SAP, Oracle, Epicor, Lawson und Co.

Die 10 größten ERP-Pannen 2011

12.01.2012 von Andreas Schaffry
Kosten schießen nach oben, Funktionen fehlen, Implementierungspartner schlampen: 2011 wurden viele ERP-Projekte verbockt. Kunden beklagen Millionen-Schäden.

Auch 2011 sind wieder viele ERP- und andere Software-Projekte aus dem Ruder gelaufen. Gescheiterte IT-Projekte verursachen in Unternehmen nicht nur hohe Kosten, sondern auch der damit verbundene Arbeitsaufwand ist umsonst. Hinzu kommen gegenseitige Beschuldigungen von Kunden und ERP-Anbietern und - nicht selten - auch Gerichtsverfahren. Chris Kanaracus von unserer IT-Nachrichtenagentur IDG News Service hat die zehn schlimmsten ERP-Pannen zusammengetragen.

Fall 1: Gescheitertes Public-IT-Projekt kostet Milliarden

Pannen bei der Einführung von ERP-Systemen kommen immer wieder vor. Für Unternehmen endet das meist kostspielig.
Foto: StefanieB./Fotolia.com

Der staatliche Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) in Großbritannien startete im Jahr 2002 das weltweit größte Public-IT-Projekt. Ziel war es, eine elektronische Gesundheitsakte für alle Bürger im United Kingdom einzuführen und die Daten der Versicherten zentral in einem IT-System zu verwalten. Vor kurzem haben Regierungsverantwortliche den Stecker gezogen. Innerhalb von acht Jahren hat der britische Staat zwölf Milliarden Pfund (umgerechnet 18,7 Milliarden US-Dollar) in das riesige IT-Projekt gepumpt. Trotzdem war es nicht gelungen, ein arbeitsfähiges System aufzubauen. Begründet wurde der Abbruch damit, dass der NHS nicht die geforderten modernen IT-Services erhalten habe, um das Projekt erfolgreich durchführen zu können.

Fall 2: Stadt New York will Geld zurück

Die Stadt New York wollte mit einer neu entwickelten Software die Arbeitszeiterfassung und Abrechnung für die städtischen Angestellten vereinheitlichen und IT-gestützt abwickeln. Ziel des IT-Projekts war es, die Prozesse effizienter zu machen und gegen Mitarbeiter vorzugehen, die bislang in ihr Arbeitszeitblatt nicht geleistete Überstunden eintrugen. Doch das CityTime genannte Projekt endete in einem Fiasko.

Die Kosten liefen aus dem Ruder, und es gab offenbar kriminelle Machenschaften beim mit dem IT-Projekt beauftragten Systemintegrator SAIC und Subunternehmer Technodyne. Ursprünglich war für das Vorhaben ein Budget von 63 Millionen Dollar eingeplant. Zum Schluss hatten die Kosten die schwindelerregende Höhe von 760 Millionen Dollar erreicht.

Im Juni 2011 wurden zwei Manager und mehrere Mitarbeiter von Technodyne angeklagt. Die Stadtverwaltung fordert die Rückzahlung bereits bezahlter Gelder.

Fall 3: Ingram Micro mit SAP-Problemen

Setzt der Einführungspartner ein ERP-Projekt in den Sand, sind die Folgen für den Kunden meist Schäden in Millionenhöhe.
Foto: Eisenhans - Fotolia

Der Technologie-Dstributor Ingram Micro meldete für das erste Quartal 2011 einen massiven Gewinneinbruch von 70 auf 56 Millionen Dollar. Laut Unternehmen sei dieser in erster Linie auf Schwierigkeiten mit einem neuen Enterprise System in Australien zurückzuführen, wo man gerade eine SAP-Software einführte. Gleichzeitig warnte die Firma davor, dass sich das Projekt weiter negativ auf die Finanzen auswirken könne. Inzwischen sollen die Probleme gelöst sein.

Fall 4: Montclair State Universität verklagt Oracle

Im Mai 2011 hat die Montclair State University (MSU) im US-Bundesstaat New Jersey Klage gegen Oracle eingereicht. Der Software-Hersteller soll die Implementierung einer Peoplesoft-Lösung vermurkst haben, mit der die Uni ein betagtes Legacy-System ersetzen wollte. Aufgrund von Pfusch würde es die Universität mehr als 20 Millionen Dollar kosten, das IT-Projekt abzuschließen. Oracle schoss umgehend zurück und behauptete, alle Probleme seien auf Fehler der Hochschule zurückzuführen. Die MSU ergänzte daraufhin die Klage. So habe der Hersteller im Verkaufsprozess eine manipulierte Lösung gezeigt und sei auch der Erpressung schuldig, wird dort behauptet.

Fall 5: Auch Epicor vor dem Kadi

Parknpool, ein Online-Verkäufer von Garten- und Balkonmöbeln, hat Epicor vor Gericht gezerrt, weil der Anbieter in einem ERP-Projekt eine "große Sauerei" verursacht haben soll. Ursprünglich hatte man das Epicor-ERP-Produkt gewählt, weil es besser integriert schien als die alte Lösung. Doch alles lief im Projekt schief. Geplant war, die neue Software innerhalb von sieben Wochen zu installieren. Nach sieben Monaten war nach Darstellung von Parknpool immer noch nichts passiert. Es ließen sich weder Bestellungen bearbeiten noch eine Gewinn- und Verlust-Rechnung anzeigen.

