Cloud-Fortbildung für ITler und CFOs

Die aggressive HP-Strategie

15.12.2011 von Hartmut  Wiehr
HP will nicht einfach abwarten, ob Anwender Virtualisierungs- und Cloud-Systeme kaufen. Erzieherische Maßnahmen auf allen Ebenen sollen die Wende herbeiführen.

Alte HP, neue Chefin, neue Konferenz: Auf der zum ersten Mal veranstalteten Konferenz "Discover“ zündete HP in Wien vor rund 7.000 Besuchern gleich ein ganzes Feuerwerk in Sachen Virtualisierung und Cloud. Meg Whitman, die frisch gekürte Chefin des durch eigenes Verschulden in Image- und Börsenprobleme geratenen Konzerns, versuchte in einer knapp 20-minütigen Rede die Gemüter etwas zu beruhigen. Sie betonte den Willen zur Kontinuität und bestätigte kurz, dass man die PC-Sparte doch nicht abstoßen wolle, wie es ihr Vorgänger Leo Apotheker noch angekündigt hatte.

Meg Whitman, die neue HP-Chefin, soll für Kontinuität sorgen. Gerade für mehr Umsätze bei Virtualisierung und Cloud Computing ist ein gutes Verhältnis zu den Kunden extrem wichtig.
Foto: HP

Relativ viel Zeit ihres Vortrags widmete sie dem noch unter Apotheker eingeleiteten Kauf von Autonomy, einem Spezialisten für die Analyse unstrukturierter Daten ("Big Data“), mit dem HP endlich ein gewichtiges Wörtchen im Software-Geschäft mitreden möchte. Wie es mit der Palm-Erbmasse und speziell dem Betriebssystem WebOS weitergehen soll nach der abrupten Einstellung von Palm-Smartphones und -Tablets, war ihr keine Erwähnung wert. "Business as usual“ sollte die Botschaft der bühnenerfahrenen Managerin lauten, die sich nach dem Ende ihrer CEO-Tätigkeit bei eBay auch kurz um den Posten einer (republikanischen) Gouverneurin in Kalifornien bemüht hatte. Bald nach der Konferenz teilte HP dann mit, dass man WebOS nun großzügig der Open-Source-Community spenden will. Mit anderen Worten: Das von Palm einst für viel echtes Geld eingekaufte und mit viel Vorschusslorbeeren versehene Betriebssystem, das sogar auf Notebooks und PCs zum Einsatz kommen sollte, wird jetzt als Spende versehen unauffällig abgestossen.

Am auffälligsten bei der Wiener Veranstaltung war das Interesse von HP, dem Virtualisierungs- und Cloud-Absatz einen kräftigen Anstoß zu geben. Gleich mehrere Programme wurden hierzu vorgestellt, mit denen HP die sich oft äußerst zögerlich verhaltenden Anwender von den Vorteilen der neuen Technologien überzeugen möchte. Laut Marktbeobachtungen der Analysten von Gartner, Forrester oder IDC sind bisher erst etwa 20 bis 25 Prozent auf den Virtualisierungszug aufgesprungen, während sich gerade einmal etwa sieben Prozent bei Cloud-Systemen engagiert haben.

Das sind einerseits noch nicht so viele – besonders bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) –, andererseits aber ist hier noch viel zu holen. Johan Deschuyffeleer, HPs europäischer Manager für Technology Services, spricht das klar aus im Gespräch mit CIO.de: Man müsse den Anwendern eben "pro-aktiv“ unter die Arme greifen.

Unter Titeln wie "Information Optimization“ and "The Instant-On Enterprise“ versucht HP die Situation auf der Anwenderseite griffig zu beschreiben: "Everything & everyone’s connected”, “Everyone expects immediate gratification & instant results“ oder "Enterprise & IT are one and the same” lauten die Slogans. Der einfache Schluss aus dem überbordenden Marketing ist: Die Anwender müssten ihre IT-Infrastruktur mehr virtualisieren und in Richtung Cloud umbauen, dann könnten sie diesen "Always-on“-Ansprüchen jeder Zeit Genüge tun.

HP verlegt sich auf Bid Data und eine große Service-Palette

HP bietet hierfür fünf Bausteine an, die man alle im Laufe dieses Jahres vorgestellt hat: zunächst "Hybrid Delivery Cloud“, "Application Transformation“, "Converged Infrastructure“, "Enterprise Security“ und nun schließlich "Information Optimization“. Schaut man näher hin, verkörpert sich in diesem holistischem Ansatz tatsächlich das Bemühen, ähnlich wie die Konkurrenten von IBM, Dell oder Oracle den Kunden ein großes Gesamtpaket an Lösungen zu offerieren – aufgebaut rund um Virtualisierung, Cloud und – neu bei HP – real-time Datenanalyse. Der letztere Aspekt soll durch den Einkauf der Autonomy-Werkzeuge realisiert werden.

Bei HP bemüht man sich um ein konsistentes Angebot aus fünf Säulen.
Foto: HP

Mike Lynch, CEO von Autonomy, der nach der 10-Milliarden-Dollar-Übernahme Chef der selbständigen Unit unter altem Namen bleibt, skizzierte den Ansatz: In-Memory- oder Hadoop-Lösungen seien nicht in der Lage, unstrukturierte Informationen wie Text, Bilder oder Log-Files schnell und umfassend zu analysieren, da sie unter anderem nicht systematisch und nicht in Echtzeit vorgingen.

