Tech-Hall-of-Shame

Die 9 schlimmsten CEOs

26.06.2024 von Florian Maier
Diese Manager haben mit ihren Entscheidungen (mindestens) Millionen versenkt – und ihre eigene Reputation gleich mit.
Diese Tech-CEOs sind von Vorschusslorbeeren sehr weit entfernt.
Foto: Lensw0rld - shutterstock.com

Irren ist bekanntlich menschlich. Allerdings können Irrtümer, Fehlannahmen - oder auch schlicht Dummheiten - im Fall von Führungskräften dafür sorgen, dass Unternehmen Unsummen verlieren, einst bedeutende Marken rasant zugrundegehen oder sich ausufernde Entlassungswellen anbahnen. Ganz zu schweigen von den Fällen, in denen kriminelle Energie eine Rolle spielt.

Die große Karriere eines Managers, der dafür direkt verantwortlich gemacht werden kann, ist zwar im Regelfall vorbei - um die Zukunft müssen sich diese Kandidaten meist dennoch keine Sorgen machen. Zur Veranschaulichung hier neun herausragende Beispiele aus der Technologiewelt.

Steve Ballmer (Microsoft)

Nicht vielen CEOs schlug bereits während ihrer Amtszeit ein so heftiger Gegenwind ins Gesicht wie Ex-Microsoft-CEO Steve Ballmer. Im Jahr 2012 erklärte Forbes-Journalist Adam Hartung den wegen seiner ekstatischen Auftritte auch "Monkeyboy" genannten Manager gar zu dem Chief Executive Officer, der es am meisten verdient habe, sofort gefeuert zu werden. Er habe Microsoft nicht nur eigenhändig aus einigen der lukrativsten Tech-Märkte getrieben, sondern damit in der Folge auch Wachstum und Gewinne von Partnerunternehmen wie Dell, Hewlett Packard und Nokia geopfert:

Seine schlechte Führung reicht weit über den Tellerrand von Microsoft hinaus, wenn es darum geht, Shareholder Value und Jobs zu vernichten.

Tatsächlich kann man Ballmer durchaus einige Microsoft-Fiaskos ankreiden: Unter anderem die Windows-Flops Vista und 8 sowie den von den Kunden verschmähten iPod-Konkurrenten Zune und insbesondere das Debakel um Windows Phone beziehungsweise die Übernahme von Nokia. Fakt ist: Unter der Führung von Ballmer verschlechterte sich Microsofts Standing innerhalb der Technologiebranche maßgeblich. Unvergessen bleiben darüber hinaus natürlich auch seine unverblümten "Statements" - etwa zu Linux ("Krebsgeschwür") oder der Premiere von Apples iPhone ("wird bei Business-Kunden nicht ankommen").

Nachdem Ballmer 2013 von seinem CEO-Posten zurücktreten musste, schoss der Aktienkurs zwar in die Höhe - dennoch war sein Nachfolger Satya Nadella gezwungen, das Mobile-Desaster großflächig zu bereinigen. Dabei verloren im Jahr 2014 knapp 18.000 Mitarbeiter bei Nokia ihren Job. Nadella hat Microsoft inzwischen wieder auf einen vielversprechenden Weg zurückgeführt. Ballmer hingegen verzog sich ein Jahr nach seinem Rückzug als CEO auch aus dem Microsoft-Aufsichtsrat - kurz zuvor hatte er das NBA-Team der Los Angeles Clippers gekauft, das ihm bis heute gehört und zu neuen "Motivational Speeches" anspornt. Auch in der NBA hat es bislang allerdings nicht zum Meistertitel gereicht. Dennoch ist der Ex-Microsoft-Manager laut Forbes der neuntreichste Mensch der Welt.

