Vorhaben rund um die Unternehmensarchitektur verfehlen oft ihr eigentliches Ziel. Das Problem: Sogar wenn sie versuchen, sie nach den Vorgaben von Best Practices auszurichten, landen viele IT-Abteilungen in Projekten zur Enterprise Architecture (EA) unbeabsichtigt bei Worst Practices - Vorgehensweisen, die sich niemand zum Vorbild nehmen sollte. In einem Workshop mit Kunden hat das Beratungshaus Gartner 13 dieser Fallen identifiziert und mit den Firmen diskutiert, wie sie sich umgehen lassen.
1. Keine Verbindung zu Strategieplanung und Budgetierung
Viele IT-Abteilungen stricken an der Unternehmensarchitektur herum, bemühen sich dabei aber zu wenig, sie mit der Strategieplanung in Übereinstimmung zu bringen. Die Folgen: Die EA passt nicht zur derzeitigen Planung, wird demzufolge auch nicht hinreichend wichtig genommen und kann ihre Wirkung nur zum Teil entfalten. Dabei sollte sie eigentlich der Prozess sein, der sicherstellt, dass alle Management-Prozesse aufeinander abgestimmt sind.
Damit das gelingt, müssen EA-Prozesse laufend überprüft und an die aktuelle Geschäftslage angepasst werden. Die Enterprise Architecture soll Gartner zufolge Prinzipien und Modelle bereithalten, um die Planung in anderen Bereichen vorausschauend zu unterstützen.
2. Striktes Befolgen von EA-Frameworks
Viele IT-Verantwortliche geben ihre Verantwortung ab, wenn es um die Festlegung geeigneter Prozesse in der Unternehmensarchitektur geht. Blind übernehmen sie eines der verbreiteten EA-Rahmenwerke, zum Beispiel das der Open Group oder das Zachman Framework. Sie folgen den Vorgaben der Frameworks wie einem Kochrezept - ohne sich vorher Gedanken zu machen, was ihr Unternehmen braucht.
Das Ergebnis sind Gartner zufolge oft EA-Richtlinien, die in irgendeiner Ablage verstauben und von niemand beachtet werden. Die Berater betonen: Ein Rahmenwerk zu befolgen macht nur Sinn, wenn es die Anforderungen des eigenen Unternehmens unterstützt. Niemals sollte ein Framework den gesamten EA-Prozess lenken. Stattdessen sollte es der Orientierung dienen und auf Firmenkultur und Technologie-Trends angepasst werden, wo immer nötig.
3. Standardisierung auf das Nötigste beschränken
Wer die Unternehmensarchitektur formen will, braucht zum einen Führungsstärke, muss vor allem aber auch kommunizieren und andere einbinden. Vor diese Herausforderungen gestellt, beschränken sich nach Beobachtung von Gartner viele IT-Verantwortliche einzig darauf, möglichst viele Standards für alle möglichen eingesetzten Technologien und Prozesse zu definieren. Standardisierung sei zwar einerseits ein lobenswerter Ansatz, weil sie Zeit und Kosten sparen helfe, meinen die Gartner-Berater. Gehe sie allerdings nicht einher mit einer Abstimmung auf die Anforderungen des Firmengeschäfts, könne es sogar zur Meuterei kommen.
Die Workshop-Teilnehmer berichteten unter anderem, Nutzer umgingen oder ignorierten die Standards, scholten die EA-Zuständigen für ihre angeblich schlechte "Standard-Politik" oder sähen EA-Vorhaben zusehends als nicht-strategisch an. Als Ausweg empfehlen die Berater die Beschränkung von Standards auf das Notwendigste.
4. Lähmung durch schlechte Führung
Viele EA-Teams geraten den Berichten auf dem Gartner-Workshop zufolge in einen Zustand, in dem sie unbeweglich und unfähig sind, Entscheidungen zu fällen. Diese Situation ist nicht selten das Ergebnis mehrerer Faktoren: Zu wenig Weitblick, zu laxe Steuerung und eine Fülle unkoordinierter EA-Vorgänge. Dabei geht der Überblick dafür verloren, was tatsächlich wichtig ist, die Verantwortlichen verzetteln sich in Einzelheiten.
Projekte rund um die Unternehmensarchitektur sollten daher frühzeitig geplant werden. Festgelegt werden sollte ihr Umfang, welches Ziel damit angepeilt wird und wer für die einzelnen Projektschritte verantwortlich ist. Ist das nicht zu Anfang geschehen, sollte das EA-Team sofort innehalten und diese Dinge regeln, empfiehlt Gartner.
5. Mangelnder Business-Fokus
Zum Problem kann für Firmen auch die Selbstverliebtheit der Unternehmensarchitekten werden. Sie betrachten ihr Tun nur noch für sich und achten nicht mehr darauf, ob sie Strategie und Pläne ihres Arbeitgebers unterstützen. Das ist Gartner zufolge der falsche Ansatz. Der Architekt muss vor allem pragmatisch handeln.
Um bei EA-Initiativen nicht den Bezug zum übrigen Unternehmen zu verlieren, sollte die zuständige Mannschaft ihre Ergebnisse regelmäßig vorstellen und sich dabei Meinungen einholen. So kann laufend sichergestellt werden, dass ich ein Vorhaben nicht verselbständigt, sondern weiterhin die Geschäftsziele im Mittelpunkt stehen.
6. Im Elfenbeinturm sitzen
In vielen EA-Abteilungen sitzen vor allem Mitarbeiter mit großem technischem Wissen. Sie sehen sich häufig als Elite-Truppe auf ihrem Gebiet an, die dem Rest der Firma sagt, was zu tun ist. Bei dem breitet sich mit der Zeit Frust aus über die Kollegen, die sich in ihrem Elfenbeinturm abschotten und unempfänglich für Kritik sind.
