Multiprovider-Management

Die 5 Probleme beim Outsourcing

19.09.2012 von Jörg Hild
Das erfolgreiche Managen von mehreren Dienstleistern sollte vier Bereiche adressieren: Strategie, Serviceschnitte, Governance und Vertragswerk, erläutert Jörg Hild von PwC in seiner Kolumne.

Ein beliebtes Marketing-Schlagwort während der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes Anfang der 90er Jahre lautete "One-Stop-Shopping". Es gewann seine Überzeugungskraft aus den vielfältigen Schnittstellenproblemen multinationaler Unternehmen zu jener Zeit: Um über Ländergrenzen hinweg Netze zu betreiben, mussten sie die Dienste einer Vielzahl nationaler TK-Gesellschaften in Anspruch nehmen.

Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.
Foto: PwC

Traten irgendwo Probleme auf, deutete häufig jeder Betreiber mit dem Finger auf den anderen - und der Kunde stand hilflos da. Die damals neu entstehenden internationalen Netzbetreiber boten als Alternative "alles aus einer Hand".

Diese Schnittstellenprobleme dürften heute vielen Unternehmen bekannt vorkommen, die IT-Services an mehrere Provider ausgelagert haben. Allerdings ist "One-Stop-Shopping" für viele der Unternehmen keine Lösung mehr.

Warum verschiedene Dienstleister?

Nicht von einem Dienstleister abhängig zu sein, Alternativen zu besitzen und (zumindest theoretisch) eine Wettbewerbssituation herstellen zu können - dies sind die wichtigsten Motive von IT-Verantwortlichen, die IT-Gewerke auf verschiedene Anbieter zu verteilen.

Dabei ist die spezifische Kompetenz des Dienstleisters wiederum das erste Kriterium. Eine kürzlich durchgeführte PwC-Studie unter 65 IT-Verantwortlichen im deutschsprachigen Raum besagt: 72 Prozent der Befragten halten ein spezielles Leistungsportfolio für wichtig beziehungsweise sehr wichtig.

Sie entscheiden sich nicht für einen Provider, der sehr viele Dienste sehr breit anbietet, sondern für einen, der den angefragten Service professionell bereitstellen kann. Dies beinhaltet vor allem auch eine Standardisierung auf hohem Niveau.

3 Varianten von Multiprovider-Umgebungen

Wir sehen im Wesentlichen drei Formen von Multiprovider-Umgebungen:

Forciert wird der Trend zu Multiprovider-Umgebungen von dem Cloud-Computing. Es handelt sich hier um kleinere, sehr dezidierte und zugleich standardisierte Services, beispielsweise für Vertrieb, das SAP-System, das E-Mail-System, MS-Office usw. Unternehmen können die Gewerke kleiner schneiden, sie breiter streuen und auch schneller den Provider wechseln. Die Services müssen allerdings intensiver orchestriert werden, womit die Anforderungen an das Multi-Provider-Management steigen.

5 Probleme durch heterogene Anbieter-Landschaften

Damit wären wir beim nächsten Aspekt: Den neuen Herausforderungen, die Umgebungen aus einer Vielzahl von Dienstleistern für alle Seiten mit sich bringen.

1. Gegenseitige Schuldzuweisungen. Ein zentrales Problem ist die Schuldzuweisung der Dienstleister untereinander bei Fehlern oder Ausfällen. Hier ist die Situation mit der eingangs erwähnten Telekommunikationsindustrie der 80er Jahre direkt vergleichbar. So schieben zum Beispiel bei Anwendungsproblemen oft die Betreiber der Server, der Applikation und der Netzwerke einander die Fehlerursache und damit die Verantwortung für deren Behebung zu. Die Folge: Das Problem wird für längere Zeit nicht gelöst, und der Kunde sitzt hilflos zwischen den Stühlen.

2. Provider-Konkurrenz. Wird die - vom Kunden eigentlich angestrebte - Wettbewerbssituation zu stark, zeigt sie ihre Kehrseite: Anstatt zu kooperieren, befinden sich manche Anbieter ständig im Akquise-Modus. Sie wollen anderen etwas wegnehmen, sind mehr darauf ausgerichtet, ihre Mitbewerber zu diskreditieren, als Probleme im Sinne des Kunden gemeinsam zu lösen. Oft unterbleibt die notwendige Kommunikation. So informierte in einem Fall bei einem auftretenden Problem ein Dienstleister zwar den Kunden, nicht aber den anderen Provider, der für den Prozess mitverantwortlich war.