Bisherige Versuche seien anders als Autonomy noch immer in der Welt der alten relationalen Datenbanken verwurzelt. Vor allem seien sie nicht in der Lage, den Sinn unstrukturierter Daten korrekt zu erfassen – eine Voraussetzung für ihre Analyse. Die Idol-Software von Autonomy könne, so Lynch, darüber hinaus als einziger Big-Data-Ansatz sowohl unstrukturierte als auch strukturierte Daten zusammen durchleuchten. Für diese integrativen Aufgaben hat HP dieses Jahr noch eine weitere Software-Firma gekauft: Die Vertica Analytics Platform soll Autonomy ergänzen, so dass man 100 Prozent der Daten abdecken kann – 15 Prozent strukturierte (Vertica) und 85 Prozent unstrukturierte (Autonomy).

Die neuen Service-Angebote für virtuelle Umgebungen und für Cloud Computing in den diversen Ausformungen von Private, Public oder Cloud umfassen:

- Data Center Network Connect (DCNC) als gemeinsames Angebot von HP und Alcatel-Lucent: Anwender sollen schnellen Zugang zum Speichern, Verschieben und Analysieren von großen Datenmengen erhalten. Damit offeriert man ähnliche Angebote wie zum Beispiel die Netzwerk-Dienstleister Orange Business Services, British Telecom, AT&T oder T-Systems, die hierfür zum Teil ebenfalls mit Infrastrukturanbietern kooperieren. Zusammen mit Alcatel-Lucent bringt HP eine ganze Palette von CloudSystem-Lösungen an den Markt. Generell sollen damit Cloud Service Provider (CSPs) unterstützt werden.

Cloud-Angebote von HP für Service Provider und Endkunden

- Cloud Center of Excellence (CCoE): Zusammen mit Channel-Partnern werden Unternehmen Dienste auf Basis von HP CloudSystem angeboten. Grundlage ist die Converged-Infrastructure-Architektur mit HP Cloud Service Automation für Modelle im Umkreis von Private, Public und Hybrid Cloud Computing.


- Enterprise Cloud Services: In Wien wurde ein neues Release vorgestellt, das vor allem neue Automatisierungsfunktionen enthält – für Load Balancing, Cloud-Provisioning in Local Area Networks (LANs) und für verschlüsselte Backup- und Restore-Maßnahmen.

Die Speicherung und Analyse von unstrukturierten Daten setzt umfassende IT-Infrastruktur voraus. Cloud-Umgebungen können hier eine wichtige Rolle spielen.
Foto: HP

- Proof of Concept (PoC) Program: Mit PoC erhalten Kunden die Möglichkeit, erst einmal mit den Enterprise Cloud Services herumzuexperimentieren. Erst nach dieser Testphase steht die Entscheidung für einen Kauf oder nicht an.

- Comprehensive Cloud Certification Portfolio: HP geht davon aus, dass es bei den Kunden noch an Wissen um und Erfahrung mit Cloud-Anwendungen mangelt. Deshalb hat man jetzt ein Zertifizierungsprogramm für IT-Mitarbeiter gestartet. Bisher übliche Programme für Server, Netzwerke oder Storage würden sich zu wenig um Virtualisierungs- und Cloud-Themen kümmern.

- Cloud Applications Services for Windows Azure: Für das Cloud-Programm Azure des Partners Microsoft hat man sich ebenfalls eine unterstützende Maßnahme ausgedacht. Bestehenden und neuen Applikationen soll eine leichtere Einbettung oder Migration in Azure ermöglicht werden. Ein ähnliches Angebot hat HP jetzt für SAP-Umgebungen aufgelegt.

CFOs werden extra beackert

- CFO Roundtables: Neben weiteren flankierenden Angeboten hat sich HP noch eine besondere Sache für CFOs ausgedacht. Schließlich müssen diese all die schönen neuen Virtualisierungs- und Cloud-Installationen genehmigen. Wie HP in eigens unternommenen Befragungen bei diesem wichtigen Personenkreis festgestellt hat, verfügen CFOs bisher im allgemeinen nur über geringe Kenntnisse in Sachen neuester Technologie. In einer Reihe von Roundtables für CFOs, die in Singapur am 8. März 2012 beginnen, wird Cathie Lesjak, Executive Vice President und Chief Financial Officer bei HP, CFOs mit den neuen Themen vertraut machen.

HP muss unter Meg Whitman einiges tun, um wieder richtig Fahrt aufzunehmen.
Foto: HP

HP beabsichtigt also, den bestehenden Kunden und möglichen neuen kräftige Unterstützung zu gewähren, wenn es um die Einführung von "Instant On Enterprise“ geht. Das ist natürlich nicht nur selbstlos gedacht, sondern soll die eigenen Umsätze ankurbeln. Auf jeden Fall gibt es durch diese HP-Bildungsoffensive genügend Gelegenheiten, bestehende Wissensdefizite aufzuheben.

Mal sehen, was die CFOs dazu sagen, wenn sie aus Singapur und von anderen schönen Konferenzorten zurückkehren.