Auf der Konferenz "World of Health IT" äußerte sich jüngst die EU-Kommissarin und "Commissioner for the Digital Agenda" Neelie Kroes zum Stand der IT-gestützten Teamarbeit im Gesundheitswesen: "In der Vergangenheit haben wir vor allem Lösungen gesehen, die von guten Absichten getrieben, aber letztlich unzureichend waren. Dies lag an den verschiedenen im Einsatz befindlichen Produkten, die nicht aufeinander abgestimmt waren."
Kroes charakterisiert so eine gerade für das Gesundheitswesen typische Situation: das kunterbunte Durcheinander von divergierender Software ohne geeignete Schnittstellen zu anderen Systemen. Doch für die nächste Zukunft zeigt sie sich – ganz Politikerin – optimistisch, da sich die heutige IT-Technologie für das Gesundheitswesen so weit entwickelt habe, dass ein gemeinsamer Zugriff auf die Patientendaten in allen Gesundheitsorganisationen ohne Probleme möglich sei.
IDC Health Insight hat zusammen mit Intel diesen Faden aufgenommen und verschiedene Studien zu den Themen Teamworking und klinische Mobilität vorgelegt. In dem Report "Cooperation, Communication, Coordination: Three Pillars of Collaborative Teamwork" beschreiben die Marktforscher, wie sich die Bedingungen für mehr Kooperation in den Krankenhäusern geändert haben und welchen Beitrag dazu mobile Technologien leisten.
Kernthese: Gezwungen zur Änderung
Ihre Kernthese: Medizinische Einrichtungen müssten schon deshalb offen sein für neue Formen der Zusammenarbeit, weil sich die Bevölkerung generell auf den Gebrauch von Smartphones oder Tablets umgestellt habe und dies auch von Ärzten und Pflegepersonal erwarte. Diesem Druck würde schon jetzt ein Teil der medizinischen Fachkräfte gerecht, indem sie ihre eigenen mobilen Geräte auch am Arbeitsplatz einsetzen. Allerdings muss BYOD (Bring Your Own Device) von der Klinikleitung und der IT-Abteilung unterstützt werden.
Noch stößt dieser Einsatz an seine Grenzen. Oft ist es aus technischen Gründen nicht möglich, die bevorzugten Geräte in das Netzwerk des Krankenhauses einzubinden, wie 40 Prozent der von IDC befragten Ärzte in Nordamerika und Westeuropa angaben. Krankenschwestern berufen sich auf diesen Grund nur zu 16, 7 Prozent, während sie auf zu wenig Kenntnisse und Schulung (50 Prozent) und auf zu geringe finanzielle Unterstützung (41,7 Prozent) verweisen.
In Westeuropa spielt außerdem der begrenze Zugang zu WiFi-Netzen eine größere Rolle (45 Prozent der Befragten). IDC Health Insight ermittelte auch, dass 86 Prozent der Ärzte und 74 Prozent der Krankenschwestern hier für die nächsten zwölf bis 24 Monate deutliche Verbesserungen erwarten.
Ärzte täglich 8 bis 9 km zu Fuß unterwegs
Als Hintergrund für diese Daten dient eine Untersuchung des BMJ (British Medical Journal), nach der Ärzte pro Tag etwa 8 bis 9 km in ihrem Krankenhaus zu Fuß unterwegs sind, um Patienten zu betreuen, und während dessen sehr häufig mit Kollegen oder Fachabteilungen telefonieren oder Tablet-Applikationen konsultieren. Krankenschwestern halten sich dagegen in der Regel nur in ihren Abteilungen auf, wobei aber auch sie 3 bis 4 km täglich zurücklegen und sich dabei in Netze einwählen. Ein effektiver Informationsfluss ohne Netzaussetzer oder andere Störungen ist daher für beide Berufsgruppen von essentieller Bedeutung.
Die 4 Cs: Consume, Create, Circulate, Collaborate
IT-Abteilungen müssen laut IDC bemüht sein, die hausinternen Teamkompetenzen zu erhöhen – auf technologischer und auf Prozessebene. Die Analysten haben dafür in der Studie "The Second Wave of Clinical Mobility: Strategic Solution Investments for Mobile Point of Care in Western Europe" die "vier Cs der klinischen Mobilität" formuliert: Consume, Create, Circulate, Collaborate.
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Mit Consume beziehen sie sich auf den Zugang zu den notwendigen medizinischen und Patienteninformationen sowie weitere Online-Quellen.
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Create betrifft die Möglichkeiten, jederzeit und an verschiedenen Orten im Krankenhaus Dokumente einsehen und ergänzen zu können sowie Anweisungen zu geben und Notizen zu machen.
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Circulate meint den Anstoß von Transaktionen, senden und erhalten von Botschaften und Alerts.
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Mit Collaborate werden die Teamarbeit und der dafür notwendige Informationsaustausch angesprochen. Beides setzt die vorherigen "Cs" voraus.
Ein besonderes Problem haben die IDC-Mitarbeiter für Westeuropa eruiert: Krankenhausmitarbeiter benutzen hier im Durchschnitt täglich zehn verschiedene mobile Geräte, während es in Nordamerika gerade einmal durchschnittlich 2,7 sind. Dieser Wirrwarr unterstützt mit Sicherheit nicht die Qualität der medizinischen Betreuung. Standardisierung und Beschränkung sollten deshalb eine hohe Priorität einnehmen.