Im Dezember hat sich "Voice" gegründet, jetzt krempeln die im Verband der IT-Anwender organisierten CIOs die Ärmel hoch: Die Arbeit des neuen CIO-Netzwerks konzentriert sich zunächst auf zwei Schwerpunkte - Rechtssicherheit beim Cloud Computing und die Suche nach Wegen gegen den Fachkräftemangel. "Wir finden immer schwerer die richtigen Leute am Markt", sagt Hermann Kruse, CIO der Deutschen Bahn und Mitglied im Präsidium von Voice. Kruse weiß das aus eigener Erfahrung: Der bahneigene IT-Dienstleister DB Systel konkurriere etwa am Standort Frankfurt am Main mit anderen Unternehmen um junge Fachkräfte.
Zu dem rein zahlenmäßigen Mangel kommt für den Bahn-CIO das Problem, dass Hochschulabsolventen nicht all die Fertigkeiten mitbringen, die Unternehmen benötigen. Gute Java-Programmierer oder IT-Architekten bekomme man durchaus. "Sehr schwierig ist es aber, für die CIO-Seite, den Demand-Bereich, geeignete Mitarbeiter zu finden", sagt Kruse. Wie beauftragt man Projekte, welchen Inhalt müssen Service Level Agreements haben? Wissen, um solche Fragen zu beantworten, fehle den meisten.
Die Anbieterseite sei schon weiter als die Anwender. Hersteller wie SAP oder Microsoft hätten längst große Programme mit Hochschulen aufgelegt und nähmen Einfluss auf Lehrinhalte. Weil es Ähnliches auf Anwenderseite so schnell nicht geben wird, setzt Kruse auf Eigeninitiative. Die Deutsche Bahn hat eigene Weiterbildungsprogramme aufgelegt, etwa für Strategische IT-Planung, Anforderungs- oder Lifecycle-Management. "Wir können so was intern machen, weil wir eine gewisse Masse haben", sagt Kruse.
CIOs miteinander vernetzen
Für viele kleinere Firmen sei das kaum möglich. Ihnen soll der Austausch über Voice helfen. Im Anschluss an eine Podiumsdiskussion über den IT-Fachkräftemangel auf der CeBIT werde man im "House of CIOs" Gespräche zu dem Thema führen. So will der IT-Anwenderverband Interessierten den Dialog mit CIOs ermöglichen, auf die Möglichkeiten in IT-Anwenderunternehmen hinweisen und bestehende Initiativen vernetzen. In diesem Frühjahr werden sich Vertreter von Voice außerdem mit einem Kreis von Hochschullehrern treffen, um über Ausbildungsinhalte zu sprechen, die in IT-Abteilungen gefragt sind.
Zum zweiten Arbeitsschwerpunkt haben Voice und der Bitkom Mitte Februar bereits einen Workshop veranstaltet. In Frankfurt trafen sich CIOs mit Vertretern der Anbieterseite, darunter Microsoft, und Experten zur Diskussion über Standards, Zertifizierung und den rechtlichen Rahmen beim Cloud Computing. Ziel des Arbeitstreffens aus Sicht von CIOs: mehr Planungs- und Gestaltungssicherheit.
Das Format solcher Workshops könnte bei Voice Schule machen. "Wann immer Themen aus unserem Netzwerk mit Arbeitskreisen des Bitkom zusammenpassen, kann man so etwas zusammen machen", sagt Christoph Hecker, Geschäftsführer des CIO-Netzwerks. An Rechtssicherheit in der Cloud seien Anbieter und Anwender interessiert. Somit eigne sich das Thema gut, um sich in gemeinsamen Arbeitstreffen Schritt für Schritt näherzukommen. Ob beide Seiten dabei zu einer gemeinsamen Position kämen, müsse sich allerdings erst zeigen. "Ob der Bitkom mit seinem heterogenen Anbieter-Reich sich so schnell auf Standards festlegen lässt, ist fraglich", sagt Hecker.
Fragen an die Community stellen
Lufthansa-CIO und Voice-Präsidiumssprecher Thomas Endres indes machte in seinem Vortrag auf den Hamburger IT-Strategietagen deutlich, was für ihn das wünschenswerte Ziel der Cloud-Diskussion mit der Anbieterseite wäre: ein "Shared-Data-Konzept", ein gemeinsam vereinbarter rechtlicher Rahmen zwischen Anbietern und Anwendern. "Ein Shared-Data-Konzept könnte für uns einen Riesen-Durchbruch bei Cloud bringen", sagte Endres.