Kay R. Whitmore (Kodak)

Kay R. Whitmore war lediglich drei Jahre - von 1990 bis 1993 - der CEO von Kodak. Nichtsdestotrotz ist er ein Hauptakteur des zwischenzeitlichen Niedergangs der einstigen US-Fotofilm-Institution. Das Problem: Whitmore konnte - oder wollte - mit der digitalen Welt absolut nichts anfangen. Das könnte auch der Grund dafür gewesen sein, warum er im Jahr 1990 bei einem Meeting mit Bill Gates eingeschlafen sein soll, als eine mögliche Integration von Kodak-Photo-CDs mit Windows diskutiert wurde.

Der CEO war fest davon überzeugt, dass die Zukunft des Unternehmens nicht in der Digitalfotografie, sondern wie gehabt im analogen Film- und Foto-Business liegen würde. Dabei waren es Techniker von Kodak, die bereits Mitte der 1970er Jahre die Digitalkamera erfunden hatten. Und auch die erste digitale Spiegelreflexkamera wurde 1989 von Kodak auf den Markt gebracht - eigentlich beste Voraussetzungen also, um auch in diesem Bereich direkt zum Marktführer aufzusteigen. Das übernahmen mangels Commitment in der Folge dann Konkurrenten wie Nikon.

Whitmore wurde schließlich 1993 entlassen. Sein Nachfolger George Fisher investierte dann zwar massiv ins Digital-Business - allerdings brachte das vor allem Produkt-Flops hervor. Auch danach hatte Kodak noch lange mit der mangelnden Voraussicht vergangener Zeiten zu kämpfen und war im Jahr 2012 schließlich gezwungen, Insolvenz anzumelden. Heutzutage ist das Unternehmen (in neuer Form) wieder aktiv - und versucht(e) sich unter anderem in den Bereichen Kryptowährungen, Drucktechnologie und Pharmazeutik. Das alles erlebte Whitmore allerdings nicht mehr mit - er starb bereits im Jahr 2004 im Alter von 72 Jahren.

Carly Fiorina (HP)

Carly Fiorina wurde im Jahr 1999 zum CEO von HP ernannt und im Jahr 2005 nach internen Auseinandersetzungen (und unzureichenden Ergebnissen) entlassen. In den sechs Jahren der Regentschaft Fiorinas büßte HP rund die Hälfte seines Werts ein. Der von ihr angestoßene Merger mit Compaq im Jahr 2001 gilt (trotz gutem Start) gemeinhin als (finanzieller) Fehlschlag.

Ihr Versuch, das Beratungshaus PwC zu übernehmen, konnte zwar durch den Vorstand abgewendet werden, ließ die CEO aber bereits in keinem guten Licht erscheinen. Dazu kam, dass die Managerin sich in Cost- (beziehungsweise Job-) Cutting-Arien übte, sich selbst parallel aber ausufernde Boni ausbezahlte. Das unrühmliche Ende als Chief Executive wurde Fiorina zusätzlich mit einer Abfindung von mehr als 21 Millionen Dollar versüßt. Anschließend verfasste sie ihre Autobiografie und startete eine Karriere in der Politik.

Das gipfelte 2015 im glücklosen Bestreben, sich als US-Präsidentschaftskandidatin der Republikaner etablieren zu wollen. Eine Gelegenheit, die Fiorina nutzte, um unter anderem ihre Qualitäten als Führungskraft in den Fokus zu rücken. Für diverse Publikationen ein willkommener Anlass, um den unrühmlichen "Track Record", den sich die Politikerin als ehemalige CEO von Hewlett Packard zugelegt hatte, noch einmal verdichtet zu präsentieren. Etwa Michael Barbaro von der New York Times:

Sie schwor den Werten des Unternehmens die Treue und zitierte gerne seine bescheidenen Gründer bei Meetings. Aber sie reiste in einer Limousine mit Chauffeur und legte bei ihrem Intro im Mitarbeiter-Newsletter Wert darauf zu betonen, eine 15-Meter-Yacht zu besitzen … Unter ihrer Verantwortung verloren 30.000 Mitarbeiter nach und nach im Rahmen einer Downsizing-Strategie ihren Job. Das wurde teilweise auch noch völlig unpersönlich kommuniziert - einige Mitarbeiter über das Telefon gefeuert.

