Apple, der Teufelskreis
Wer einmal die Welt von Apple betreten hat, wird sich schwer tun, wieder herauszufinden. In seiner 33-jährigen Firmengeschichte hat der amerikanische Konzern die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher immer weiter eingeschränkt. Ein Zustand, den man als „Lock In“ bezeichnet. Wer einmal ein Gerät von Apple gekauft hat wird, nur schwer auf Produkte anderer Firmen wechseln können, ohne alles zu verlieren, wofür er bislang bezahlt hat.
Natürlich wollen viele Leute die schillernde Apple-Welt gar nicht mehr verlassen. Immerhin wimmelt es dort vor iPhones, MacBooks und anderen coolen Sachen. Und Apple ist längst nicht die einzige Firma, die versucht, ihre Kunden an sich zu binden. Genauso wenig ist Apple der einzige Konzern, der ein Produkt als Sprungbrett für den Verkauf eines weiteren Produkts an den gleichen Kunden benutzt – hier kann man ruhigen Gewissens Microsoft als Spitzenreiter betiteln. Aber keine andere Technologie-Firma übt den gleichen Grad an Kontrolle über ihre Kunden aus, insbesondere darüber, was sie mit ihren gekauften Produkten tun können und was nicht.
Eine Rolle in diesem Dilemma spielt zweifellos Apples eiserner Glaube daran, dass von einem geschlossenen Ökosystem mit strikten Vorgaben sowohl Apple als auch seine Kunden profitieren. Eine weitere Rolle spielt der „Drahtzieher“ des ganzen Kontrollwahns, Apples CEO Steve Jobs. Unterm Strich: Apple stellt großartige Produkte her, aber seine Marketingstrategien schränken die Verbraucherwahl ein und kosten den Kunden mehr Geld. Wir stellen 5 klassische Beispiele dafür vor, wie Apple seinen Kontrollwahn ausübt.
iPod und iTunes - unzertrennlich
Als der iPod im Herbst 2001 auf den Markt kam, gefolgt vom iTunes Music Store im Frühling 2003, war nur wenigen frühen Käufern bewusst, auf was für eine Verpflichtung sie sich einließen, als sie ihren Multimedia-Player und die dazu passenden Medien aus ein- und derselben Quelle kauften. Wegen Apples Digital Rights Management-Erklärung konnte bis April 2007 jeder im iTunes Store gekaufte Musikclip nur an drei verschiedenen Orten wiedergegeben werden: auf einem iPod, über die iTunes-Software am eigenen Computer oder auf einem bestimmten Handy-Modell von Motorola, das so gut wie niemand gekauft hat. Wollte man die Songs auf den MP3-Player einer Konkurrenzfirma überspielen, gab es zwei Möglichkeiten: man durchlief den lästigen Prozess, die MP3s auf eine CD zu brennen, sie erneut zu rippen und als MP3s auf den anderen Player zu ziehen, oder, die halb-legale Möglichkeit, eine Software zu nutzen, die den gleichen Vorgang anstatt auf einer CD auf der eigenen Festplatte durchspielt.
Die letzten Überbleibsel dieser DRM-geschützten Musikstücke verschwanden aus iTunes knapp zwei Jahre später. Apple versprach sogar, den DRM aus den Lieddateien zu entfernen, die iPod-Besitzer bereits gekauft hatten, und die Soundqualität für zusätzliche 30 Cents pro Song zu verbessern. Natürlich sind Filme und Fernsehsendungen, die über iTunes verkauft werden, noch immer kopiergeschützt und können auf legalem Wege nicht in ein DRM-freies Format umgewandelt werden.
Die Hardware-Bindung der heruntergeladenen Inhalte wurde für Verbraucher jedoch richtig teuer, als die Akkus der ersten, zweiten und dritten iPod-Generation begannen, ihren Dienst zu versagen. Besitzer konnten entweder die knapp 200 Euro für einen neuen iPod berappen, oder Apple einen Betrag von rund 80 Euro plus zusätzlicher Versandkosten überweisen, um einen neuen Akku in ihr altes Gerät einsetzen zu lassen. Im Juni 2005 legte Apple sogar eine Massenklage von iPod-Besitzern in den USA bei, indem der Konzern jedem Nutzer einen 50 Dollar-Gutschein für weitere Einkäufe bei Apple (außer Downloads) zukommen ließ und ihnen ein weiteres Jahr Garantie für ihr Gerät zusicherte.
In den letzten drei Jahren wurden zahlreiche Kartellverfahren gegen Apple eingereicht, deren Grundlage die enge Bindung des iPod an den iTunes-Store als Quasi-Monopol gewesen ist. Zur Zeit werden diese als Sammelklage in Nord-Kalifornien bearbeitet.