3. Unübersichtliche Vertragslandschaft. In mehr als 90 Prozent der Fälle werden die ausgelagerten IT-Gewerke noch immer einzeln beauftragt und verwaltet, oft von verschiedenen Auftraggebern im Unternehmen zu verschiedenen Zeiten. Die Folge: Jeder Provider hat seinen eigenen Vertrag, der sich von anderen unterscheidet. So differiert häufig die Abrechnung oder es ist unklar, welche Mengenvereinbarungen gelten. Niemand im Unternehmen hat einen Überblick über die gesamte Vertragslandschaft - und meist fehlt eine Instanz, die die Verträge überprüft, um sie zu standardisieren.

4. Verschiedene Ziele. Die Unübersichtlichkeit wird noch größer, wenn die Auftraggeber mit dem Outsourcing verschiedene Ziele verfolgen. Beispielsweise geht es im Desktop-Bereich darum, Kosten zu sparen - das Rechenzentrum hingegen will mehr Sicherheit und die Applikationsentwicklung wiederum möchte Innovationen vorantreiben.

5. Governance-Wirrwarr. Die fehlende Konsistenz bei Beauftragung und Vertragsgestaltung führt schließlich zu einem entsprechenden Wirrwarr auch bei der Governance. Jeder Provider liefert seine eigene Schnittstelle, bringt seine eigenen Prozesse und -regeln ein und wendet unterschiedliche Reporting-Methoden an. Spätestens wenn ein End-to-End-Reporting nicht möglich ist - also das eigentliche Ziel der IT, die Unterstützung des Gesamtprozesses nicht überprüft werden kann - wird vielen IT-Verantwortlichen klar, dass das Management ihrer Multiprovider-Umgebung wesentlich professioneller werden muss.

4 Bereiche für effektives Multiprovider-Management

Ein effektives Multiprovider-Management sollte vier Bereiche adressieren: die Strategie, die Serviceschnitte, die Governance und das Vertragswerk.

1. Die Strategie

Am Anfang steht hier die klare Zieldefinition, und zwar unter zwei Aspekten.

Im nächsten Schritt sollte der Auftraggeber die aus dem Demand Management abgeleiteten IT-Services definieren und in einzelne Gewerke schneiden ("Serviceschnitte"). Ziel ist eine Provider-Landkarte mit den zu bearbeitenden Themen und genauen Regeln der Zusammenarbeit. Da Outsourcing-Projekte selten auf der grünen Wiese beginnen, muss diese Strategie der aktuellen Situation Rechnung tragen - was bedeutet, dass ein dezidierter Änderungsplan erstellt werden muss.

2. Die Service-Schnitte

Die aktuelle PwC-Studie ging auch der Frage nach, wo die Auftraggeber den größten Änderungsbedarf in bestehenden Sourcing-Beziehungen sehen. Dabei nannten 66 Prozent die genauere Definition des Sourcing-Schnitts zwischen den Gewerken und 68 Prozent die bessere Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen den verschiedenen Providern.

In diesen Antworten wird nochmals sehr deutlich, dass Unschärfen und Überlappungen ein sehr verbreitetes Problem von Multiprovider-Umgebungen sind. Um diesen entgegenzuwirken, sollten die Unternehmen die Aufgabengebiete exakt bestimmen: Welche Leistungen werden von welchem Dienstleister erbracht? Wer ist genau wofür verantwortlich? Wo sind die Schnittstellen zu anderen Providern?

Die Gewerke sollten so geschnitten sein, dass sie einerseits die Anforderungen des Auftraggebers abdecken, andererseits auch der Dienstleister seine Lieferstrukturen einbringen kann. Denn nur so lässt sich die ausdrücklich geforderte Spezialkompetenz der Provider, die sich insbesondere in spezifischem Know-how, professionellen Abläufen, Standardisierung sowie Synergie- und Skaleneffekten äußert, wirklich nutzen. Dazu muss der Auftraggeber wissen, welche Serviceschnitte und -bündelungen marktüblich sind.