Im weiteren Verlauf seines Artikels relativiert der Autor der New York Times allerdings, Fiorina habe es innerhalb der verkrusteten, traditionellen HP-Strukturen auch nicht leicht gehabt. Und auch beim Harvard Business Review zeigt man sich gespalten, wenn es um die Managerin geht:

Sie war genau die disruptive Führungskraft, die sie zu dieser Zeit sein musste - ließ dabei aber ein wesentliches Element vermissen: Sie hat sich nie die Zeit genommen, Beziehungen zu einzelnen Mitarbeitern aufzubauen, was sie am Ende den Support und das Commitment für ihre Initiativen gekostet hat.

Ein Job als CEO blieb Carly Fiorina seit ihrer HP-"Regentschaft" jedenfalls verwehrt.

John Sculley (Apple)

John Sculley wird nicht nur oft für den Beinahe-Niedergang von Apple Anfang der 1990er Jahre, sondern vor allem für die vorübergehende Entlassung von Steve Jobs verantwortlich gemacht. "Im Jahr 1985 überzeugte er den Vorstand, seinen Rivalen Steve Jobs von allen Managerpflichten zu entbinden - und drängte damit einen der größten Produktdesigner und Marketingmanager aller Zeiten aus dem Unternehmen", schreibt etwa der Business Insider - und macht es sich damit unter Umständen etwas zu einfach.

Zwei Jahre zuvor - 1983 - wurde John Sculley von Apple als CEO verpflichtet. Der Manager konnte zu diesem Zeitpunkt keine Technologieerfahrung vorweisen, hatte sich aber beim Getränkehersteller PepsiCo als gewiefter Chief Executive und Marketing-Genie bewiesen. In den kommenden Jahren kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Sculley und Jobs über die strategische Ausrichtung von Apple. John Sculley selbst schilderte im Jahr 2013 im Rahmen eines Konferenz-Events des Forbes Magazine die Geschehnisse folgendermaßen:

Unstrittig ist hingegen, dass Sculley Apple in der Folge als CEO von einem Flop zum nächsten führte - wie etwa CNBC (beziehungsweise Portfolio.com) treffend beschreibt:

Obwohl er bei Pepsi als brillanter Marketingexperte galt, gab er als Top-Manager eines Technologieunternehmens ein desaströses Bild ab. Seine Amtszeit war geprägt von internen Streitigkeiten unter Führungskräften und teuren Projekten, die am Markt floppten (Erinnern Sie sich noch an den Apple Newton?).

Angesichts des mangelnden Erfolgs und seines für damalige Verhältnisse übergebührlichen Gehalts (laut CNBC war Sculley schon im Jahr 1987 mit einem Jahresgehalt von 2,2 Millionen Dollar der mit Abstand bestbezahlte Manager im Silicon Valley), hatte der Apple-Vorstand im Jahr 1993 genug und trennte sich von Sculley. Der hatte danach keinen CEO-Posten mehr inne und engagierte sich stattdessen in der Politik und als privater Investor. Steve Jobs wurde 1997 erneut CEO von Apple und schuf anschließend unter anderem mit iPod und iPhone die Basis für den heutigen Unternehmenserfolg.

Jonathan Schwartz (Sun Microsystems)

Die Karriere von Jonathan Schwartz begann vielversprechend: Nach einem kurzen Aufenthalt bei McKinsey wurde er CEO beim Softwareunternehmen Lighthouse Design. Letzteres wurde im Jahr 1996 von Sun Microsystems geschluckt. Ein Jahr später war Schwartz bereits Marketing-Direktor beim bis dahin profitablen Tech-Riesen, den Gründer Scott McNealy als Big Player im Bereich Sever und Prozessoren etablieren konnte. McNealy war es auch, der Schwartz im Jahr 2006 zu seinem Nachfolger und dem neuen CEO von Sun berief.

