Umfrage von Pivotal

Deutsche Software-Entwickler sind Weltspitze

05.10.2018 von Heinrich Vaske
In seinem "Built to Adapt Benchmark" hat der Enterprise-Software-Hersteller Pivotal Unternehmen aus fünf Branchen und sechs Ländern in ihrer Fähigkeit bewertet, Software zu entwickeln. Deutschland liegt in den meisten Kategorien an der Spitze.
Die meisten Entwickler müssen sich zu stark mit Altanwendungen beschäftigen und haben kaum Zeit für neue, innovative Produkte.
Foto: dotshock - shutterstock.com

Im Zuge des digitalen Wandels erklären viele Unternehmen die Software-Entwicklung zu einer Kernkompetenz. Je schneller und besser die Entwicklungsprozesse laufen, desto innovationsfähiger und wertvoller sind die Unternehmen. Vor diesem Hintergrund hat das Software- und Dienstleistungsunternehmen Pivotal die Leistungen der Entwicklungsteams in den USA, Großbritannien, Australien, Japan, Singapur und Deutschland vergleichen lassen.

Die beauftragten Marktforscher kamen von zwei Instituten: Die Analysten von Longitude (Research-Sparte der Financial Times) führten ihre Umfrage im August und September 2017 durch, die Auguren von Ovum gingen zwischen Oktober 2017 und Juni 2018 in eine zweite Runde. Dabei wurde auch nach Branchen unterschieden: Die Analysten konzentrierten sich auf Banken, Versicherungen, den Handel, Telekommunikation und - sofern in den Ländern vorhanden - Automotive. Gefragt wurden 1659 IT-Executives in unterschiedlichen Rollen, darunter CIOs, CTOs, CDOs, CISOs sowie Leiter der Software-Entwicklung.

Fünf Kriterien für gute Software-Entwicklung

Laut Studie ist die Leistungsfähigkeit der Software-Entwicklung mithilfe von fünf Kernelementen messbar: Geschwindigkeit, Stabilität, Skalierbarkeit, Sicherheit und Kostenflexibilität. In Sachen Geschwindigkeit liegen die deutschen Entwickler auf dem zweiten Platz hinter ihren US-Kollegen. Was etwa die Reaktionsfähigkeit angeht, erhalten hierzulande 43 Prozent der Softwareteams innerhalb eines Tages Feedback zu ihren Entwicklungsfortschritten von Anwendern beziehungsweise Kunden. Nur in den USA gelingt das noch besser, dort bekommen 52 Prozent binnen 24 Stunden Rückmeldung.

Weit über dem Durchschnitt liegen deutsche Devs, wenn es gilt geschäftskritische Anwendungen nach dem Deployment möglichst schnell in den produktiven Betrieb zu überführen. Das dauert hierzulande etwas weniger als einen Tag, im globalen Durchschnitt aber 7,3 Tage. Ein neues Feature in eine kundenorientierte Anwendung zu integrieren - zum Beispiel die Möglichkeit von Kreditkartenzahlungen mit biometrischer Authentifizierung - kostet hiesige Betriebe 4,8 Tage. Das ist halb solange wie im weltweiten Durchschnitt. Zudem sind deutsche Softwareteams diejenigen, die am häufigsten neuen Code bereitstellen: 72 Prozent schaffen das mindestens einmal täglich.

Geht es um Stabilität, sind technische Verzögerungen aufgrund von Fehlern bei neuen Releases oder Updates den Marktforschern zufolge der geeignete Beurteilungsmaßstab. Hierzulande treten solche Störungen in 19 Prozent aller Fälle ein, international bei 20 Prozent. Besser als der Durchschnitt sind in Deutschland vor allem die Branchen Telekommunikation (17 Prozent) und Handel (15 Prozent).

Ein weiterer Aspekt ist die Skalierbarkeit, worunter Pivotal in erster Linie eine skalierbare Infrastruktur und den Status quo in Sachen Cloud-Adaption versteht. "Wenn mehr als die Hälfte der Anwendungen eines Unternehmens Cloud-nativ sind - das heißt in die Cloud integriert oder migriert werden, wobei mehr als 50 Prozent der Test-, Bereitstellungs- und Überwachungsvorgänge automatisiert sein müssen - kann von hoher Skalierbarkeit und Flexibilität der Anwendungen die Rede sein", so die Marktforscher. Hier hinkt Deutschland hinterher.

Die Unternehmen hierzulande haben die geringste Verbreitung von Cloud-Infrastrukturen in allen untersuchten Ländern: Weniger als ein Drittel der Anwendungen befinden sich in der Cloud (31 Prozent), verglichen mit 45 Prozent in den USA. Der deutsche Einzelhandel fällt besonders stark ab. Er betreibt weniger als ein Viertel seiner Anwendungen in der Cloud. Zum Vergleich: In den USA sind bereits 54 Prozent der Anwendungen in der Cloud.

