Vizepräsident Andrew Parker geht für Westeuropa sogar von 1,2 Millionen Jobs aus, die bis 2015 nach seinen Berechnungen in Offshore-Länder abwandern sollen. Mag diese Zahl auf den ersten Blick erschreckend sein, so sieht sie im Vergleich mit den Vorhersagen für die USA fast noch bescheiden aus. Fast 3,3 Millionen Arbeitsplätze sollen dort im gleichen Zeitraum wegfallen.
Deutschland, ist das Schlusslicht bei der Auslagerung von Geschäftsprozessen. 140.000 Arbeitsplätze sollen es bis 2015 sein, die durch Outsourcing verloren gehen.
Die Gründe dafür sind laut Parker vielfältig: Da ist einmal die Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMUs), die nur wenige Auslagerungsmöglichkeiten haben. Ein vorsichtiges Management fürchtet sich hier vor den kulturellen Unterschieden und den Schwierigkeiten in der Kommunikation mit ausländischen Partnern. Die traditionell größere Bindung an die Belegschaft als andernorts macht Entlassungen ebenso schwierig wie die strengen gesetzlichen Vorgaben und der immer noch große Einfluss der Gewerkschaften.
"Die Deutschen haben eine andere Entscheidungskultur", fasst Parker zusammen: "Jeder redet über Offshoring, aber eigentlich will es niemand". Allerdings verlangsamten die derzeitigen Rahmenbedingungen die Auslagerung von Geschäftsprozessen nur, verhindern könnten sie sie nicht. Zudem könnten die im Vergleich zu anderen Ländern hohen Gehälter im IT-Bereich und der fehlende Nachwuchs in Bälde ein Umdenken erzwingen.
Während hierzulande die Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen infolge der Auslagerung von Geschäftsprozessen wächst, hat Colony, Gründer und Chef der amerikanischen Unternehmensberatung, eine ganz andere Idee im Kopf: "Offshore Outsourcing war gestern, fangen Sie an, über globale Lieferketten nachzudenken" rät er.
Er ist überzeugt, dass Unternehmen so Teil eines Innovationsnetzwerks werden könnten. Das sieht nach seinen Vorstellungen folgendermaßen aus:
- Der Erfinder schafft originale, patentierbare Neuerungen.
- Der Transformer wandelt sie in verwertbare und wertschöpfende Produkte um.
- Der Finanzier unterstützt Erfinder und Transformer.
- Der Broker bringt Käufer und Verkäufer von Innovationen zusammen.
Was man sich darunter vorzustellen hat, macht Colony an einem simplen Beispiel klar. Die Musik des "Erfinders" Chuck Berry wurde in Europa erst durch die Transformer Beatles und Rolling Stones bekannt. Broker war Beatles-Manager Brian Epstein.
Anders als in Westeuropa herrscht in Russland Aufbruchstimmung im IT-Bereich. Verglichen mit Deutschland, Großbritannien oder Frankreich gibt es dort mittlerweile 40 Prozent mehr Wissenschaftler in Relation zur Zahl seiner Einwohner. Eine Tatsache, der sich Alexander Egorov, CEO der in Sankt Petersburg beheimateten Software-Firma Reksoft, sehr wohl bewusst ist.
"Obwohl die Kosten für Anwendungsentwicklung in Russland so attraktiv sind wie in Asien, ist dies nicht der Grund, warum sich Firmen für russische Anbieter entscheiden", sagt er. Der liege vielmehr im hohen Ausbildungs- und Wissensstand der Mitarbeiter. Außerdem sei Russland mit seinen Ressourcen in Sachen Entwicklung und Verkauf gleichzeitig ein idealer Ausgangspunkt, um neue Märkte, etwa in den Ländern Zentralasiens zu erschließen,
Arkadiy Dobkin, CEO bei EPAM, einem der großen Software-Entwickler in Russland, ergänzt: "Wir kämpfen um jeden Kunden, als ob es unser letzter wäre. Kann sein, dass uns das von anderen Anbietern, aber auch von Software-Firmen in Westeuropa unterscheidet".
Nicht nur Software-Firmen, auch der Finanzbereich, der High-Tech-Sektor, die Autoindustrie oder der Büro- und Dienstleistungsbereich werden sich, das ist die Prognose von Forrester-Vizepräsident Parker, umstellen müssen. Wollen Sie nicht gnadenlos untergehen, müssen sie sich auf die Kompetenzen besinnen, die sie in ein Innovationsnetzwerk einbringen können.