Deutschlands Paketprimus DHL geht bei seinem Automaten-Netzwerk neue Wege. Nachdem der Bonner Konzern jahrelang auf Packstationen gesetzt hat, die nur für die eigenen Pakete vorgesehen sind, und dabei inzwischen über mehr als 13 000 Standorte verfügt, soll eine neue Tochterfirma alternative Automaten namens OneStopBox auf den Markt bringen. Die Unternehmensgründung gab DHL am Montag bekannt. "Dieses Jahr wollen wir 100 Automaten aufstellen, nächstes Jahr 2000 und in den Jahren danach jeweils mehrere Tausend", sagte der Chef der Tochterfirma, Lukas Beckedorff. "Unser Fokus liegt auf größeren Städten, in München gibt es zum Beispiel einen großen Bedarf."
Nicht nur DHL, sondern auch andere Paketfirmen sollen ihre Sendungen in den neuen Automaten lagern oder abholen können - er soll also auch offen für die Konkurrenz sein. Zudem sollen Einzelhändler ihre Waren deponieren können, bis Kunden sie abholen. Die Aussichten seien gut, sagt Beckedorff. "Immer mehr Bürgerinnen und Bürger möchten Automaten nutzen und dadurch flexiblen Zugriff auf die Sendungen bekommen."
Automaten werden wichtiger in Paketbranche
In der Paketbranche spielen Automaten eine immer größere Rolle, um das steigende Sendungsaufkommen meistern zu können. Viele Verbraucher lassen sich ihre Pakete noch nach Hause schicken, was für die Logistiker mühsam und teuer ist. Ihre Transporter müssen viele Stopps machen, um die Pakete zuzustellen. Wenn der Empfänger nicht daheim ist, verstreicht wertvolle Wartezeit und der Paketbote muss die Sendung wieder mitnehmen.
Für Paketfirmen ist das eine teure Sache, zumal die CO2-Bilanz von so einer Zustellung häufig schlecht ist. Besser wäre es für die Logistiker, wenn sie eine größere Paketmenge an einem Ort abgeben könnte - etwa an Automaten, wo der Empfänger später nach einer digitalen Benachrichtigung vorbeikommt und mit einem Code Zugang bekommt.
Während DHL vorgeprescht ist und die Zahl seiner Packstationen seit 2020 auf mehr als 13 000 verdoppelt hat, hielt sich die Konkurrenz zurück. Seit Herbst 2022 hat Hermes eigene Automaten, derzeit 20 im Raum Hamburg. Auch GLS setzt im kleinen Stil auf eigene Standorte. Doch ihren Fokus richteten sie auf Paketshops, damit der Kunde dort Sendungen aufgeben oder abholen kann. Das ist billiger für die Logistiker, schließlich ist keine Investition in Automaten nötig. Der Haken daran: Die Verbraucher müssen sich an die Öffnungszeiten halten, es ist unpraktischer als ein rund um die Uhr verfügbarer Metallschrank.
Kommunalpolitik für Branchenlösung
Aus der Kommunalpolitik kommt schon seit Langem die Forderung nach einer Branchenlösung. Davon versprechen sich die Städte Fortschritte für den Klimaschutz und Vorteile für ihre Bürger, die nicht mehr zu verschiedenen, teils weiter entfernten Standorten müssten. Sie hätten einen zentralen Aufgabe- und Abholpunkt in ihrer Nachbarschaft, so die Idee. Das könnte den Verkehr in den Städten reduzieren, weil sich die durchschnittliche Fahrtzeit zum Paketabholen verringert. Und auch die Transporter hätten im Schnitt kürzere Strecken.
In der Paketbranche spricht man von "White Label"-Automaten, die unauffällig aussehen und eben keine Markenfarbe einer Firma haben. Die OneStopBox der neuen DHL-Tochter "Innovative und nachhaltige Automations-Lösungen GmbH" ist weiß.
Es gibt schon weiße Automaten
Die Idee, Automaten für verschiedene Paketanbieter zu öffnen, ist nicht neu. Die Salzburger Stadtwerke gründeten im Jahr 2018 das Unternehmen myflexbox, das in Österreich inzwischen 500 Standorten hat. In den deutschen Markt stieg die Firma Ende 2022 ein. Mittlerweile sind es hierzulande nach Angaben von Geschäftsführer Lukas Wieser knapp 200 Standorte, am Jahresende sollen es 600 bis 700 sein. "Wir schalten einen Gang hoch." Zu den Standortpartnern gehört unter anderem die Wohnungsbaugesellschaft LEG, auf deren Grundstücken die weißen Automaten stehen. Auch bei Tankstellen und Supermärkten sind sie zu finden. In Deutschland werden Sendungen von GLS, UPS und Fedex eingeliefert.
Ein Unterschied zur DHL-Tochter OneStopBox liegt darin, dass kein Paketdienstleister Anteilseigner ist bei der österreichischen Firma. Aus Sicht von Co-Geschäftsführer Jonathan Grothaus ist das ein großer Vorteil. "Dadurch genießen wir bei unseren Geschäftspartnern großes Vertrauen: Sie wissen, dass wir keine Eigeninteressen als Paketdienstleister verfolgen und sie deshalb möglicherweise schlechter behandeln." So bräuchten alle Paketfirmen in Zeiten mit besonders großem Sendungsaufkommen - etwa in der Weihnachtszeit - möglichst viele Lagerungskapazitäten. Bei dieser für die Firmen wichtigen Frage, wer dann Fächer bekommt, behandele man alle Kunden gleich. Auch die vertrauliche Verwaltung der Daten verschiedener Paketdienstleister sei sensibel. "Wir sind neutral wie die Schweiz."
DHL-Tochter hofft auf Interesse der Wettbewerber
Schwierig gestaltet sich mitunter die Suche nach Plätzen, um die Metallfächer aufzustellen. "Auf der Standortsuche für DHL-Packstationen haben uns Kommunen und andere Standortgeber mitunter einen Korb gegeben, weil sie nicht auf das System eines einzelnen Anbieters setzen", sagt DHL-Manager Benjamin Rasch. Nun bietet OneStopBox eine anbieterneutrale Lösung, bei der alle mitmachen könnten. "Wir hoffen, dadurch neue Standorte zu erschließen, die DHL vorher nicht bekommen hat."
Der Branchenverband Biek, der die Interessen der DHL-Konkurrenten vertritt, wirbt bei Automaten schon lange für einen Branchenweg. An DHL perlten solche Überlegungen ab, schließlich seien die eigenen Packstationen schon gut ausgelastet. Nun schickt der Bonner Marktriese eine "White Label"-Automatenfirma ins Rennen, an der er 100 Prozent der Anteile hält - es ist also kein Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Partnern. Biek-Chef Marten Bosselmann äußert sich eher höflich-zurückhaltend: "Wir begrüßen es, dass DHL die Zukunft der Paketstationen nicht mehr ausschließlich in ihren nur für DHL-Pakete genutzten Packstationen sieht." Hermes bleibt vage, und von DPD heißt es, der White-Label-Ansatz der DHL Group sei "eine interessante Entwicklung, die wir aufmerksam verfolgen werden". (dpa/ad)