Bei Herstellern stehen Anwender unter dem Generalverdacht der Unterlizenzierung. Sie drohen mit Audits und Nachzahlungsforderungen. Die Special Interest Group "Software Asset Management" des Voice Anwenderverbandes sorgt mit Checklisten, Best-Practice-Austausch und vorformulierten Lizenzklauseln für mehr Chancengleichheit zwischen Anbietern und Anwendern.
Das Beispiel eines namhaften Herstellers zeigt das ganze Dilemma: Er bietet seinen Kunden rund 3000 unterschiedliche Softwareprodukte mit 40 verschiedenen Lizenzmodellen an. Allein im Jahr 2010 veröffentlichte er 1400 Lizenzbestimmungen. Das sind 26 veränderte Bestimmungen pro Woche. Damit steht er keineswegs allein. Alle Anbieter pflegen eine Programmvielfalt mit entsprechend vielen Lizenzmodellen.
Und sie klagen im Ernstfall ein, dass die Beweislast beim Kunden liegt. Er muss dem Hersteller nachweisen, dass alle von ihm eingesetzten Softwarelösungen korrekt lizenziert sind. Hersteller überprüfen das bekanntlich gerne mit Software-Audits, die sie entweder selbst oder mit Wirtschaftsprüfern durchführen. Diese Überprüfungen, in denen bis zu acht Jahre in die Vergangenheit hinein untersucht wird, sind aufwendig. Sie dauern inklusive Vorbereitung, der eigentlichen Untersuchung und der anschließenden Settlement-Verhandlungen bis zu ein halbes Jahr.
Die 4 Probleme beim Lizenz-Management
Große Anwender müssen damit rechnen, dass sie ein- bis zweimal pro Jahr geprüft werden. Angesichts dieser Situation verwundert es nicht, dass sich seit 2012 die Special Interest Group (SIG) "Lizenz- und Software Asset Management" mit 30 Mitgliedern aus großen und mittelständischen Anwenderunternehmen dieses heiklen Themas angenommen hat. SIG sieht vor allem vier Übel:
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Hersteller nutzen unterschiedliche Lizenzmetriken - das heißt, die Lizenzkosten werden unterschiedlich gemessen, zum Beispiel nach Zahl der Nutzer, nach Nutzungsintensität (Rolle der Nutzer), nach Menge der CPUs, auf denen die Software läuft, oder auch nach sogenannten Concurrent Usern. Bei Letzteren hängt die Höhe der Kosten von der Menge der User ab, die eine Software gleichzeitig nutzen. Häufig werden auch Mischungen aus diesen Bemessungsgrundlagen für die Lizenzkosten zugrunde gelegt. Diese Metriken unterscheiden sich nicht nur von Hersteller zu Hersteller, sondern auch von Produkt zu Produkt eines Herstellers.
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In verschiedenen Ländern gelten unterschiedliche Lizenzbestimmungen und unterschiedliche Preise. Wenn also ein Unternehmen die Lizenzen in Deutschland kauft, sie aber in Ungarn einsetzt, heißt das nicht automatisch, dass der Softwareeinsatz in Ungarn den dortigen Bestimmungen des jeweiligen Herstellers entspricht.
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Die Tools, die eingesetzt werden, um festzustellen, welche SW-Produkte im Unternehmen auf welchen Servern laufen, von wie vielen Usern sie intensiv genutzt werden und ob das mit den Lizenzbestimmungen der Hersteller übereinstimmt, sind in der Regel nicht universell einsetzbar. Jeder Hersteller bietet solche Tools nur für sein Portfolio an. Lediglich die sogenannten Software-Asset-Management-Tools, die nur feststellen können, welche Software von wie vielen Nutzern eingesetzt wird, fungieren herstellerübergreifend. Allerdings setzen sie ein unternehmensweit eingesetztes System-Management voraus.
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Last but not least machen die zunehmende Virtualisierung und das Cloud Computing die Lizenzverwirrung komplett. Vor allem auch deshalb, weil bei Weitem nicht alle Hersteller nachvollziehbare Lizenzlösungen dafür festgelegt haben. Gerade beim Cloud Computing kauft der Anwender keine Software, sondern mietet einen Service im Pay-as-you-go-Verfahren. Da stellt sich zum Beispiel die Frage, ob er die dem Service zugrunde liegende Datenbank oder das ERP-System lizenzieren muss und in welchem Umfang.
Die SIG hat ihre Mitglieder bereits mit verschiedenen Werkzeugen versorgt, die Anwender und Hersteller auf Augenhöhe bringen können, zum Beispiel mit universell einsetzbaren Lizenzklauseln und individualisierbaren Checklisten. Die vorformulierten Lizenzklauseln beinhalten die wichtigsten Streitpunkte in Lizenzverträgen und versuchen, sie fair zu regeln. Da geht es zum Beispiel um Regeln für Nutzungsrechte und Rechnungen, Downgrade- und Upgrade-Rechte, Konzernnutzungs- und Cross-Language-Rechte, das Reporting, Regelungen für mögliche Audits, Gebrauchtsoftware oder Vertragsänderungen.
Gebrauchtsoftware: Recht des Weiterverkaufs einräumen lassen
Zum Thema Gebrauchtsoftware empfiehlt die SIG übrigens, sich gleich bei Vertragsabschluss explizit das Recht des Weiterverkaufs einräumen zu lassen, und zwar auch in Form von Online- und OEM-Lizenzen. "Aus Anwendersicht wird es höchste Zeit, eine gemeinsame Position zu den Lizenz- und Vertragsmodellen der Anbieter zu entwickeln", erklärt Jörg Rieker, Managing Partner der Licetus GmbH, die Anwenderunternehmen in Lizenzfragen unterstützt. Rieker berät auch die Special Interest Group.
voice - Jahrestagung in Berlin Der Anwenderverband Voice tagt am 1. und 2. April in Berlin. An den zwei Tagen werden drängende Fragen netzwerkübergreifend diskutiert. In parallelen Streams tauschen sich die Teilnehmer zu aktuellen IT-Themen aus und lernen Best-Practice-Beispiele kennen. Das Event stellt gleichzeitig die größte unabhängige Versammlung von CIOs großer und mittelständischer Unternehmen im deutschsprachigen Raum dar. Beste Gelegenheit also für hochkarätige Kontakte. Als Teilnehmer haben Sie die Möglichkeit, an konkreten Fachthemen wie Architektur, Sourcing oder Software-Compliance zu arbeiten und die Interessenvertretung zum Beispiel hinsichtlich der Anforderungen an das "Sicherheitsumfeld" weiterzuentwickeln. In der Mitgliederversammlung stehen Entscheidungen über die zukünftige Ausrichtung und die Struktur des Verbandes an. Weitere Informationen finden Sie unter: http://voice-ev.org/jahrestagung-agenda |