Ziel des Neuzuschnitts sollte auch sein, die Komplexität des Gesamtwerks einzugrenzen. Das heißt insbesondere, Funktionen und Aufgaben nicht zu doppeln. Diese Gefahr besteht ständig, da jeder Provider seine eigenen Prozeduren einbringt: sein eigenes Systemengineering, Evaluierung neuer Technologien, Reporting-Plattformen etc. Der Auftraggeber sollte deshalb einen eigenen Bedarfsplan entwickeln, dem die benötigten Module der Dienstleister zugeordnet werden.

Das beauftragende Unternehmen sollte auch klar beschreiben, wie die zerschnittenen, an verschiedene Provider delegierten Services wieder zusammengesetzt werden und wer dafür verantwortlich ist. Es ist wichtig, die IT-Prozesse, die den Geschäftsprozess unterstützen, komplett abzubilden. Auch ihr Zusammenwirken ist mit entsprechenden Service Level Agreements (SLA) zu unterlegen und zu messen, damit die Koordinierungsaufgabe nicht wieder an den Kunden zurückfällt.

3. Die Governance

Um zu gewährleisten, dass die Ziele im Alltagsbetrieb auch wirklich erreicht werden, sollten Steuerungsprozesse und Governance-Gremien etabliert werden. Diese müssen dafür sorgen, dass der Gesamtprozess von Demand bis Supply funktioniert: Dass aus den Anforderungen der Fachseite IT-Services werden, die im Zusammenspiel genau das gewünschte Ergebnis liefern. Diese End-to-End-Sicht sollte als eigenständige Funktion etabliert werden. Übernimmt sie ein externer Dienstleister, braucht er Durchgriffsrechte auf die anderen Provider.

Liegt die Gesamtverantwortung für die Integration der einzelnen Gewerke bei dem Auftraggeber, muss er sicherstellen, dass die im Haus verbliebene Organisation über die notwendigen Steuerungskompetenzen und genügend Personalkapazitäten verfügt, um diese Aufgabe zu erfüllen. Dafür sollten Skill-Profile entwickelt werden.

Das Reporting sollte sowohl die Leistung der einzelnen Gewerke als auch die Gesamtsicht abbilden. Dazu muss festgelegt werden, welcher Provider in welcher Form was an wen berichtet und wie die einzelnen KPI zu einem Gesamt-Reporting zusammenfließen.

Des Weiteren legen die Governance-Gremien die Eskalationsprozeduren bei Fehlern oder Problemen fest und stellen das Zusammenwirken der einzelnen Partner sicher. Sie haben dafür zu sorgen, dass Regeln definiert und eingehalten werden, wie die Dienstleister kooperieren und kommunizieren, welche Informationspflichten bestehen und welche Informationsschnittstellen dafür eingerichtet werden.

Nicht zuletzt sollte klar und offen festgelegt sein, wo zwischen den Providern Wettbewerb herrscht beziehungsweise untersagt ist, um einer Eskalation des Konkurrenzdenkens vorzubeugen.

4. Das Vertragswerk

Grafik 2: Outsourcing Vertragsrahmenwerk und Anhänge.
Foto: PwC

Um die Verträge mit den Anbietern zu harmonisieren und so weit wie möglich zu standardisieren, sollte der Auftraggeber grundsätzlich zwei Blöcke definieren (siehe nebenstehende Grafik 2).

Ein übergreifender Bereich enthält allgemeine Aspekte der Zusammenarbeit, etwa zu Haftung, Governance-Regeln, Zahlungsmodalitäten, Kündigungsklauseln und Exit-Management. Sie werden einmal zentral formuliert und sind dann für alle Partner verbindlich. Darunter werden dann für die einzelnen Gewerke individuelle Vereinbarungen getroffen, die unter anderem die Dienstleistung beschreiben und die SLA sowie die Preisgestaltung festlegen.

Die Herausforderung liegt darin, dass der übergreifende Teil nicht nur aus einer Präambel besteht, sondern möglichst viele Aspekte abdecken sollte. Dazu müssen die Vertragsklauseln so gestaltet werden, dass sie auf viele Einzelfälle adaptierbar sind.

Ein solches Vorgehen finden wir heute leider erst in weniger als 10 Prozent der Unternehmen, die mit vielen Providern zusammenarbeiten.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass zum einen viele Unternehmen noch nicht optimal auf eine Multi-Provider-Umgebung vorbereitet sind und zum anderen die Dienstleister in der Zusammenarbeit mit ihren eigentlichen Mitbewerbern zum Teil erhebliches Verbesserungspotenzial vorweisen.

Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.