Was weitere Themen außer Cloud und Recruiting angeht, gibt sich Voice nach außen noch zurückhaltend. Man hat sich im Leitbild zur Gründung des Verbands dem Prinzip "Tiefe statt Breite" verschrieben. "Das heißt, dass wir nicht zu allem etwas sagen und nicht auf alle Hype-Themen sofort aufspringen müssen", sagt Hecker.
Als "Services" für seine Mitglieder wird Voice Formate weiterführen, die sich in den Vorgänger-Organisationen bewährt haben. Endres nannte als Beispiel den Ansatz "CIO fragt - Kollege antwortet". Fragen können die über das Netzwerk verbundenen IT-Chefs in der Community posten. "Ein geniales Format", sagt Endres. Zum fachlichen Austausch treffen sich die in Voice organisierten CIOs außerdem in Arbeitsgruppen. Aus den Diskussionen in diesem Rahmen entstehen Whitepapers, die anschließend den anderen Mitgliedern zur Verfügung stehen.
Wie viel die Mitgliedschaft im IT-Anwenderverband kostet, darauf blieb Endres in Hamburg eine exakte Antwort schuldig. Der Verband biete zum einen eine Art Basis-Mitgliedschaft für einen dreistelligen Betrag an. In diesem Tarif erhalten Mitglieder Zugriff auf die Netzwerkplattform und können bei selbst organisierten Themen mitwirken. Für umfassende Dienstleistungen ist laut Endres ein vierstelliger Betrag fällig.
Während Voice als Stimme der CIOs deutscher Unternehmen nach außen schon auftritt, nimmt der Verband von innen zur gleichen Zeit erst Gestalt an. Peu à peu treten Mitglieder aus den bisherigen Netzwerken über, deren Vertreter die neue Organisation gegründet haben - CIO-Colloquium, CIO-Circle und CIO-Forum. In allen drei bisher bestehenden Netzwerken ist der Prozess zur Auflösung angestoßen.
Alte Netzwerke vor der Auflösung
Das CIO-Colloquium hat Mitte Januar in Hamburg seine Jahrestagung abgehalten. Aufgelöst hat sich das Netzwerk dort noch nicht. Zunächst habe man noch einmal alle Mitglieder formell informiert, dass der Übergang zu Voice anstehe, sagt Christoph Hecker.
Beim im Unterschied zum Colloquium eher mittelständisch geprägten CIO-Circle ist der Übergang in die neue Organisation ebenfalls noch nicht vollzogen. Ende April veranstaltet der CIO-Circle für seine Mitglieder in Stuttgart seine zehnte Jahrestagung. Tags zuvor treffen sich in dem Netzwerk organisierte CIOs zum Golfturnier, dann stehen zwei Tage mit Fachvorträgen und Workshops an unter dem Thema "Der CIO als Change Manager". Eigentlich eine Jahrestagung wie eh und je. Doch natürlich werde es zum Thema Voice viel zu reden geben, sagt Peter Meyerhans. Als CIO beim auf Bau- und Immobilienprojekte spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer mit Sitz in Stuttgart leitet er dieses Jahr das Organisationsteam der Tagung. Er sagt: Zwar sei "die Trauerarbeit zum Ende des CIO-Circles noch nicht bei allen vollbracht", doch die hitzigsten Diskussionen zu dem Thema habe man wohl hinter sich.
eim CIO-Forum geht die Auflösung nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Franklin mit einem "Papierkrieg" einher. Das CIO-Forum ist ein eingetragener Verein, der sich nach rechtlichen Vorgaben abwickeln muss. Für den 20. März ist in Frankfurt am Main die Hauptversammlung einberufen, auf der die Mitglieder die Liquidation beschließen müssen. In der zweiten Jahreshälfte, so ist laut Franklin geplant, werden alle Aktivitäten auf Voice übergehen. Mit einer Abschlussbilanz wird Ende 2012 dann das Bestehen des CIO-Forum zu Ende gehen. Abgesehen vom Verwaltungsaufwand wird es wohl keine Hindernisse bei der Auflösung geben. "Nach dem bisherigen Feedback der Mitglieder wird das problemlos durchgehen", sagt Franklin.
