In Österreich hat es Reinhard Posch, der CIO der Bundesregierung, in sechs Jahren geschafft, sein Land zum Europameister im E-Government zu formen. Jetzt eifert Deutschland dem kleineren Nachbarn offenbar nach und setzt ebenfalls eines Bundes-CIO ein. Wer es sein wird, steht offiziell noch nicht fest. Insider handeln seit geraumer Zeit Martin Schallbruch als möglichen Kandidaten. Schallbruch fungiert derzeit als IT-Direktor des Bundesinnenministeriums und ist der wichtigste IT-Manager der Regierung.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) haben dem Bericht zu Folge vereinbart, dass ein neues Amt die IT- und E-Government-Aktivitäten des Bundes koordinieren soll. Über den genauen Zuschnitt diskutieren die Regierungsvertreter anscheinend noch.
Die FTD will auch den genauen Zeitplan in Erfahrung gebracht haben: Für den 10. Dezember laden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) nach Hannover zum zweiten nationalen IT-Gipfel. Dort soll die Einsetzung des Bundes-CIOs bekannt gegeben werden.
Die Vorbereitungen laufen augenscheinlich auf Hochtouren: Kürzlich ließen sich Schäuble, Steinbrück und de Maizière von großen IT- und Beratungsfirmen über die Aufgaben von CIOs in der Wirtschaft informieren. Die Informationstechnologie steht auch auf der Agenda der Föderalismusreform II: Der Bund will den rechtlichen Rahmen für eine effizientere Zusammenarbeit von Bund und Ländern abstecken.
Unklar scheint noch zu sein, wo der neue CIO angesiedelt wird: direkt im Kanzleramt oder in einem Ministerium. Die wenigen Vorbilder hierzulande unterstehen meist Innenministern: Der Diplom-Informatiker Schallbruch verantwortet seit fünf Jahren die IT im Bundesinnenministerium. Unter den Ländern ist Hessen der Pionier: Im dortigen Innenministerium amtiert Harald Lemke als CIO - im Rang eines Staatssekretärs. Der äußerst erfolgreiche Reinhard Posch hingegen berichtet in Österreich direkt an den Bundeskanzler oder den Vizekanzler.
Für Merkel ist die IT Chefsache
Für eine solche Konstruktion könnte in Deutschland sprechen, dass Bundeskanzlerin Merkel die IT gewissermaßen zur Chefsache erklärt hat. Im Frühjahr 2006 kündigte sie den ersten nationalen IT-Gipfel an, der dann im vergangenen Dezember in Potsdam stattfand. Dort mahnte Merkel an, das Label "Made in Germany“ müsse wieder zum Gütesiegel für IT-Produkte werden. Bis 2009 investiert der Bund sechs Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung in diesem Segment.
Im E-Government hat Deutschland laut verschiedenen Studien im europäischen Vergleich erheblichen Nachholbedarf. Vergangenes Jahr ermittelte Capgemini den Online-Reifegrad in 28 europäischen Ländern. Deutschland kratzte an einem Wert von 75 Prozent - Platz 19 im Ranking. Online-Dienstleistungen waren 2006 hierzulande nicht einmal zu 50 Prozent verfügbar - Platz 18 im Ranking. Über den Spitzenwert in beiden Kategorien konnten sich übrigens Österreich und CIO Posch freuen.
Aus diesem Jahr liegt eine E-Performance-Studie von TNS Infratest in Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums vor. Das Ergebnis: Deutschland liegt zwar bei E-Commerce und E-Procurement über dem europäischen Schnitt, hinkt aber beim E-Government hinterher - sowohl in der Verfügbarkeit von Diensten als auch in der Nutzung durch Unternehmen.
Auch auf Druck aus der IT-Branche scheint die Bundesregierung diese Baustellen jetzt anpacken zu wollen. Schäuble forderte schon vor einiger Zeit, klare Regelungen für die IT-Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung in Zuständigkeit des Bundes im Grundgesetz zu verankern.
Vielleicht kann ein neuer CIO ja tatsächlich so manches richten. In der Branche ist sein Profil klar umrissen: Ein unabhängiger Macher soll es sein, der die IT-Chefs der Ministerien koordiniert und sich nicht in konkreten Projekten wie etwa der Gesundheitskarte aufreibt.