Was dann folgte war eine Kombination aus unglücklichen wirtschaftlichen Umständen und verheerenden strategischen Fehlentscheidungen. Sun verlor massiv Marktanteile an Oracle, HP und IBM - Schwartz war nicht in der Lage, den Trend zu stoppen. Der Wert des Unternehmens brach Ende 2007 massiv ein, knapp 6.000 Jobs gingen in der Folge verloren. Die Akquisition von MySQL blieb ebenso erfolglos wie die Suche nach einem nachhaltigen Monetarisierungsmodell für Java.

Der Business Insider bringt das Resultat von Schwartz Regentschaft als Sun-CEO auf den Punkt:

Als Sun Microsystems von Oracle für 7,4 Milliarden Dollar gekauft wurde, hatte sein hipper, bloggender, Pferdeschwanz-tragender CEO Jonathan Schwartz die Zukunftsaussichten des Unternehmens dermaßen ruiniert, dass eine Akquisition der letzte Ausweg war. Sun hätte zu einem der größten Enterprise-Technologie-Giganten der Welt werden können - im Gegensatz zu Larry Ellison hat Schwartz diese Chance vergeben.

Mit seinem Abgang bei Sun Microsystems blieb Schwartz seiner Linie treu und konnte noch einmal mit einer "Innovation" glänzen: Er verkündete seinen Abschied in Haiku-Form auf Twitter - im Jahr 2010 ein bis dato unbekannter Stilbruch innerhalb der Enterprise-Tech-Welt:

Schwartz ist auch heutzutage noch Chief Executive - inzwischen beim (von ihm gegründeten) Healthcare-Softwareunternehmen Carezone.

George Shaheen (Webvan)

Webvan war Ende der 1990er Jahre eines der vielversprechendsten Internet-Startups der USA und wollte mit internetbasierten Lebensmittelbestellungen ab 1996 nicht nur das Supermarkt-Business revolutionieren. Verantworten sollte diesen Umbruch George Shaheen, bis 1999 (erfolgreicher) CEO der Unternehmensberatung Andersen Consulting (heute bekannt als Accenture).

Der Wechsel zum bis dato unbekannten Startup Webvan dürfte dem Manager nicht leichtgefallen sein, schließlich führte er bei Andersen rund 65.000 Mitarbeiter und kassierte ein stattliches Jahresgehalt von vier Millionen Dollar. Möglicherweise ließ sich Shaheen von der Kombination aus Aktienoptionen und Dot-Com-Boom dazu verleiten, wie das Manager Magazin bereits 2001 nahelegte.

Ab dem Jahr 2000 investierte Webvan Milliardensummen in seine Expansion - die Mitarbeiterzahl stieg in der Spitze auf über 4.000 an. Allerdings fiel Shaheen seine mangelnde Erfahrung in der Lebensmittelbranche nach und nach auf die Füße. Der Business Insider sieht in Shaheen ein leuchtendes Beispiel für einen besonders schlechten Manager. Die Begründung:

Webvan hat alles daran gesetzt, einen Lebensmittel-Onlinehandel auzubauen - zuletzt mit der Übernahme von HomeGrocer im Juni 2000. Dieser Fehler hat die Cash-Burn-Rate von Webvan noch gesteigert, die Logistik-Voraussetzungen, die hätten geschaffen werden müssen, um dieses Geschäftsmodell umzusetzen, waren ein Albtraum. Shaheen hat nie verstanden, dass die Retailer in dieser Branche von minimalen Margen leben und Webvan hatte nicht die Kundenbasis, um das zu ändern. Der wahrscheinlich schlimmste Fehler von Shaheen war jedoch, den Börsengang von Webvan abzusegnen, für den 375 Millionen Dollar Finanzierungskapital von Aktionären im Rahmen eines IPO aufgebracht wurden. Davon wurde quasi nichts zurückgezahlt. Shaheen nimmt unter den schlechtesten CEOs eine ganz besondere Rolle ein, denn er inzensierte sich als Andersen-Führungskraft als einen der größten Unternehmensberater aller Zeiten. Allerdings hat er scheinbar keinerlei Bemühungen gemacht, das Geschäftsmodell von Webvan zu überprüfen oder mit dem Vorstand und seinen Management-Kollegen zusammenzuarbeiten.