Bitkom offen für den Dialog
Klappt der Übergang wie von den Voice-Gründern geplant, wird das neue CIO-Sprachrohr zu einem gewichtigen Verband. Das bisherige CIO-Colloquium hat rund 90 Mitglieder, die nach eigenen Angaben ein IT-Budget von 40 Milliarden Euro repräsentieren. Im CIO-Circle haben sich laut dem Netzwerk 936 Mitwirkende informell zusammengeschlossen. Als vor gut einem Jahr die Idee des Bundesverbands der IT-Anwender erstmals in die Öffentlichkeit getragen wurde, sprach der heutige Präsidiums-Chef von Voice Thomas Endres davon, die neue Organisation werde rund 1000 Mitglieder haben und für ein IT-Budget von zusammen 100 Milliarden Euro stehen - sofern alle Mitwirkenden und Mitglieder der bestehenden Verbände übertreten.
Beim IT-Branchenverband Bitkom, der neben der Politik Hauptadressat der von Voice vorgetragenen Forderungen sein wird, sieht man die neue Einstimmigkeit der Anwender gelassen. Nachdem sich Voice vergangenen Dezember pünktlich zum IT-Gipfel in München vorgestellt hatte, sagte Bitkom-Präsident Dieter Kempf zu unserem Magazin: "Was kann denn für einen Lieferanten schlecht daran sein, wenn er direkte Anbindung an den Kunden hat?"
Aus Drei mach Eins - Wie "Voice" geboren wurde |
Fast ein Jahr dauerte es von der Ankündigung bis zur Entstehung eines bundesweiten Verbands der IT-Anwender. Vor der CeBIT 2011 ging Thomas Endres als Sprecher des CIO-Colloquiums mit der Idee an die Öffentlichkeit, den CIOs als Vertretern der Anwenderseite "eine Stimme" zu geben. Vertreter von Colloquium, CIO-Circle und CIO-Forum gründeten schließlich Anfang Dezember "Voice". Die neue Organisation ist ausdrücklich kein Dachverband über den bisherigen Netzwerken. Sie sollen stattdessen darin aufgehen. |
CIO-NET: Weiteres Netz in Deutschland gestartet
Kurz bevor sich im Dezember "Voice" vorstellte, trat ein weiterer Akteur auf den Markt der deutschen CIO-Netzwerke: CIO-Net Deutschland, der Ableger eines schon in anderen europäischen Ländern aktiven Netzwerks. 2005 in Belgien gegründet, ist CIO-Net auch in Großbritannien, Irland, Frankreich, Norwegen, Spanien, Italien und in den Niederlanden vertreten. 3330 CIOs und IT-Manager der Ebene darunter gehören dem Netzwerk nach eigenen Angaben an. Mitglied werden kann, wer sich als CIO qualifiziert und von einem Mitglied eingeladen wird. Für IT-Chefs ist die Mitgliedschaft kostenlos. Das "Advisory Board", ein Gremium von CIOs, legt die Agenda fest. Unterstützt wird das Netz von 70 IT-Unternehmen.
Wichtigstes Ziel von CIO-Net ist der inhaltliche Austausch - auch mit der Anbieterseite. Der sei ganzjährig möglich, und das "bewusst außerhalb einer kommerziell geprägten Umgebung", wie Deutschland-Geschäftsführer Tobias Frydman betont. Deshalb werde CIO-Net wahrscheinlich auch nicht im Umfeld der CeBIT auftreten. Politische Interessenvertretung hat sich das Netzwerk ebenfalls auf die Fahnen geschrieben: Man stehe im regelmäßigen Austausch mit der Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes.
Fachlicher Austausch und politische Vertretung - trotz ähnlicher Ziele will Frydman CIO-Net nicht als Konkurrenz zu Voice oder anderen Netzwerken verstanden wissen. Man suche den Dialog zu den anderen CIO-Verbänden und sei auch offen für deren Mitglieder.
Erste Netzwerkveranstaltung des CIO-Net in Deutschland wird am 14. Juni in Frankfurt eine Diskussion über die sich verändernde Rolle des CIO unter dem Titel "IT Enabled Leadership" sein. Für Mitte November ist in München die Jahrestagung geplant. Unter dem Titel "Der perfekte Sturm" wird dort darüber diskutiert, wie CIOs den tief greifenden Veränderungen durch neue Technologien begegnen.
Auf europäischer Ebene veranstaltet CIO-Net mit der Management-Schule Insead am 19. und 20. April in Brüssel die Konferenz "CIO City". Thema ist "The IT Organisation of the Future". Dort wird der "European CIO of the Year" gewählt. Unter den bisher Nominierten sind auch Kandidaten aus deutschen Unternehmen: Carsten Bernhard von Autoscout24, Oliver Bussmann von SAP, außerdem Kurt de Ruwe von Bayer MaterialScience.