Forrester-Ratschläge

Die 10 Fallen bei Virtualisierung und Cloud

18.03.2011 von Hartmut  Wiehr
Alle reden von Virtualisierung und Cloud. Doch der Einstieg in diese neuen Technologien ist keinesfalls so einfach, wie von den Marketing-Leuten versprochen wird.

1. Warum Spezialisten wichtig sind

Foto: Lilya, Fotolia.de

Die Analysten von Forrester haben eine Studie mit dem Titel "2011 Top 10 IaaS Cloud Predictions For I&O Leaders“ veröffentlicht. Darin sprechen sie davon, dass ein neuer Typ von hochmotivierten Spezialisten gebraucht wird, die mit ihrem Know-how und ihren Erfahrungen prädestiniert sind, bahnbrechende Entscheidungen für die Unternehmens-IT zu treffen. Denn die IT steht insgesamt vor einer Wende, wie sie zuletzt mit dem Übergang zu Client/Server-Netzen oder zum Internet stattfand.

Immer mehr Unternehmen müssen sich nicht fragen OB, sondern WANN und WIE sie ihre Infrastruktur auf neue Virtualisierungs- oder Service/Cloud-Konzepte umstellen wollen. Tun sie es gar nicht, laufen sie Gefahr, dass ihre IT nicht mehr konkurrenzfähig ist. Da der Wechsel zudem mit einigen technologischen Hürden und Gefahren aufwartet, steigt die Nachfrage nach Virtualisierungs- und Cloud-Spezialisten. CIOs sollten rechtzeitig nach Mitarbeitern Ausschau halten, die die neuen Technologien beherrschen und damit die Unternehmens-IT umbauen.

2. Interne Clouds bauen, auch wenn sie scheitern

Nach Ansicht von Forrester sind externe Cloud-Angebote zurzeit konkurrenzlos günstig. Dennoch sollten Unternehmen interne Service-Portale aufbauen, bei denen sich Abteilungen oder einzelne Mitarbeiter nach dem Utility-Abrechnungsmodell Applikations- und Rechenleistung für eine bestimmte Periode besorgen können. Die virtualisierten Server- und Storage-Ressourcen mit ihren leicht verschiebbaren und zu clonenden Anwendungen erlauben schon jetzt solche Verfahren. Selbst wenn diese Infrastruktur erst teilweise gegeben und die Security- und Billing-Tools noch unausgereift sein sollten, werden sich die Anstrengungen langfristig lohnen, meint Forrester frei nach dem Motto "Aus Fehlern lernen“.

Der Ansatz ist aber dennoch so revolutionär, dass Unternehmen sich schon jetzt auf ihn vorbereiten sollten. Cloud verschiebt die IT von proprietären (und teuren) Silo-Architekturen in Richtung Standardisierung und leistungsbezogener Automatisierung. Alle bestehenden Ressourcen sollen in Pools zusammengefasst und auch intern nur nach wirklicher Benützung verrechnet werden. Der notwendige Management-Aufwand und seine Bewältigung ergeben sich laut Forrester aus der Erfahrung – aus "Trial and Error“.

3. Der Ausweg: Gehostete Private Clouds

Wer nicht über genügend Zeit, Geld oder Geduld für den Aufbau einer internen Cloud verfügt, sollte auf eine Alternative setzen: Sich bei einem Service-Provider einmieten, aber ohne die Risiken einer Public Cloud. Der Mittelweg besteht darin, eine geschützte private Cloud einzurichten, die von einem Provider gehostet und verwaltet wird. So kann ein Unternehmen in die Vorteile einer service-orientierten eigenen IT-Infrastruktur kommen, erspart sich aber zugleich das mühevolle eigene Ausprobieren. Das Problem: Einen zuverlässigen Service-Anbieter zu finden, der sich wirklich auskennt, was in der gegenwärtigen Umbruchsituation keine einfache Aufgabe sein dürfte. Zumal wenn es an der eigenen Kompetenz mangelt.