Tatsächlich war Shaheen schon als Andersen-Chefberater eine polarisierende Figur, die auch in einer von einem Mitarbeiter heimlich kreierten Comic-Parodie ("Bigtime Consulting") persifliert wurde. 2001 beendete Shaheen sein Gastspiel bei Webvan - kurz bevor das Unternehmen Insolvenz anmelden musste.

Der Manager wurde 2005 zum CEO von Siebel Systems ernannt (2006 von Oracle geschluckt). Seit 2013 sitzt Shaheen im Vorstand des KI-Startups [24]7.ai. Die Webvan-Episode scheint er dabei zielgerichtet aus seinem Lebenslauf getilgt zu haben, wie ein Blick auf sein Unternehmensprofil zeigt.

Sam Bankman-Fried (FTX)

Er wurde als "Krypto-Wunderkind", "nächster Warren Buffet" und "Michael Jordan der Kryptowelt" gefeiert und zierte die Cover von Forbes und Fortune: Sam Bankman-Fried, Gründer und ehemaliger CEO der Kryptobörse FTX. Anfang 2022 folgte dann der tiefe Fall. Gerüchte über fadenscheinige Geschäfte zwischen FTX und seinem Schwester-Hedgefund Alameda Research kursierten im Netz und führten dazu, dass die Kunden in Scharen ihre Assets abzogen - beziehungsweise abziehen wollten. Zu diesem Zeitpunkt stellte Bankman-Fried das Ganze noch als eine von der Konkurrenz lancierte Aktion dar, mit der FTX Schaden zugefügt werden solle. In einem längst gelöschten Tweet versprach er: "FTX geht es gut. Die Assets sind sicher."

Wie "gut", stellte sich wenig später heraus, als eine überraschend ins Spiel gebrachte Übernahme von FTX durch den Hauptkonkurrenten Binance platzte, nachdem deren Due-Diligence-Prüfung negativ ausgefallen war (und weitere Details zu den Business-Praktiken von FTX und Alameda ans Tageslicht gekommen waren):

Für Sam Bankman-Fried, der bis heute jegliche illegale Aktivitäten abstreitet, war das alles kein Grund, auf "low profile" umzuschalten: Er nahm diverse Gelegenheiten wahr, in Interviews, Podcasts und zu anderen Gelegenheiten in Erscheinung zu treten, um sich den Fragen von Journalisten, Influencern und Anlegern zu stellen. Dabei zog er allerdings vor allem weiteren Unmut auf sich - nicht nur mit wenig glaubwürdigen Unschuldsbeteuerungen sondern auch mit der moderat respektlosen Angewohnheit, während Unterhaltungen Videospiele zu spielen.

Ende 2022 wurde der EX-FTX-CEO schließlich auf den Bahamas verhaftet und im Anschluss an die USA ausgeliefert. Zu einem mit Spannung erwarteten Interview vor dem US-Kongress kam es deswegen nicht mehr. An Stelle des Ex-CEOs nahm sein Nachfolger, Ex-Enron-Insolvenzverwalter John J. Ray, diese Gelegenheit wahr. Er zeichnete ein schockierendes Bild von den Zuständen bei der Krypto-Company:

In meiner beruflichen Laufbahn habe ich ein Versagen dieses Ausmaßes bislang noch nicht erlebt. Unternehmerische Kontrollen und vertrauenswürdige Finanzinformationen sind quasi nicht existent. Dazu kommen kompromittierte Systeme, mangelhafte regulatorische Kontrollen im Ausland und eine Machtkonzentration zugunsten einer kleinen Gruppe von unerfahrenen, unbedarften und potenziell nicht vertrauenswürdigen Personen. Die Situation ist beispiellos … Die FTX-Gruppe hatte keine zentrale Kontrolle über ihre Barmittel … Eine Buchhaltung war nicht existent … Bis jetzt war FTX nicht in der Lage, eine vollständige Liste seiner Mitarbeiter zu erstellen. Wiederholte Versuche, mutmaßliche Angestellte ausfindig zu machen, um ihren Status zu bestätigen, blieben bislang erfolglos … Einer der gravierendsten Mängel des Geschäfts von FTX.com ist, dass die Prozesse der Entscheidungsfindung nicht nachvollziehbar sind. Mr. Bankman-Fried kommunizierte oft über Apps, die so eingestellt waren, dass sich die Nachrichten nach dem Empfang automatisch löschten. Er ermutigte seine Mitarbeiter dazu, es ihm gleichzutun.