Genau genommen hat Apple mindestens zwei andere Möglichkeiten, dem Vorwurf einer Monopolbildung entgegenzutreten: Der Konzern könnte seine DRM-Technologie anderen Hardware-Herstellern zugänglich machen und somit die Möglichkeit schaffen, auf iTunes gekaufte Medien auch auf anderen Geräten abzuspielen. Vorreiter dieses Systems ist zum Beispiel Amazon mit seinem Video-on-Demand-Service. Apple könnte aber auch seine Wirtschaftskraft dafür nutzen, ein industrieweites DRM-System zu nutzen, wie das von Disney oder Sony. Doch all das ist Wunschdenken. Apple hält bisher weiter an seinem Weg fest, bislang ohne Aussicht auf Besserung.
Verkettet: Das iPhone und der App-Store
Traurig aber wahr: Wer in Deutschland ein sexy iPhone besitzen will, muss unweigerlich Bekanntschaft mit der hässlichen Stiefschwester schließen – T-Mobile. Alternativen? Man könnte es mit einer iPhone-Unlocking-Software versuchen und hoffen, dass Apple in nächster Zeit kein OS Update herausbringt, das das Smartphone in ein nutzloses Stück Hartplastik verwandelt. Der Sim-Lock eines Handys ist eben eine unglückliche Tatsache dieser Tage, gilt aber nicht nur fürs iPhone.
Der Software-Shop des iPhones ist hingegen reine Diktatur. Apps für das Apfel-Smartphone sind ausschließlich im App-Store erhältlich und die Entscheidungen darüber, welche Apps angeboten werden, scheinen immer mehr von einer Laune abhängig. Apps, die die Funktionen des iPhones verbessern würden, wie zum Beispiel Google Voice, das VoIP Anrufe möglich machen würde, sind strikt verboten. Zwar hatten iPhone-Besitzer vor nicht allzu langer Zeit noch die Chance, ihr Handy zu knacken, um auch nicht von Apple freigegebene Software darauf zu installieren (was sie aber das Recht auf Garantie kostete). Seit den Veränderungen mit Erscheinen des iPhone 3GS ist das jedoch nicht mehr möglich.
Apple selbst argumentiert, dass das sogenannte „Jailbreaking“ des iPhones die Urheberrechte verletze. Digital-Rights-Organisationen wie die „Electronic Frontier Foundation“ halten dagegen. Fred von Lohman von der EFF verlangt, dass iPhone-Besitzer die Freiheit haben sollen, an ihren Handys herum zu basteln; insbesondere dann, wenn diese Bastelei Vorteile bringen kann, die Programme aus dem App Store bislang nicht leisten. „Das Gericht hat längst erkannt, dass eigenständige Veränderungen an einem Gerät oder ein Software kein Verbrechen ist, solang diese der Verbesserung der Kompatibilitätseigenschaften mit unabhängig entwickelten, anderen Geräten dient – ein Gesetzeswerk, das Apple bequemerweise nie zur Sprache kommen lässt“, so Lohman.
Einen ganz anderen Weg beschreiten da Open-Source Handys, wie das OS Google Android. Die Besitzer können Apps aus verschiedenen Online-Stores kaufen, darunter AppVee, Handango oder MobiHand. Außerdem dürfen App-Programmierer wesentlich freier mit dem OS-Code und den Handyeigenschaften umgehen. Je mehr Smartphone-Hersteller demnächst ihre eigenen App-Stores eröffnen, desto weiter zieht sich die Schlinge um Apples Hals zu. Die Wettbewerber werden an Popularität gewinnen und spätestens dann muss Apple einsehen, dass ein paar Lockerungen der rigiden Vorschriften nötig sind, damit App-Programmierer nicht abwandern.
Mac Computer nicht ohne Mac OS
Seit Steve Jobs Rückkehr zu Apple anno 1997 ist der Mac ein streng kontrolliertes, in sich geschlossenes System. Die Konsequenz daraus: Horrende Preise und stark begrenzte Möglichkeiten, was die Mac Hardware angeht. Zum Beispiel gibt es noch immer keine Mac-Hardware zum Abspielen von Blu-rays. Und obwohl Apple seine Preise kürzlich gesenkt hat – hauptsächlich wegen einer aggressiven Marketingstrategie des Konkurrenten Microsoft – kostet ein durchschnittlicher Mac Computer rund 600 Euro mehr, als ein vergleichbarer Windows-Rechner.
„Der Mac ist das Paradebeispiel für eine straffe Bindung von Hardware an Software,“ sagt Rob Enderle, führender Analytiker der Enderle Group, einer Organisation zur Beobachtung und Analyse des Technik-Weltmarkts. „Man vertreibt OS und andere wichtige Software-Produkte billig oder gar kostenlos und subventioniert das Ganze mit stark eingeschränkter Hardware. Eine klassische Fehlleitung, doch sie funktioniert, sofern nicht eine dritte Partei mit einem preislich besseren Gesamtpaket den Kampf ansagen kann (und genau das versucht Psystar derzeit).“ Psystars Versuche, eine Hardware zu entwickeln die fähig ist, Mac OS zu betreiben, sind mittlerweile in einen offenen, legalen Machtkampf zwischen ihnen und Apple übergegangen. Nur wenige Beobachter geben Psystar eine reelle Chance, diesen Krieg zu gewinnen.
