IT-Freiberufler für SAP und BI

Die am stärkten gesuchten IT-Skills

16.05.2011 von Thomas Pelkmann
Über Marktlage 2011 und Aussichten für IT-Freelancer an neue Projekte zu kommen, sprachen wir mit Gerd Schorn, Direktor beim Personalvermittler Page Contracting in Düsseldorf.
Gerd Schorn, Direktor beim Personalvermittler Page Contracting in Düsseldorf.
Foto: Page Contracting

Page Contracting ist ein seit Anfang 2011 bestehender Geschäftsbereich der Personalvermittlung Page International, die gezielt Freiberufler in eigene Projekte vermittelt.

CIO.de: Herr Schorn, wie sieht der Markt für IT-Fachkräfte allgemein und für Freiberufler im speziellen aus?

Gerd Schorn: Das letzte Boomjahr hatten wir 2007, und auch 2008 war für die Branche zunächst noch ganz gut. Allerdings sank gegen Mitte des Jahres, mit Beginn der Finanzkrise, die Zahl der Projekte spürbar. 2009 war - für manche mehr, für manche weniger - ein schwieriges Jahr, aber 2010 haben viele Unternehmen erkannt, dass es doch nicht so schlimm gekommen ist, wie befürchtet. Da haben viele den Fuß von der Bremse genommen und IT-Projekte wieder aufgenommen oder neu gestartet.

In diesem Jahr haben wir das Rekordniveau von 2007 wieder erreicht. Die Nachfrage nach freiberuflichen IT-Spezialisten ist auf einem Höchststand. Kandidaten mit bestimmten und oft nachgefragten Qualifikationen sind derzeit kaum verfügbar. Da übersteigt die Nachfrage deutlich das Angebot.

CIO.de: Also ist es für Unternehmen im Moment schwieriger, an Freelancer zu kommen als umgekehrt?

Schorn: Eindeutig, ja. In der Regel haben Freiberufler derzeit zwischen ihren Projekten extrem kurze Leerlaufzeiten, wenn es nicht gleich nahtlos von einem zum nächsten geht. Im Moment können sich die Freiberufler ihre Projekte praktisch aussuchen.

CIO.de: Sollten Festangestellte angesichts dieser Nachfrage also schnell den Stift fallen lassen und sich selbstständig machen?

Sind Sie ein Typ für freiberufliches Arbeiten?
Foto: James Thew - Fotolia.com

Schorn: Man sollte nicht zu sehr nach der aktuellen Marktlage schielen, sondern sich fragen, ob man der Typ für freiberufliches Arbeiten ist. Dazu gehört eine gewisse Nervenstärke in Zeiten, in denen es nicht optimal läuft, gehört die Akquise neuer Kunden bei Firmen und Agenturen, eine größere Flexibilität bei der Wahl von Tätigkeiten und Arbeitsorten. Man sollte prüfen, ob die eigene Qualifikation derzeit am Markt gefragt ist und ob dies voraussichtlich für die nächsten Jahre der Fall ist. Wenn man diese Fragen für sich mit "Ja" beantworten kann, dann ist im Moment aber natürlich ein sehr guter Zeitpunkt, sich selbstständig zu machen.

CIO.de: Welche Qualifikationen sind denn im Moment besonders gefragt?

Schorn: Nach wie vor sind sämtliche Qualifikationen im SAP-Bereich sehr gefragt. Speziell dann, wenn es um Module geht, die SAP erst vor kurzer Zeit in den Markt eingeführt hat. Im SAP-Bereich gibt es eine große Nachfrage nach SAP-Beratern. Das sind Spezialisten, die Kunden dabei zu unterstützen, ihr SAP-System an die Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen. Gefragt sind hier auch Entwickler, die mit der SAP-Programmiersprache ABAP individuelle Änderungen am SAP-System vornehmen können.

SAP-Qualifikationen sind sehr gefragt

Dazu kommen die SAP-Basisadministratoren, die ebenfalls stark nachgefragt werden. Man braucht ein umfangreiches systemtechnisches Know-how, um den reibungslosen Betrieb der SAP-Systemlandschaft sicherzustellen. Dazu gehören neben den SAP-Komponenten auch Betriebssysteme und Datenbanken..

Konkret gibt es zudem im Moment beispielsweise einen großen Bedarf an SAP CRM-Spezialisten, weil viele Kunden in CRM-Projekte investieren. Solche Experten könnten wir gerade zahlreich in Projekten unterbringen.