Bankman-Fried wurde nach seiner Auslieferung gegen eine Kaution von 250 Millionen Dollar auf freien Fuß gesetzt und mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet. Sein Prozess in den USA begann am 3. Oktober 2023 und endete knapp einen Monat später mit einem Schuldspruch durch die Jury in allen Anklagepunkten. Das Strafmaß wurde im März 2024 verkündet und liegt bei 25 Jahren. Zudem wurde eine Geldstrafe in Höhe von 11 MIlliarden US-Dollar gegen den Ex-CEO verhängt. Der hat seinerseits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen.

Maßgeblichen Anteil an der Verurteilung von Bankman-Fried hatten dabei seine ehemals engsten Mitstreiter bei FTX. Caroline Ellison (Ex-CEO von Alameda Research) und Gary Wang (ehemals CTO von FTX) gingen jeweils einen Deal mit der US-Staatsanwaltschaft ein und sagten gegen SBF aus.

Changpeng Zhao (Binance)

Nach dem Zusammenbruch von FTX ist Binance (gegründet 2017) zur weltweit größten Kryptowährungsbörse aufgestiegen. Dessen Gründer und CEO Changpeng Zhao hatte mit Bezug auf den FTX-Kollaps im Rahmen eines Events im Jahr 2022 noch betont: "Das hat uns ein paar Jahre zurückgeworfen. Die Regulatoren werden die Krypto-Branche nun zurecht viel strenger beurteilen, was eine gute Sache ist, um ehrlich zu sein."

Wie ehrlich der Binance-CEO an dieser Stelle tatsächlich war, ist fraglich. Denn er wusste, dass auch bei Binance nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Bereits in den Jahren zuvor waren immer wieder Gerüchte aufgekommen, dass die US-Behörden die Geschäftspraktiken von Binance genauer unter die Lupe nehmen wollen. Das kokretisierte sich Anfang Juni 2023, als die US-Börsenaufsicht SEC eine offizielle Untersuchung gegen Binance einleitete. In der Folge verließen mehrere hochrangige Führungskräfte das Unternehmen.

Wie sich Ende November 2023 zeigte, haben die Unregelmäßigkeiten innerhalb Zhaos Krypto-Imperium zwar keine FTX-Ausmaße angenommen. Dennoch waren sie schwerwiegend genug, um das US-Justizministerium zu einer 45-minütigen Pressekonferenz zu bewegen. In deren Rahmen gab die Regierungsinstitution bekannt, im Rahmen eines Deals empfindliche Strafmaßnahmen gegen Binance und seinen CEO verhängt zu haben. Sowohl das Unternehmen als auch Changpeng Zhao selbst haben sich demnach schuldig bekannt, gegen US-Finanzgesetze, -Sanktionen und Anti-Terror-Maßnahmen verstoßen zu haben. Die Folgen für das Unternehmen:

Gründer und CEO Zhao erwarten:

Im Wesentlichen stellten die US-Behörden im Rahmen ihrer Ermittlungen fest, dass Zhao und andere Binance-Führungskräfte sich bewusst dafür entschieden haben, US-Finanzgesetze und -Sanktionen zu umgehen, um ihren Profit zu maximieren. "Statt Compliance anzustreben, hat Binance dafür gesorgt, dass Kryptowährungen unreguliert in Milliardenhöhe transferiert werden konnten. Das hat auch Transaktionen zwischen US-Nutzern und Personen begünstigt, die Sanktionen unterliegen", sagte US-Generalstaatsanwalt Merrick Garland im Rahmen der Pressekonferenz.