Community-Clouds und High Performance Computing

Forrester spricht in diesem Zusammenhang von "Cloud Washing“: Viele traditionelle Hosting-Anbieter hängen sich ein neues Mäntelchen um und geben sich als Virtualisierungs- und Cloud-Profis aus. Wer sich auf den Hosting-Weg begeben will, kommt also doch nicht um das eigene Wissen herum. Nur so kann eine fundierte Auswahl getroffen werden. Ein Grund mehr, im eigenen Unternehmen Virtualisierungs- und Cloud-Experten heranzuziehen.

4. Community-Clouds für vertikale Märkte

Öffentliche Clouds bergen Risiken: Wie steht es um die Sicherheit der Daten? Wer garantiert dafür? Können Compliance-Vorschriften eingehalten werden? Und interne Clouds sind noch zu kostspielig und erfordern einen langen Atem. Eine Alternative für viele Unternehmen könnten "Community-Clouds“ sein, bei denen sich mehrere Firmen locker zusammenschließen und ihre IT-Infrastruktur gemäß einem Service-Konzept gemeinsam nutzen.

In Deutschland kooperieren bereits einige Kommunen nach einem solchen Modell, indem man einen gemeinsamen Pool von Ressourcen, Anwendungen und Daten aufbaut. Universitäten und Unternehmen der Biotechnologie haben ebenfalls mit solchen Communities begonnen. So werden nicht nur die Cloud-Kosten gemeinsam geschultert, sondern es können die jeweils vorhandenen Strukturen über neue Portale weiter verkauft oder nach Nutzung abgerechnet werden.

Wie weit sich ein Unternehmen in solchen Cloud-Communities engagiert, hängt von der langfristigen Strategie ab. Diese kann von einer einfachen, mehr ideellen Unterstützung bis zu einer angestrebten totalen Kontrolle gehen. Je nach Option müssen die personellen und finanziellen Konsequenzen beachtet werden. Um eine Testumgebung für virtualisierte Cloud-Communities einzurichten, gibt es die kostenlose "Eucalyptus Community Cloud (ECC)“.

5. High-Performance Computing (HPC) für alle

Grid Computing galt lange als der bestmögliche – und billigste – Zugang zu High-Performance Computing (HPC). Zusammengebaut aus vielen No-Name-Rechnern und auf Basis des Linux-Betriebssystems haben sich viele Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die hohe I/O-Leistung zum Beispiel für geographische Berechnungen brauchen, solche Grid-Netze angeschafft. Die mit Supercomputern oder Mainframes verglichen niedrigen Anschaffungskosten werden allerdings konterkariert durch aufwändige Verwaltungsmechanismen und Monitoring-Vorrichtungen dieser PC-Landschaft. Und nur durch komplizierte Cluster-Konstruktionen kann der Ausfall einzelner Rechner abgefangen werden.

Mit Virtualisierung und Cloud Geld verdienen

Cloud-Infrastrukturen sind im Begriff, dieses HPC-Modell abzulösen. Denn man muss ja nicht mehr solche Grid-Netze oder Supercomputer bei sich im eigenen Hause einrichten, sondern kann die benötigte Rechenkraft im gewünschten Ausmaß und für einen beliebig begrenzbaren Zeitraum kostengünstig anmieten.

HPC auf Cloud-Basis kann darüber hinaus der IT-Abteilung die Möglichkeit bieten, die Spielregeln für das Verhältnis von Business und IT zu verändern: Indem hohe Rechenleistung nach Bedarf hinzu gemietet wird, wird die IT vom reinen Cost Centre zum Treiber für das Geschäft. Auch in diesem Fall sind Know-how und Erfahrungen der eigenen IT-Mannschaft notwendiger denn je. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Unternehmen von den Hosting- und Service-Anbietern über den Tisch gezogen werden.

