvorführung in Berlin hatten die F-35-Crews damals verzichtet. Allerdings mussten sie wieder in die Heimat zurückfliegen.

Ein Sprecher des deutschen Unternehmens erklärte der Deutschen Presse-Agentur, die Vorgänge seien "weitgehend korrekt dargestellt". Das Potenzial von Passivradar sei bekannt. Auch Amerikaner, Russen und Chinesen forschen am Passivradar. Die US-Seite hat sich nach den Berichten über die Enttarnung nicht bei Hensoldt gemeldet.

Stealth-Jets haben eine spezielle Geometrie. Ihre Flächen sind in besonderen Winkeln angeordnet, um kein Signal zurückzuwerfen. Ein konventionelles, hochfrequentes Radar erhält so ein zu geringes Echo. Dazu trägt auch eine besondere Beschichtung des Flugzeugs aus einem radarabsorbierenden Material bei.

Allerdings gibt es im Luftraum einen Teppich von Signalen. Auch mit Stealth-Technik verformt das Flugzeuge diese. Das Passivradar fängt diese Veränderungen auf und bildet sie ab. Dass dies theoretisch möglich sein müsste, war lange bekannt. Allerdings fehlte es an Rechenleistung, um die schwachen und diffusen Signale auszuwerten.

Revolution der Radartechnik

Fachleute jubeln geradezu. Mit der neuen Technik trete Hensoldt an, die Radartechnologie zu revolutionieren, schrieb der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) 2018. "Durchbruch: Unsichtbare Überwachung des Luftraums" lautete die Überschrift. "Da die fehlende Strahlung das Radar praktisch unsichtbar macht, kann es von Gegnern weder entdeckt noch gestört werden", erklärte der Verband.

"Anstatt eigene Signale auszusenden, nutzt es die Signalechos bereits vorhandener Fremd-Sender. Das können etwa Rundfunk- oder Fernsehsender sein, deren Wellen ebenfalls von Flugzeugen reflektiert werden. TwInvis erfasst diese reflektierten Signale und ortet Flugzeuge entsprechend", so der BDLI. "Dabei verarbeitet das Passivradar Signalechos, die Milliarden Mal schwächer sind als die ursprünglichen Signale. Mit einem einzigen TwInvis können so bis zu 200 Flugzeuge in einem Umkreis von 250 Kilometern in 3D überwacht werden."

Interesse an der Technik haben aber auch zivile Flugsicherheitsbehörden. Passivradar strahlt nicht ab. Es kann also in jedem bewohnten Gebiet aufgestellt werden und belegt keinen Frequenzplatz. Zwei Geräte sollen es nach Angaben von Fachleuten möglich machen, einen sehr großen Raum zu überwachen. Passivradar ist auch für Gebirgslandschaften geeignet und könnte so künftig Lücken schließen. Hensoldt arbeitet an einem markverfügbaren Gerät in Serienproduktion und hofft, im kommenden Jahr die Zertifizierungen bekommen zu können. (dpa/ad)