Dabei seien sich auch die Mitarbeiter von Binance im Klaren darüber gewesen, dass die Plattform ihres Unternehmens ein Hort für Kriminelle sei: "Im Februar 2019 schrieb ein Compliance-Mitarbeiter von Binance in einem Chat scherzhaft, dass das Unternehmen ein neues Werbebanner bräuchte, auf dem stehen solle - ich zitiere 'Wenn es Ihnen heutzutage zu schwer gemacht wird, Drogengeld zu waschen, kommen sie zu Binance'", so Garland. Indem Binance bewusst US-Gesetze missachtet habe, habe das Unternehmen es Kriminellen leicht gemacht, gestohlenes Geld zu waschen und Profite zu erwirtschaften.

US-Finanzministerin Janet Yellen konkretisierte die Vorgänge im weiteren Verlauf der Pressekonferenz:

Binance hat mit seinem Vorgehen zahlreiche illegale Aktivitäten unterstützt, von sexuellem Missbrauch von Kindern über den Handel mit illegalen Drogen bis hin zu Terrorismus. Darunter auch Transaktionen, die mit Gruppen wie dem Islamischen Dschihad, Al-Quaida und dem Islamischen Staat in Zusammenhang stehen.

Generalstaatsanwalt Garland merkte auf der Pressekonferenz an, die US-Behörden hätten nun innerhalb kurzer Zeit die CEOs der beiden weltweit größten Kryptowährungsbörsen erfolgreich zur Verantwortung gezogen. Die Botschaft, die man damit senden wolle: "Wer neue Technologien dazu nutzt, das Gesetz zu brechen, ist nicht disruptiv, sondern ein Krimineller."

Changpeng Zhao selbst dürfte angesichts seines Nettovermögens von rund 15 Milliarden Dollar zumindest die Geldbuße in Höhe von 150 Millionen eher belächeln. Härter könnte den Ex-Binance-CEO, der die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt, eine mögliche Haftstrafe in den USA treffen. Rostin Benham, Chairman der US-Regierungsbehörde CFTC, zeigte sich im Interview mit CNBC davon überzeugt, dass Zhao nach seiner Verurteilung eine Haftstrafe antreten wird.

Wie sich im April 2024 herausstellte, sollte er mit dieser Einschätzung Recht behalten. Allerdings wurde Zhao, nachdem er sich schuldig bekannt hatte, zu einer relativ milden Haftstrafe von vier Monaten verurteilt.

Dr. Markus Braun (Wirecard)

Wirecard war einst das deutsche Tech-Vorzeigeunternehmen und legte seit seiner Gründung im Jahr 1999 einen steilen Aufstieg zum DAX-Konzern hin. Mitte 2020 brach das von Politik und Investoren hofierte Unternehmen dann - mehr oder weniger überraschend - in sich zusammen. Journalisten, vor allem der Financial Times, hatten zuvor bereits einige Jahre lang immer wieder auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei Wirecard hingewiesen. Das gipfelte im Jahr 2019 in einer Klage von Wirecard gegen die Financial Times wegen angeblich falscher Berichterstattung. Allerdings wurden trotz der Hinweise weder seitens der deutschen Bankenaufsicht Bafin (von 2018 bis 2021 dem damaligen SPD-Finanzminister Olaf Scholz unterstellt) noch der Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet.

Ein schwerer Fehler, wie sich im Nachgang zeigte: Rund 1,9 Milliarden Euro, die in den Wirecard-Bilanzen als Guthaben verbucht wurden, waren Mitte 2020 verschwunden - oder nie existent. Kurz nachdem das öffentlich bekannt wurde, sagte CEO Dr. Markus Braun auf einer Pressekonferenz, er könne nicht ausschließen, dass sein Unternehmen "in einem Betrugsfall erheblichen Ausmaßes zum Geschädigten geworden ist". Kurze Zeit später wurde der Manager verhaftet - er sitzt (nach einem kurzen Kautionszwischenspiel) mittlerweile seit knapp drei Jahren in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft München wirft Braun und den anderen Angeklagten unter anderem vor:

