Weltweit setzen Unternehmen stärker auf Outsourcing von IT und Geschäftsprozessen als im ersten Halbjahr 2009. Der europäische Trend zeigt sich dabei etwas schwächer, als dies im Weltmaßstab der Fall ist. In Deutschland hingegen gibt es einen regelrechten Einbruch – wie übrigens auch in Großbritannien. In beiden Ländern sank das Auftragsvolumen gegenüber dem Vorjahr jeweils um die Hälfte. So lassen sich grob die aktuellen Entwicklungen im Index des Beratungshauses TPI umreißen.
Ein wenig Vorsicht ist geboten bei der Interpretation des Index, der vierteljährlich Zahl und Volumen der Outsourcing-Deals mit einem Gesamtvertragswert von mindestens 25 Millionen US-Dollar respektive 20 Millionen Euro misst. Das beginnt mit dem globalen Markt, für den im ersten Halbjahr ein Gesamtvolumen von 38,9 Milliarden US-Dollar zu Buche steht. Ein Plus von 0,4 Prozent, aber wirklich ein aussagekräftiger Beleg für einen sanften Aufwärtstrend?
Schwer zu unterfüttern, denn dieser Markt neigt zu schnelllebigen Ausreißern und Unstetigkeit, einige Megadeals in größerem Umfang verzerren das Gesamtbild schnell. Beispiel Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) im vergangenen Jahr: Da sank das Gesamtauftragvolumen scheinbar stetig von 9,2 auf 7 Milliarden Dollar, um im vierten Quartal einmalig auf auch im Weltvergleich herausragende 19,2 Milliarden zu explodieren. Im ersten Quartal 2010 lag das Niveau wieder bei 9,3 Milliarden Dollar, im zweiten Vierteljahr dann bei 7,4 Milliarden. Leicht schwächer also im Vergleich zum Quartal davor und zum Vorjahr, in dem dann aber noch ein fulminantes Durchstarten folgte.
Das Volumen der genannten 38,9 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr weltweit verteilt sich auf 29,4 Milliarden für den IT-Bereich, der um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegte, und 9,5 Milliarden für ausgelagerte Geschäftsprozesse, 11 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2009. „Die IT-Performance ist seit 2006 stabil“, fasst TPI zusammen. Allerdings wurden 2009 doch 3 Milliarden weniger investiert als die 31,1 Milliarden 2008.
Eine recht auffällige Auswirkung der Krise, denn die Zahl der Outsourcing-Verträge war 2009 so hoch wie nie im vergangenen Jahrzehnt und pendelte sich jetzt wieder auf Normalmaß ein. Im vergangenen Jahr verlegte sich offenbar eine Vielzahl von Firmen aufs Auslagern ihrer IT, während die Vergabe von Großaufträgen erst einmal auf Eis gelegt wurde. Das hat sich nun wieder normalisiert.
Anwendungsentwicklung und -wartung wird zulegen
Regional verteilen sich die erfassten Ausgaben im ersten Halbjahr auf 20 Milliarden Dollar in Amerika, 16,6 Milliarden in EMEA und 2,3 Milliarden in Asien-Pazifik. Ergibt gegenüber 2009 dort einen Einbruch um 59 Prozent. Die Quartalsvergleiche legen nahe, dass der asiatische Outsourcing-Markt nahezu komplett eingeschlafen ist. Für EMEA bleibt ein Minus von 6 Prozent, für Amerika ein Plus von 29 Prozent. Der Treiber dort sind wenig überraschend die Vereinigten Staaten.
„Beim Blick in die Zukunft ermutigt die zunehmende Dynamik auf dem US-amerikanischen Markt“, konstatiert Bernd Schaefer, Geschäftsführer von TPI Deutschland. „Ob jedoch dieses Momentum erhalten bleibt und sich auf EMEA ausbreitet, muss noch abgewartet werden.“ TPI ist für das zweite Halbjahr vorsichtig optimistisch. Die Restrukturierung und Konsolidierung in vielen Unternehmen dürfte insbesondere im Bereich Anwendungsentwicklung und -wartung (ADM) bald in Outsourcing-Projekte münden, meinen die Experten.
Im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2009 gab es im EMEA-Raum im reinen ADM-Outsourcing aber ein Absacken des Auftragsvolumens von 4,4 auf 1,5 Milliarden Euro, was auch um 1,2 Milliarden unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2009 liegt. Der Bereich Infrastruktur pendelte sich nach dem bereits angeführten Ausreißer im zweiten Halbjahr 2009 wieder auf den üblichen knapp 5 Milliarden Euro ein, während Netzwerk-Services aktuell kaum ausgelagert werden.
In Euro gemessen betrug für IT- und Geschäftsprozess-Outsourcing das EMEA-Auftragsvolumen im ersten Halbjahr insgesamt 13,3 Milliarden Euro. Das ist weit weg vom bisherigen Rekord der 24,2 Milliarden Euro 2008, insgesamt aber ein im Vergleich mit den vergangenen Jahren ein durchaus stabiler Wert.
Dahinter stehen aber bemerkenswerte Entwicklungen. Das dramatische Abrutschen in Deutschland und Großbritannien wurde kompensiert durch umfangreiche Vertragsabschlüsse in Frankreich und Skandinavien. Der europäische Norden sei mit einem Anteil von 17 Prozent des weltweiten Auftragsvolumens im ersten Halbjahr sogar zum zweitgrößten Outsourcing-Markt hinter den USA aufgestiegen, berichtet TPI.
Deutschland zwei Jahre hinter USA zurück
Bernd Schaefer wertet die Entwicklung in den USA als Signal einer nachhaltigen Erholung. „Bislang ist zu beobachten, dass Deutschland den USA noch um 18 bis 24 Monate hinterher hinkt“, so der TPI-Geschäftsführer.