Eine rein Technik-orientierte Besetzung von Abteilungen für Unternehmensarchitektur ist kontraproduktiv. Stattdessen sollten darin auch Köpfe Platz finden, die andere motivieren und immer den Unternehmenserfolg im Blick haben. Ein guter Unternehmensarchitekt sollte außer seinem speziellen Technikwissen auch hervorragendes Geschick im Umgang mit anderen Menschen besitzen.
7. Schlechte Kommunikation
Bis Jahresende werden einer Vorhersage von Gartner zufolge 55 Prozent aller Unternehmungen rund um Enterprise Architecture dem Rotstift zum Opfer fallen. Besonders gefährdet sind demnach Projekte, deren Wert nicht auf den ersten Blick deutlich wird. Ein Architekt, der den Nutzen seiner Arbeit nicht vermitteln kann, riskiert folglich seine Stelle. Am erfolgreichsten sind die Architektur-Programme, die viel Wert auf Kommunikation legen, wie Gartner aus Gesprächen mit Kunden berichtet.
Die Berater raten EA-Teams, ihre Arbeitsergebnisse anderen Mitarbeitern von Business- wie von IT-Seite zugänglich zu machen. Soziale Netzwerke, Blogs und Wikis können Wege sein, um Informationen über die Architektur zu verbreiten. Ausdrücklich sollen nicht nur abgeschlossene Dokumente verbreitet werden, sondern auch Einblicke in laufende Projekte möglich sein.
8. Keine Rückkopplung mit IT-Anwendern
Neben der Möglichkeit, Informationen über die eigene Arbeit zu streuen, versäumen viele IT-Verantwortliche es auch, sich die Mitarbeit anderer zu sichern und deren Meinung einzuholen. Ideen, die EA-Vorhaben vorwärts bringen, entstünden oft erst im laufenden Prozess, betonen die Marktbeobachter von Gartner. Wer Kanäle einrichte, über die er Rückkopplung von den Nutzern einhole, merke zudem frühzeitig, wenn die Anwender ein Projekt missverstehen.
9. Technik-getriebene Entwicklung
Vielerorts ist der IT-Chef die treibende Kraft hinter EA-Initiativen. Er sieht sich einer zerklüfteten Vielfalt von Systemen, Anwendungen, Netzwerken und Diensten gegenüber und will sie aufeinander abstimmen und aufs Geschäft ausrichten. Dieser Ansatz mache die Unternehmensarchitektur oft zur bloßen Technikarchitektur.
Die Folge: In weniger technikorientierten Firmenteilen werden die Arbeitsergebnisse der Architekten wegen ihrer fehlenden Geschäftsausrichtung schlecht angenommen. Der Rat von Gartner lautet: Architektur-Vorhaben müssen danach geplant werden, welche Anforderungen des Business sie erfüllen sollen, welche Risiken und Vorteile damit verbunden sein können.
10. Fachidioten am Werk
Wenn in der EA-Einheit nur Technik-Profis sitzen, behindert das nicht nur die Kommunikation nach außen. Auch die Arbeit innerhalb der Abteilung bringt dann womöglich nicht das bestmögliche Ergebnis, weil der technikzentrierte Blickwinkel vorherrscht.
In die für Unternehmensarchitektur verantwortliche Einheit gehören auf jeden Fall Mitarbeiter, die umfassendes Wissen rund ums Firmengeschäft, die Belegschaft, Organisatorisches und Prozesse besitzen. Die Zusammensetzung des Teams sollte vielfältig sein, nötig sind laut Gartner Mitarbeiter mit unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen.
11. Tools verhindern Sicht auf Unternehmensstrategie
Um eine EA-Initiative schnell auf den Weg zu bringen, setzen viele Firmen spezielle Software ein, wie sie auf dem Gartner-Workshop bekannten. Solche Projekte folgen dann vor allem den Vorgaben dieser Werkzeuge und nicht dem, was für das Unternehmen wichtig wäre. Die Beschäftigung mit einer Software verlagert zudem den Blick der Mitarbeiter weg von Strategie und Geschäftszielen, speziellen Problemen und geeigneten Prozessen.
Das Ergebnis sind oft Lösungen, die auf lange Sicht die Bedürfnisse des Unternehmens nicht erfüllen, deren Entstehung aber viel gekostet und den Mitarbeitern viel Mühe abgerungen hat.
12. Dokumentation des Status Quo
Gartner berichtet von einem Kunden, der ein Beratungsunternehmen mit der Planung seiner Enterprise Architecture beauftragt hatte. Das Ergebnis war ein 85-seitiges Papier, das säuberlich alle im Unternehmen verwendeten Technologien und Anwendungen auflistete. Das vernichtende Urteil der Gartner-Berater: Das hat nichts mit EA zu tun. Eine Inventur in der Informationstechnologie sei zwar kein Fehler, gehöre aber zum Alltagsgeschäft eines guten CIOs. Firmenarchitektur müsse allerdings darüber hinaus gehen, müsse statt einer bloßen Bestandsaufnahme zukunftsweisend sein.
13. "Wir sind fertig."
Enterprise Architecture darf Gartner zufolge kein Projekt sein, das einmal unternommen und dann abgeschlossen wird. Stattdessen handle es sich um einen ständigen Prozess. Einzelne Vorgänge könnten durchaus als Projekt angesehen werden. Grundsätzlich sei EA aber ein fortlaufendes Unterfangen - ähnlich wie Budgetierung, Strategieplanung oder Process Performance Management.