6. Mit Virtualisierung und Cloud Geld verdienen

Der Einsatz von IT ist kein Selbstzweck. Dies gilt erst recht bei der Anwendung neuer Technologien, die sich lohnen müssen. Es muss nicht immer das Billigste eingekauft werden – wichtiger ist es, die Relation zwischen Aufwand und Ertrag im Auge zu behalten. Unternehmen sollten deshalb genau prüfen, welche Applikationen "reif“ für eine Verlagerung in virtuelle und Cloud-Umgebungen sind. Auch müssen die Portal- und Abrechnungsmodalitäten auf diese Anwendungen abgestimmt sein. Unternehmen können hier schrittweise Erfahrungen sammeln und sich zu höheren Cloud-Niveaus vorarbeiten. Lehrreich ist es zum Beispiel, sich mit Amazon EC2 Spot Instances oder mit Enomaly SpotCloud zu beschäftigen. Auch mit dem Cloud Price Calculator kann man die Cloud-Kosten in den Griff bekommen.

7. Konkurrenzvorteile mit Cloud Analytics erringen

IT und ihre Auswertung in "real-time“ versprechen Analyse-Programme, sei es als CRM-Durchforstung, klassisches Data Warehouse oder als Business-Intelligence-Applikation (BI), die inzwischen fast alle großen Hersteller im Angebot haben. Doch cloud-basierte Tools machen dieser Software-Abteilung nun Konkurrenz. Aufwändige Installation und Verwaltung inklusive des nötigen Know-hows im eigenen Haus entfallen zumindest teilweise. Bereits 2008 starteten solche alternative Programme wie AWS Elastic MapReduce, 1010data oder GoodData. Es gibt auch die open-source BI-Lösung Jaspersoft.

8. Informationen für den Geschäftserfolg nutzen

Von Informationen und ihrer Bedeutung für die Unternehmenszwecke wird heute viel gesprochen. Aber leider mehr in einem appellativen Charakter, ohne dass die wirklichen Vorteile ersichtlich sind. In einer Cloud-Umgebung lassen sich auch Daten, die für andere Unternehmen von Interesse sein können, leichter vermarkten. Unternehmen, die sich auf diesem Feld versuchen, müssen natürlich genau abwägen zwischen business-kritischen Daten und solchen, die von allgemeinem Interesse sein können.

Standards und Sicherheit

9. Virtualisierungs- und Cloud-Standards sind dringend notwendig

Schon Virtualisierungsansätze neigen dazu, proprietär zu sein und somit die Konkurrenz absichtlich auszugrenzen. Dies gilt in noch größerem Maße für den neu erkorenen Zukunftsmarkt Cloud-Computing. Die sich abzeichnende Wende zieht viele Hersteller und Systemhäuser an, die sich alle ihren Anteil am zu verteilenden Kuchen sichern wollen. Für Anwender bedeutet diese Situation, sehr vorsichtig zu sein, um nicht in eine Lockin-Falle zu tappen.

Gerade im eigenen Interesse sollten sie auf der Verabschiedung von Standards und allgemein zugänglichen Schnittstellen (APIs) insistieren. Nur so lassen sich zuverlässige Service-Anbieter und Hersteller herausfinden. Allein auf die gegenwärtigen Marktführer zu setzen, wäre verkehrt. Andererseits genießen diese derzeit viel Vertrauen. In den USA gehen 39 Prozent der Unternehmen, die mit Cloud-Services experimentieren, zu Amazon Web Services, 31 Prozent wählen IBM und 30 Prozent Microsoft.

10. Last but not least – Cloud-Security

Sicherheit der Daten hat viel mit Compliance zu tun. Business-kritische Informationen müssen besonders geschützt sein, und wer sie in eine Cloud-Lösung mit virtualisierten Servern verlagert, muss auf besonderen Sicherheitsgarantien bestehen. Wer einen Deal mit einem Service-Provider eingeht, sollte auf genau ausformulierten SLAs (Service Level Agreements) bestehen. Eine finanzielle Entschädigung, falls Daten verlustig gehen oder beschädigt werden, kann nur ein Teil der Lösung sein. Unternehmen, die sich für externe Clouds interessieren, sollten deshalb genau abwägen, welche Applikationen sie nach außen vergeben wollen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.