Financial Engineering

Die Alternative zu Personalabbau

11.11.2024 von Dirk Stobbe
Unternehmen, die durch die Konjunkturflaute unter hohem Kostendruck stehen, können sich mit geschicktem Financial Engineering kurzfristig Luft verschaffen.
Um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Kosten zu reduzieren, muss nicht immer Personal abgebaut werden.
Foto: TippaPatt - shutterstock.com

Für das schwäbische Maschinenbau-Unternehmen mit weltweit 11.000 Beschäftigten und Kunden in mehr als 20 Ländern ist die Konjunktur in diesem Jahr nicht gut gelaufen. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage rechnet das Unternehmen mit Umsatzeinbußen und dem Absturz in die roten Zahlen. Unter dem Ergebnisdruck drohen starke Einschnitte bei den Investitionen, insbesondere in den IT-Budgets.

Vielen Unternehmen geht es ähnlich, nicht nur in Schwaben und nicht nur im Maschinenbau. Republikweit verzeichnen die Unternehmen angesichts der nun zweijährigen Konjunkturflaute weniger Bestellungen in ihren Auftragsbüchern und müssen ihre Umsatzerwartungen nach unten korrigieren. Das hat zur Folge, dass sie ihre Investitionsbudgets gerade in einer Zeit zusammenstreichen müssen, in der Innovationen in Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit anstehen.

Kreative Lösungen durch Financial Engineering

In solchen Situationen braucht es kreative Lösungen, um Handlungsspielraum für notwendige Investitionen zu gewinnen. Ein Fall für geschicktes Financial Engineering. Im Beispiel des schwäbischen Maschinenbauers ergibt die Untersuchung, dass das Unternehmen Monitore und Clients (Notebooks, PCs, Tablets) im Wert von rund neun Millionen Euro least und die jährlichen Leasingkosten fast 2,5 Millionen Euro betragen bei einer Gerätelaufzeit von fünf Jahren (Monitore) beziehungsweise drei Jahren (Clients).

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Eine Analyse des Nutzungsverhaltens zeigt jedoch eine durchschnittliche Leasingdauer der Clients von vier Jahren. Dies führt zu hohen Zusatzkosten, da die Geräte länger als vertraglich vereinbart genutzt werden, was die Leasingkosten unnötig verteuert.

Was also tun? Durch ein "Break and Rewrite" der bestehenden Verträge werden die Leasinglaufzeiten der Clients einmalig verlängert und damit an die tatsächliche Nutzungsdauer angepasst. Gleichzeitig werden die Leasingraten neu verhandelt. Dies bringt eine sofortige, noch für dieses Jahr ergebniswirksame Budgetreduktion von über 30 Prozent - Spielraum für dringend nötige Investitionen.

Zudem kann der Kunde eine Zeit lang die Rückgabe von Geräten aussetzen, was ihm die nötige Zeit verschaffte, um den Rückstand beim Geräteaustausch abzubauen und den Austauschprozess langfristig zu optimieren. Auf diese Weise kann der von der IT-Abteilung gewünscht Drei-Jahres-Rhythmus zukünftig wieder eingehalten werden.

Personalabbau keine wirkliche Alternative

Das schwäbische Unternehmen hat sich bewusst dagegen entschieden, in dieser konjunkturell kritischen Lage gegen die schlechten Zahlen mit der Entlassungskeule anzukämpfen. Personalabbau ist immer ein zweischneidiges Schwert. Die Freisetzung von Arbeitskräften ist nicht nur ein Motivationskiller, sondern führt in der Regel zu Konflikten mit Gewerkschaften und Betriebsräten, schnelle Lösungen sind da kaum möglich. Die Kosten laufen zudem erst mal auf dem bestehenden Niveau weiter oder steigen möglicherweise sogar eine Zeit lang noch durch teure Abfindungsprogramme.

Ersparnisse sind dann frühestens in einem halben Jahr realisierbar. Personalabbau wirkt deshalb nur langfristig, wenn der Personalbestand an eine auf Dauer geringere Kapazitätsauslastung angepasst werden muss, wie etwa in Teilen der Stahlbranche, die dauerhaft mit sinkender Nachfrage rechnet.

Für den schwäbische Maschinenbauer ist das jedoch keine Option, seine Produkte sind international gefragt. Er geht deshalb davon aus, dass er im nächsten Jahr, wenn die Konjunktur wieder anzieht, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen braucht. Deshalb will er vermeiden, dann zu wenig Personal an Bord zu haben. Er weiß aus Erfahrungen, wie schwer es ist, angesichts des Fachkräftemangels neue qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen.