Doch wie steht es um das Haupt-Argument Apples, dass Hard- und Software vom gleichen Hersteller auch eine bessere Service- und Reparaturversorgung mit sich bringen? Zwar konnte sich Apple in puncto Kundenzufriedenheit und Hardware-Zuverlässigkeit in verschiedenen Gutachten stets vor anderen Herstellern wähnen, in diesem Jahr belegt der Apfel-Konzern jedoch nur den zweiten Platz, weit abgeschlagen hinter dem Kunden-Favoriten Asus. Das geht aus gesammelten Daten des unabhängigen Reparaturservices „Rescuecom“ hervor. Diverse Pannen beim Snow Leopard OS und Leistungseinbrüche bei den neu eingeführten iMacs sprechen ebenfalls dafür, dass der Mac seinen angeblichen Qualitäts-Vorsprung langsam aber sicher verliert.
Installierte Software und ungewollte Apps
Apple zieht einen wahren Rattenschwanz an Anschuldigungen hinter sich her, dass der Konzern seinen iTunes-Mediamanager dafür benutzt, andere Produkte und Services an den Mann zu bringen. Im März 2008 zum Beispiel waren viele Windows-Nutzer überrascht, Apples Web-Browser Safari auf ihrem System vorzufinden – ein kleines Präsent des letzten iTunes-Updates. Mozilla CEO John Lilly rügte Apple für seine Dreistigkeit: „Das untergräbt das vertrauensvolle Verhältnis, das große Firmen und ihre Kunden haben, und das ist nunmal schlecht – nicht nur für Apple, sondern für sie Sicherheit im ganzen World Wide Web.“ Nachdem sich genug Leute beschwert hatten, entschied sich Apple für eine kaum merkbare Veränderung: in das iTunes-Update schlich sich die Kategorie „Neue Software“ als Hinweis auf die Safari-Installation ein.
Im Juli 2008 installierte sich klammheimlich, erneut zusammen mit dem iTunes-Update, der firmeneigene Online-Daten-Synchronisations-Service „MobileMe“ - ohne irgendeinen Hinweis für den Verbraucher. Im September diesen Jahres versuche Apple es wieder: Diesmal wurde mit dem Update des Software-Programms „Boot Camp“ ein iPhone-Konfigurationsprogramm mit installiert. Völlig unabhängig davon, ob der Nutzer überhaupt iPhone-Besitzer ist, oder nicht. Später entfernte Apple dieses Programm wieder aus seinem Windows Update-Service. Doch bis heute wird zusammen mit dem Quick Time Video Player iTunes installiert, ob man nun ein Apple-Gerät besitzt oder nicht.
Schuhe und Spione
Im März 2007 beantragte Apple ein Patent für eine Technologie die es dem Hersteller erlaubt, ein Kleidungsstück mit einem elektronischen Sensor zu versehen, ähnlich dem „Nike iPod Sport Kit“. Dieses Set erlaubte es Trägern von Nike-Schuhen ihre Laufgeschwindigkeit, den Kalorienverbrauch und andere persönliche Daten über den iPod zu messen. Apples Gedanke hinter dem Patent: Die Nutzer davon abzuhalten, den Sensor aus dem Nike-Schuh in ein anderes Schuhmodell einzubauen.
Zwei Monate später meldete Apple ein Patent für eine Technologie an, die Apple-Geräte unter bestimmten Bedingungen davon abhält, sich am PC aufzuladen. Diese Technologie verhindert zwar, dass beispielsweise ein gestohlenes Gerät am fremden Rechner mit Strom versorgt werden kann, es bindet das iPhone oder den iPod aber auch an einen bestimmten PC, nämlich den von Apple autorisierten.
Im letzten August wurde sogar ein Patent für einen Sensor beantragt, der Missbrauchsfälle eines Apple-Gerätes durch den Kunden aufzeichnet. Die Aufzeichnungen dieser Sensoren sollten wahrscheinlich dazu benutzt werden, Garantie-Reparaturfälle abzulehnen, wenn dem Verbraucher eindeutiges Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte.
Zwar ist es Apples Recht, solche Patente anzumelden. Was all diese Technologien jedoch erschreckenderweise aufdecken: es gibt scheinbar keine Grenzen in der Kontrollsucht des Konzerns. Die Frage ist: Stört es Apple-Fans? Blogger Jake Widman ist der Meinung: „Auswahlmöglichkeiten sind überbewertet. Der Verbraucher ist vielmehr daran interessiert, dass etwas funktioniert.“
Dieser Artikel stammt von Dan Tynan von unserer Schwesterpublikation PC World. Übersetzung PC-Welt.