Zum Auftakt des Wirecard-Strafprozesses bei dem sich Braun und weitere ehemalige Manager des Unternehmens verantworten müssen, bestritt der Ex-CEO die Vorwürfe: "Ich hatte keinerlei Kenntnisse von Fälschungen oder Veruntreuungen". Bei einer Verurteilung könnten dem gebürtigen Österreicher bis zu zehn Jahre Haft drohen. Um Schadenersatz für die zahlreichen Kleinanleger, denen durch die Wirecard-Pleite ein Gesamtschaden in Höhe von knapp 20 Milliarden Euro entstanden ist, geht es in diesem Verfahren nicht. Diesbezüglich müssen sich seit 2020 die Wirtschaftsprüfer von EY verantworten, die die Wirecard-Bilanzen über einen Zeitraum von zehn Jahren abgesegnet hatten.

Die grundlegende Frage, die beim Strafprozess zu klären ist: Gab es die fehlenden knapp zwei Milliarden Euro oder handelte es sich um Scheingeschäfte? Und falls ja: Wurde der Mann, der Wirecard mehr als 18 Jahre lang führte, tatsächlich selbst zum Opfer und hat nichts vom Milliardenbetrug mitbekommen? Der mitangeklagte Oliver Bellenhaus, ehemals verantwortlich für das Wirecard-Geschäft im Nahen Osten, hat seinerseits ein Geständnis abgelegt und Braun dabei schwer belastet. Eine tragende Rolle beim Wirecard-Skandal spielt darüber hinaus auch der flüchtige Ex-COO Jan Marsalek, der sich aktuell in Russland aufhalten soll. Er ließ der Staatsanwaltschaft München über seinen Anwalt einen Brief zukommen, dessen Inhalt Brauns Unschuld stützen soll. Der Prozess vor dem Landgericht München I dauert an. Schon vor Prozessbeginn hatte Braun weiteren Unmut auf sich gezogen, als er im Rahmen eines Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags zum Wirecard-Skandal vor allem dadurch auffiel, sich nicht erklären zu wollen.

Florian Toncar, FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Wirecard-Skandal, zog ein vernichtendes Fazit:

Der Fall Wirecard ist eine Katastrophe für den Finanzplatz Deutschland und eine Bankrotterklärung der beteiligten Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden.

Zum Prozessauftakt Ende Dezember 2022 äußerte sich Dr. Marc Liebscher, Rechtsanwalt und Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk zu seinen Erwartungen hinsichtlich des Strafprozesses gegen Braun und Co. - und sparte dabei ebenfalls nicht an Kritik gegenüber Politik und Behörden: "Hier ist heute nicht viel zu erwarten - vor allem wenn man sich klar darüber wird, dass die Staatsanwälte die hier die Anklage verlesen, genau jene sind, die die ganzen Jahre immer wieder Verfahren gegen Wirecard eingestellt haben. Sie haben bei der Bafin insistiert, dass diese Wirecard schützt und sind auf Finanzjournalisten losgegangen, die gegen das Unternehmen Vorwürfe erhoben haben. Es ist nicht nachvollziehbar, was hier die letzten Jahre in München passiert ist."

Dass sich Ex-Wirecard-CEO Dr. Braun trotz allem wenig Sorgen um sein persönliches finanzielles Auskommen machen muss, legt ein Handelsblatt-Bericht aus dem Jahr 2022 nahe. Demnach habe Braun zwar in einer eidesstattlichen Versicherung angegeben, dass sein gesamtes Vermögen in Höhe von 75 Millionen Euro gepfändet sei. Allerdings soll er in seiner Zeit als CEO ein erkleckliches Vermögen (vor allem in Form von Luxusimmobilien in München und Wien) angehäuft haben. Es steht der Verdacht im Raum, dass er dieses in Teilen mit Hilfe seiner Ehefrau und Schwester verschoben haben soll, um es vor einer Pfändung zu schützen.