Fall 6: Dunkle ERP-Machenschaften

Die Verwaltung von Marine County im US-Bundesstaat Kalifornien verklagte SAP und Deloitte Consulting vor einem Bundesgericht. Beide Unternehmen sollen den Bezirk in Zusammenhang mit einem fehlgeschlagenen ERP-Projekt um mehr als 20 Millionen Dollar geprellt haben. Der Bezirk hatte ursprünglich nur Deloitte vor einer niedrigeren Gerichtsinstanz verklagt, weil der Systemintegrator angeblich unerfahrene Berater eingesetzt hat, was zu Problemen geführt haben soll.

Deshalb beschloss man, die SAP-Software rauszuwerfen und durch ein anderes System zu ersetzen. SAP und Deloitte haben jede Schuld am Scheitern zurückgewiesen und im Gegenzug den County-Verantwortlichen unseriöses Taktieren vorgeworfen.

Fall 7: Projektkosten verfünffacht

Manchmal werden ERP-Implementierungen nach dem Motto "Niemend ist perfekt. Ich bin Niemand" durchgeführt. Das Ergebnis ist kompletter Murks.

Es ist allgemein bekannt, dass Firmen für ERP-Projekte am Ende mehr ausgeben als vorher geplant. Whaley Foodservice Repairs, ein auf Restaurantzulieferung und Kältetechnik spezialisiertes Unternehmen, sollte am Schluss für eine ERP-Einführung von Epicor gleich fünfmal mehr bezahlen als zu Beginn budgetiert. Ursprünglich war ein Projektbudget von knapp 200.000 Dollar eingeplant, tatsächlich kostete die Implementierung dann mehr als eine Million Dollar. Zudem arbeitete das ERP-System laut Whaley nie problemlos. Deshalb verklagte die Firma den Anbieter. Epicor streitet jedes Fehlverhalten ab und macht im Gegenzug geltend, dass Whaley Rechnungen in Höhe von mehr als 283.000 Dollar noch nicht beglichen hat.

Fall 8: ERP-Probleme kosten Idaho Millionen

In einem vom Bilanzprüfer des US-Bundesstaates Idaho veröffentlichten Bericht steht, dass ein vom IT-Unternehmen Unisys entwickeltes System für den Bundesstaat ein Verlustgeschäft in Millionenhöhe wird. Die Unisys-Lösung ist dafür gedacht, Ansprüche von Gesundheits-Organisationen zu verwalten, die Patienten betreuen, welche Leistungen im Rahmen des steuerfinanzierten Gesundheitsfürsorgeprogramms Medicaid erhalten.

Ein falsches Lösungskonzept führte dazu, dass es immer wieder massive Zahlungsverzögerungen gab und das System Forderungen nicht korrekt verarbeitete. Hinzu kam, dass keine Softwaretests vor dem Produktivstart durchgeführt worden waren. Idaho hatte im Voraus mehr als 100 Millionen Dollar an IT-Provider überwiesen, um die Probleme herauszufinden, und versucht das Geld jetzt wieder einzutreiben. Der US-Bundesstaat wird aber wohl auf einigen Millionen Verlust sitzenbleiben.

Fall 9: ERP von Lawson übersteht Testphase nicht

Die Caresource Group, eine Non-Profit-Organisation aus Ohio, die Gesundheitsleistungen im Rahmen des Medicaid-Programms erbringt, verklagte im September 2011 den ERP-Anbieter Lawson. Die Organisation beklagt einen Schaden in Höhe von 1,5 Millionen Dollar. Die Implementierung des Enterprise Systems war laut der Klageschrift nicht über die Testphase hinausgekommen.

Ebenso habe es sich nicht um die von Lawson versprochene vollständig integrierte Software-Suite gehandelt. Stattdessen bestand das System von Caresource Group nur aus zwei Modulen, einem für das Rechnungswesen und einem für das Talent Management. Zudem klappte der Datenaustausch zwischen den Modulen nicht. Lawson räumte zwar gewisse Schwierigkeiten bei der Modulintegration ein, diese seien jedoch behoben. Zudem beklagt der Anbieter offene Rechnungen in Höhe von 335.000 Dollar.

Fall 10: IBM setzt SAP-Projekt in den Sand

In der kanadischen Provinz Nova Scotia erhielten die bei der Non-Profit-Organisation Victorian Order of Nurses (VON) beschäftigten Krankenschwestern und Pfleger ein halbes Jahr lang falsche Gehaltschecks. Die Ursache hierfür lag in einem Payroll-System von SAP, das IBM-Berater fehlerhaft implementiert hatten. Nachdem VON auf die neue Abrechnungslösung umgestellt hatte, bekamen einige Mitarbeiter doppelt so viel Geld wie erwartet, andere wiederum fühlten sich bei der Abrechnung übers Ohr gehauen. Die Lösung selbst sei solide und stabil, doch offenbar hakte es bei der komplizierten Einführung - bei der Lohnabrechnung müssen alle möglichen Variablen beachtet werden.