CIO.de: Schlägt sich auch der Mobility-Trend in den Entwicklungsprojekten nieder? Gibt es einen großen Bedarf an Entwicklern von Apps für mobile Endgeräte?

Schorn: Nein, aus unserer Wahrnehmung gibt es im Bereich Mobility keine besondere Nachfrage aus den Unternehmen. Das wird in Zukunft vielleicht zunehmen, ist aber momentan, gemessen an dem allgemeinen Hype über dieses Thema, stark unterrepräsentiert.

BI-Spezialisten sind begehrter als Entwickler für mobile Apps

Wesentlich mehr gefragt sind dagegen Spezialisten für Business Intelligence (BI). Experten, die sich mit dem Aufbau von Data Warehouses und mit den einschlägigen Tools der großen Hersteller auskennen, sind im Moment im Markt sehr begehrt.

CIO.de: Ist BI nicht eher ein Thema für die Fachleute aus dem Finanz- oder Marketingbereich?

Schorn: Nein, im Moment sind da eher IT-Fachkräfte gefragt. Offenbar geht es in den meisten Unternehmen vor allem darum, die Infrastruktur für BI aufzubauen. Um anschließend für die Fachbereiche passende Abfragen zu erstellen, ist allerdings tatsächlich nicht unbedingt IT-Fachwissen gefragt. Die meisten BI-Werkzeuge sind mittlerweile so einfach zu bedienen, dass das auch geschulte Anwender aus den Fachbereichen erledigen können.

CIO.de: Und es gibt einen weiteren Grenzbereich: Entwickler für Embedded Software.

Schorn: Das ist zunächst ein IT-Thema, hat aber starken Bezug zum Ingenieursbereich. Embedded Software findet Anwendung etwa in Autos, Waschmaschinen, oder Aufzügen, um nur einige zu nennen. Auch hier gibt es eine große Nachfrage, wobei die Automobilindustrie definitiv der Treiber dieses Booms ist. Offenbar hat diese Branche schneller als andere begonnen, den Innovationsstau nach der Krise aufzulösen und damit den Markt weitgehend leergefegt. Zur Anziehungskraft der Automobilindustrie kommt aber auch hinzu, dass man dort nicht schlecht zahlt.

CIO.de: Wie entwickeln sich denn die Honorare für IT-Freiberufler in Deutschland?

Schorn: Wir haben das stichprobenartig erhoben aus unseren Anfragen. In diesem Jahr liegen die Honorare mit durchschnittlich 75 Euro pro Stunde rund zehn Prozent höher als noch 2009. Wir sind in diesem Jahr wieder auf dem Niveau des Boomjahres 2007 angelangt. Und das mit leicht steigender Tendenz.

Allerdings steigen die Honorare nicht so stark, wie die wachsende Nachfrage nach IT-Fachleuten vermuten lässt. Unsere Kunden stehen nach wie vor auf der Kostenbremse, und das engt den Spielraum für stärker steigende Honorare ein. Unsere Contracting-Dienstleistungen werden mittlerweile oft von der Einkaufsabteilungen in den Unternehmen geordert. Das bringt zusätzliche Spareffekte für die Auftraggeber, die bewirken, dass die Stundensätze nicht in den Himmel wachsen.

CIO.de: Passen denn die Qualifikationen der Freiberufler zu den Anforderungen des Marktes?

Schorn: Diese Frage stellt sich so im Moment nicht, weil auch Freiberufler mit leicht unterdurchschnittlicher Qualifikation im Moment leicht an Projekte kommen. Das wird erst dann ein Thema, wenn der Markt wieder schrumpfen sollte.

Weiterbildung im Bereich Data Warehouses kann sinnvoll sein

Wer sich aber trotzdem weiterqualifizieren möchte, sollte das beispielsweise im Bereich Business Intelligence tun, weil da die Nachfrage nach Spezialisten in den kommenden Monaten weiter zunehmen wird.

Freiberuflern ohne SAP-Vorkenntnisse würde ich dagegen von einem Einstieg in den SAP-Bereich eher abraten. Sich die nötigen Qualifikationen für eine Tätigkeit als SAP-Berater anzueignen, ist sehr aufwändig und teuer. Zudem erwarten die Kunden unserer Erfahrung nach in den SAP-Projekten keine Anfänger, sondern jemanden mit wenigstens drei bis fünf Jahren Berufserfahrung.

CIO.de: Herr Schorn, vielen Dank für das Gespräch.