Nicht unerwartet führt Deutschland dagegen den Benchmark in Sachen Sicherheit an. Hierzulande melden die Unternehmen die wenigsten sicherheitsbedingten Unterbrechungen. Nur zwölf Prozent berichteten im vergangenen Jahr von mehr als elf Verzögerungen in der Entwicklung aufgrund von Sicherheitsbedenken - verglichen mit 33 Prozent der US-Unternehmen.

Auch bezüglich der Kosten schlagen sich deutsche Unternehmen wacker. Hierunter fallen etwa die Menge der Softwarelösungen pro Entwickler, das Mengenverhältnis von Devs- und Ops-Personal, die Relation zwischen der Neuentwicklung und der Wartung/Reparatur von Software oder auch die Budgetflexibilität. Gerade bei letzterem Aspekt können deutsche Unternehmen auftrumpfen: 23 Prozent der hiesigen Firmen bezeichnen ihre IT-Budgets als "hochflexibel", so dass sie jederzeit angepasst und neue Vorhaben einfach initiiert werden könnten. Weltweit bestätigen dies nur 19 Prozent der Befragten, in den USA leidglich 16 Prozent.

Deutsche Entwickler arbeiten zudem an mehr Anwendungen parallel als ihre Kollegen und verbringen 37 Prozent ihrer Zeit mit dem Schreiben von Code für neue Produkte und Funktionen. Der Rest entfällt auf die Wartung und Verbesserung von altem Code. Im internationalen Durchschnitt können Entwickler 35 Prozent ihrer Zeit auf neuen Code verwenden.

US-Entwickler auf Cloud-Kurs

Blickt man auf die anderen Nationen, so fällt auf, dass die Amerikaner besonders schnell sind, wenn es um Anwender-Feedback geht, dass sie überdurchschnittlich viel Zeit auf die Entwicklung neuer Software verwenden können und dass die Cloud-Migration weiter fortgeschritten ist als in allen anderen Ländern. In Sachen Sicherheit hängen die US-Entwickler allerdings zurück, und hinsichtlich der Kosten leiden sie unter starren Budgets, die das Initiieren neuer Projekt im Jahresverlauf schwierig machen.

Stark sind die US-Firmen dagegen in der Automatisierung: Das Performance-Monitoring läuft in 70 Prozent der Fälle automatisiert ab, die Provisionierung der Infrastruktur in 58 Prozent (international sind es 38 Prozent) und das Testing in 56 Prozent (43 Prozent). Zudem kommen in den Staaten sechs Entwickler auf einen Mitarbeiter im Betriebs- und Qualitätssicherungs-Bereich. In den Unternehmen der anderen untersuchten Länder ist das Verhältnis im Durchschnitt 5:1.

Die Briten sind auffallend langsam, wenn es gilt, auf Anwenderwünsche zu reagieren. Sie brauchen im Schnitt 7,6 Tage, um einen Change auszurollen (Deutschland: 4,8 Tage). Dafür bringen UK-Entwickler geschäftskritische Anwendungen in nur 0,8 Tagen vom Deployment in den Produktivstatus, der internationale Durchschnitt liegt bei 7,3 Tagen.

Japaner sind langsam bei Deployments

An den japanischen Unternehmen fällt auf, dass nur fünf Prozent der Betriebe kontinuierliche Deployments hinbekommen. In Deutschland sind dagegen fast drei Viertel der Unternehmen in der Lage täglich oder sogar stündlich neue Softwarereleases auszurollen. Dafür sind die Produkte der japanischen Entwickler sicher, und die Teams sind dank ihrer flexiblen Architekturen und Teamstrukturen in der Lage, die Workloads für bestimmte Anwendungen schnell zu erhöhen.

Allerdings sind im Land der aufgehenden Sonne auffallend wenige Entwickler (28 Prozent) mit neuen Softwareprodukten befasst. Ein Großteil des Software-Engineerings geht für die Pflege und Aktualisierung alter Anwendungen drauf. US-Entwickler verwenden für neue Apps 42 Prozent ihrer Arbeitszeit und die Developer aller Nationen im Schnitt 35 Prozent.

Auch in Sachen Automatisierung hinken die Japaner hinterher: Nicht einmal ein Drittel der befragten Firmen hat Infrastruktur-Provisionierung, Testing, Deployment oder andere Aufgaben automatisiert. In Singapur ist die Situation diesbezüglich vergleichbar.