Die Anfänge des Regelwerks der IT Infrastructure Library (ITIL) reichen bis in die 1980-er Jahre zurück. ITIL V3, die aktuellste Version, kam Mitte 2007 heraus. Was nichts daran ändert, dass über ITIL immer noch Missverständnisse kursieren. Das behauptet zumindest der Dienstleister COC aus Burghausen (bei München).
COC zählt folgende Irrtümer auf:
1. Das Regelwerk hat nur eine operative Ausrichtung: Diese Annahme greift zu kurz. Grundsätzlich verfolge ITIL eine strategische Ausrichtung und sei damit ein Management-Thema, so die Berater. Daher empfehle sich eine Top-Down-Herangehensweise, wobei die konkreten Prozesse gemeinsam betrachtet und definiert werden sollten.
2. ITIL ist ein Rezeptbuch mit fest definierten Zutaten: Hinter ITIL verbirgt sich eben keine Universallösung, die man ohne individuelle Anpassung über jedes Unternehmen stülpen kann. Das Regelwerk sollte im Rahmen einer Projektmanagement-Methode für das jeweilige Unternehmen angewandt werden.
3. Das Framework funktioniert nur im Ganzen: Stimmt auch nicht. ITIL beinhaltet eine Vielzahl von Prozessen, Funktionen und Phasen. Nicht alle müssen zwingend entwickelt und implementiert werden. Allerdings kann es nicht schaden, den Werkzeugkasten zu kennen.
4. Nach der Implementierung kann man die Hände in den Schoß legen: Leider nein, denn ITL endet nicht nach der Einführung. Genauso wie beim Qualitäts-Management wird man die Arbeit nicht mit dem Erreichen eines definierten Grades beenden. Grundsätzlich sind Regelgrößen zu entwickeln sowie Steuerungsmethoden beizubehalten und sowohl Prozesse als auch Services ständig zu verbessern.
5. Das ITIL-Konzept ist frei von Rollen und Verantwortungen: Auch dieser Aussage widerspricht COC. Ohne eine Definition von verbindlichen Zielgrößen wird man keine Steuerungsgrößen haben. Die Mitarbeiter haben dann auch nicht das Gefühl, gemeinsam erfolgreich eine vereinbarte Servicequalität zu erbringen und "an einem Strang" zu ziehen. Unternehmen müssen daher klare Rollen und Verantwortlichkeiten festlegen.
ITIL braucht Zielvorgaben des Managements
6. Implementierte ITIL-Prozesse funktionieren von ganz allein: Nein, denn ohne eine durch das Management vermittelte Zielsetzung wird ITIL ins Leere laufen. Das Regelwerk soll dazu beitragen, die Effizienz und Effektivität der Geschäftsprozesse zu optimieren. Dies setzt aber klare Zielvorgaben des Managements voraus.
7. Verbesserungen stellen sich automatisch ein: So einfach ist es nicht. Entscheider müssen aus den gewonnenen Erfahrungen lernen und daraus Verbesserungen ableiten.
8. SLAs sind eine statische Angelegenheit: Natürlich beinhalten Service Level Agreements immer eine Verbindlichkeit. Trotzdem müssen sie flexibel für Veränderungen sein, weil Unternehmen lebendige Strukturen mit veränderlichen Anforderungen darstellen. Dafür muss seitens des Service Managements eine ausgeprägte Sensibilität bestehen, indem es kontinuierlich mögliche veränderte Leistungserwartungen des Kunden identifiziert und bereitstellt.
9. ITIL macht die IT zu einer verlängerten Werkbank: Services, die einen Mehrwert für die Geschäftsprozesse liefern, können nicht industriell bereitgestellt werden. Daran ändert auch die Implementierung ITIL-konformer Prozesse nichts. Im Gegenteil: Der IT-Abteilung kommt eine höhere geschäftsstrategische Bedeutung zu. Die muss der IT-Entscheider allerdings auch aktiv wahrnehmen.
10. Auf Tools lässt sich verzichten: Stimmt nicht, so der Dienstleister COC. Ohne geeignete Tools liefen Prozesse nicht erfolgreich, weil der Aufwand für Dokumentation, Bearbeitung und Auswertung zu hoch und bürokratisch werde. Außerdem eröffneten Tools bessere Möglichkeiten zur Performance-Steigerung und der Automatisierung von Services.
ITIL als Impulsgeber verstehen
Noch ein Berater hat sich über ITIL Gedanken gemacht, Exagon aus Kerpen. Exagon will das Regelwerk "als Impulsgeber" verstanden wissen. ITIL schaffe zwar den Prozessrahmen, aber die Ideen für individuelle Lösungen müsste das Unternehmen schon selbst entwickeln.
Außerdem müssten Entscheider entlang eines jeden IT-Prozesses den Informationsfluss zwischen den Prozessbeteiligten managen, so der Berater weiter. Insbesondere da, wo Aufgaben weitergegeben werden, sollten Verfahren für den Informationstransfer definiert werden.