Konzepte zum kurzfristigen Sparen ...

Viele Manager befürchten, dass das wirtschaftlich schwache Jahr 2024 weitgehend gelaufen ist. Sie rechnen für dieses Jahr mit roten Zahlen, weil sie mit ihren Ausgaben über Budget und bei den Erträgen unter Plan liegen. Sie sehen kaum noch Chancen, bis zum Jahresende die Kosten ergebnisrelevant zu senken. Doch auch jetzt im vierten Quartal sind kurzfristig noch Lösungen realisierbar - mit Fantasie, detaillierter Vertragskenntnis und Financial Engineering.

Neben dem "Break and Rewrite" von bestehenden Leasingverträgen ist ein weiterer Ansatzpunkt IT-Serviceverträge neu zu verhandeln. Im Fall eines großen Logistikunternehmens, das unter mangelnder Kapazitätsauslastung litt, bestand die Lösung unter anderem darin, bei den zirca 3.000 Multifunktionsdruckern die Kosten für Managed Print Services schnell zu senken. Die monatlichen Fixkosten beliefen sich auf 65.000 Euro für Hard- und Software und die vertragliche Restlaufzeit der Drucker lag unter einem Jahr. Hinzu kamen variable Kosten für Services und Verbrauchsmaterialien entsprechend der Nutzung.

In Nachverhandlungen mit dem Druckdienstleister gelang es, den Vertrag mit veränderten Fixkosten entsprechend der möglichen Nutzungsdauer der Drucker zu verlängern und die Servicezahlungen für zwölf Monate auszusetzen, um kurzfristige Einsparungen zu erzielen. Die Restmietzahlungen wurden über die neue, längere Vertragslaufzeit verteilt. Das Resultat: Ergebniswirksame Kostensenkung noch im laufenden Jahr um 800.000 Euro und geringere Servicekosten in den Folgejahren.

... und zur Beschaffung von Liquidität

Durch Financial Engineering lässt sich auch kurzfristig umfangreich zusätzliche Liquidität für dringende Investitionen generieren, wie das Beispiel eines börsennotierten Elektrotechnik-Unternehmen mit einem IT-Client-Portfolio von etwa 13 Million Euro zeigt. Das Management wollte Geld in die Hand nehmen für nötige Investitionen, gleichzeitig aber erhebliche Einsparungen erzielen, die nicht zu Lasten der fortschrittlichen IT-Infrastruktur gehen sollten.

In diesem Fall heißt die Lösung Sale and lease back. Durch den Verkauf des Notebook-Bestands und sein anschließendes Leasing konnte Liquidität in Millionenhöhe generiert werden und durch Neuverhandlung von Leasingverträgen 800.000 Euro noch im laufenden Jahr an Einsparungen erzielt werden. Für die Neuinvestitionen wurde eine offene Marktausschreibung mit Leasing-Anbietern durchgeführt, um Zahlungskonditionen und Flexibilität zu optimieren. Das Ergebnis: Neue Notebooks konnten um 17 Prozent günstiger beschafft werden als zuvor, so dass sich im nächsten Investitionszyklus insgesamt rund 2,2 Millionen Euro einsparen ließen.

Fazit: Kurzfristig Millionen Euro Einsparungen möglich

Bei den angeführten Beispielen handelt es sich um Einzelprojekte aus dem gehobenen Mittelstand. Sie zeigen, welches Potenzial sich durch kreatives Financial Engineering freisetzen lässt. Berücksichtigt man, dass die gesamten IT-Leasing-Portfolios von Großkonzernen in der Regel Volumina von 25 bis 100 Millionen Euro an Anschaffungskosten umfassen, lassen sich in diesen Fällen kurzfristige, Ebit-wirksame Einsparungen in einer Größenordnung von fünf bis 20 Millionen Euro erzielen. Das kann in vielen Fällen den Unterschied zwischen roten und schwarzen Zahlen ausmachen.

Vielen Unternehmen, nicht nur den an der Börse notierten, ist die Zeitpunktbetrachtung wichtig. Für sie ist es rationaler, in der aktuellen Krise die Kosten ergebniswirksam zu reduzieren und in die Zukunft zu verlagern - natürlich in der Erwartung auf bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen, so sich die Kosten dann leichter tragen lassen. (jd)