Während die IT-Due Diligence auch für Private Equity Firmen (PE) in Amerika bereits zum Standard im Rahmen von Mergers&Acquisitions (M&A) zählt, wird die Rolle der IT im Vorfeld von Unternehmenstransaktionen im europäischen Raum noch häufig unterschätzt. Dies birgt potenzielle Risiken für Investoren: Beispielsweise haben Kostenrisiken wie zum Beispiel Mängel an dem ERP-System oder eine unvollständige Software-Lizenzierung direkte Auswirkungen auf den Kaufpreis. Die begrenzte Skalierungsfähigkeit einer IT-Plattform kann auch die Zielsetzung des Investors limitieren.
Der Stellenwert der IT-Funktion innerhalb der Unternehmen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Infolge der zunehmenden Digitalisierung der Geschäftsprozesse steigt der Wert der IT nicht mehr ausschließlich für technologieorientierte Unternehmen. Auch für konventionelle Dienstleistungs-, Einzelhandel- und Fertigungs-Unternehmen sind deren Onlineplattformen und computergestützten Prozesse erfolgsentscheidend und damit auch maßgebend für die Unternehmensbewertung.
Insofern reicht es beim Kauf eines Unternehmens nicht mehr aus, die IT des zu erwerbenden Unternehmens (Target) nur einer oberflächlichen Risikoanalyse (Red Flag Due Diligence) zu unterziehen. Vielmehr ist ein angemessener Ansatz erforderlich, der nicht nur die Geschäftsprozesse, sondern auch die IT-Strategie, das Personal, die Applikationen und die Infrastruktur auf den Prüfstand stellt und dabei sowohl zukünftige Potenziale zur Kostenreduktion als auch notwenige Investitionen aufzeigt.
Demgemäß bietet sich im Vorfeld einer Transaktion die Durchführung einer separaten IT-Due Diligence an. Richtig ausgeführt, schafft eine IT-Due Diligence Transparenz und bildet somit die Basis für sachgerechte Entscheidungen im Rahmen der Transaktion. Dies hilft Investoren Risiken zu minimieren, Synergiepotenziale zu heben und die Zeit für die Integration der IT des Targets in ein Ziel-Unternehmen zu reduzieren.
Schwerpunkte der IT-Due Diligence
Um zügig ein valides Ergebnis zu erzielen, sollten bei der IT-Due Diligence sechs Schlüsselbereiche analysiert werden:
IT-Strategie (Business Alignement, IT Roadmap etc.)
Mitarbeiter und Organisation (Organisationsgrad, Führungskräfte, "Key-Man-Risks", externe Dienstleister etc.)
Anwendungen (wesentliche Applikationen bewerten hinsichtlich der Fähigkeit, Kern- und unterstützende Geschäftsprozesse wirksam zu unterstützen)
IT-Infrastruktur (RZ, Server, Netze, IT-Sicherheit etc.)
IT-Prozesse (wesentliche Entwicklungs-, Betriebs- und Support-Prozesse)
IT-Financials (Vergleich der IT-Ausgaben (CAPEX und OPEX) mit Industrie-Benchmarks und Identifizierung potenzieller IT-Kostensenkungsmöglichkeiten)
Die folgenden zwei Beispiele illustrieren überblicksweise wie eine IT Due Diligence in der Praxis durchgeführt werden kann, hier mit im Vergleich zu einer Standard-IT-Due Diligence erweiterten Fokus:
Fallstudien
Praxisbeispiel - Integration eines zu kaufenden Unternehmens in einen Konzern
Zielsetzung: Sicherung der Integrationsfähigkeit des Targets in den Konzern.
Vorgehen: Durchführung einer IT-Due Diligence beim Target sowie ein IT-Assessment beim integrierenden Unternehmen. Der Investment-These des Investors entsprechend, erfolgte zudem eine detaillierte Bewertung der Anwendungsumgebung hinsichtlich ihrer Skalierbarkeit und Funktionalität. Als Ergebnis werden potenzielle Post-Merger-IT-Synergien identifiziert.
Resultate: Entsprechend den Ergebnissen der Due Diligence werden Kostensenkungspotentiale identifiziert, eine Roadmap für die Integration des Targets in den Konzern erstellt und die einmaligen Transformationskosten kalkuliert.
Praxisbeispiel - Akquisition Software Tech Unternehmen
Zielsetzung: Durchführung einer funktionalen IT-Due Diligence für ein Private Equity Unternehmen, das die Akquisition einer E-Commerce Firma beabsichtigt.
Vorgehen: Zu den Herausforderungen dieses Projektes gehört neben der Bewertung der IT auch die Bewertung der gesamten Organisationsstruktur und der Leistungsfähigkeit des E-Commerce Unternehmens. Darüber hinaus erfolgt eine Überprüfung der E-Commerce Strategie sowie der Prozesse im Software Development Lifecycle (SDLC). Abschließend sind die Funktionalität und der Kundennutzen zu bewerten sowie mögliche finanzielle Risiken und zukünftige IT-Investitionen zu quantifizieren.
Resultate: Entsprechend den Erkenntnissen der Due Diligence, werden Maßnahmen zur Kostenreduktion definiert und wird die Weiterentwicklung der E-Commerce Strategie sowie die Einführung einer zentralen Roadmap empfohlen. Zudem werden Investitionen in die IT-Funktion definiert, zum Beispiel die Entwicklung der Strategie für eine neue ERP-Lösung, die Einstellung geeigneter Fachkräfte für wichtige Schlüsselpositionen und die Minimierung von Datensicherheitsrisiken.
Fazit
Die IT Funktion wird immer wichtiger für Unternehmen, daher hängt auch der Erfolg einer Unternehmenstransaktion zunehmend von einer adäquaten Berücksichtigung der IT während des gesamten Akquisitionsprozesses ab. Dies gilt umso mehr, da heute die Digitalisierung auch für nicht-technologieorientierte Unternehmen entscheidend für die Funktionsfähigkeit des laufenden Betriebs und die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens ist.
Daher ist, insbesondere im Vorfeld einer Unternehmenstransaktion, eine umfassende und neutrale IT-Due Diligence geboten. Nur so kann fundiert beurteilt werden, ob eine durchgängige Funktionsfähigkeit der IT des Targets gewährleistet ist. Darüber hinaus werden monetäre und betriebliche Risiken bewertet, Potenziale zur Kostenreduktion aufgezeigt und das Wachstum des Kerngeschäfts fördernde Investitionen in die IT definiert.